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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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In der Schweiz eristirt kein besonderes Bureau; es ist aber seit 1830
sehr viel für Statistik (auch von Privatpersonen) gethan.

In Sardinien besteht seit zwanzig Jahren ein besonderer Rath für
Statistik, und außerdem, wie in Belgien, besondere Provinzialcommissionen,
welche der Centralstelle die nöthigen Materialien liefern, die sie sich nöthigen-
falls von den Communalbehörden einfordern.

Spanien hat bisher noch fast gar nichts für Statistik gethan. Ende
vorigen Jahrhunderts wurde zwar der Versuch gemacht, ein eignes statistisches
Bureau zu gründen, schlug aber fehl. Nicht besser ging es einem ähnlichen
Versuch im Jahre 1841. Erst in neuerer Zeit hab man sich Seitens der Re¬
gierung wieder ernstlich mit Statistik beschäftigt, und will ein besonderes
statistisches Bureau etabliren, das nach den Grundsätzen eingerichtet werden
soll, die der statistische Kongreß neuerdings in Brüssel aufgestellt hat. Zu
diesem Congresse hatte auch Spanien ebendeshalb einen Abgeordneten gesandt,
und eS erregte allgemeine Heiterkeit, als er in der ersten Sitzung offenherzig
meinte: "das wenigstens haben wir vor andern Ländern voraus, daß wir
nicht erst alte schlechte Einrichtungen abzuschaffen haben." Portugal har
keine Centralstelle sür Statistik. Volkszählungen fanden 1838, 18i>3, 1849,
1830, 1831 und 18ö2 statt.

In Frankreich hatten seine drei großen Finanzminister Sullv, Cvlbert
und Necker vor allen die Wichtigkeit der Statistik erkannt. Schon vor 300
Jahren errichtete Sullv eine statistische Kanzlei in Paris, die zwar nach seinem
Tode zerfiel, aber von Colbert wieder ins Leben gerufen wurde. "Wie dem
auch sei, sagt Sully in seinen Memoiren, ich werde immer behaupten, daß
man ohne diesen Führer (die Statistik) nur wie ein Blinder in der Verwaltung
umhertappen kann." Die Recherchen, welche Necker kurz vor der Revolution
im Finanzwesen Frankreichs vornahm, hatten ihm den großen Nutzen, den
eine gute Statistik zu gewähren vermag, auf das einleuchtendste gezeigt, und
er legte damals schon dem Könige einen sehr praktischen Plan zur Errichtung
eines besonderen statistischen Bureaus vor, welcher aber erst unter Napoleon
zur Ausführung kam, der seiner Kriege wegen namentlich oft Volkszählungen
vornehmen und sehr specielle Bevölkerungslisten führen ließ, ungefähr, wie
ein Spieler sein Geld nachzählt, um zu sehen, wie viel er noch daran setzen
kann. Größere Bedeutung hatte die Statistik unter Napoleon im Allgemeinen
auch nicht. Die meisten statistischen Sammlungen seiner Regierung blieben
überdem Geheimnisse, erst unter Ludwig Philipp sing man an, an eine zeit¬
gemäße Bearbeitung und Beschaffung des statistischen Materials zu denken,
und nun wurde die Sache auch mit solchem Eifer betrieben, daß 1833 schön
das statistische Institut in Paris sertig war, welches, durch Kreis- und Ge-
meindecommisionen unterstützt, (die infolge des Decrets vom 1. Juli 1862 auf


In der Schweiz eristirt kein besonderes Bureau; es ist aber seit 1830
sehr viel für Statistik (auch von Privatpersonen) gethan.

In Sardinien besteht seit zwanzig Jahren ein besonderer Rath für
Statistik, und außerdem, wie in Belgien, besondere Provinzialcommissionen,
welche der Centralstelle die nöthigen Materialien liefern, die sie sich nöthigen-
falls von den Communalbehörden einfordern.

Spanien hat bisher noch fast gar nichts für Statistik gethan. Ende
vorigen Jahrhunderts wurde zwar der Versuch gemacht, ein eignes statistisches
Bureau zu gründen, schlug aber fehl. Nicht besser ging es einem ähnlichen
Versuch im Jahre 1841. Erst in neuerer Zeit hab man sich Seitens der Re¬
gierung wieder ernstlich mit Statistik beschäftigt, und will ein besonderes
statistisches Bureau etabliren, das nach den Grundsätzen eingerichtet werden
soll, die der statistische Kongreß neuerdings in Brüssel aufgestellt hat. Zu
diesem Congresse hatte auch Spanien ebendeshalb einen Abgeordneten gesandt,
und eS erregte allgemeine Heiterkeit, als er in der ersten Sitzung offenherzig
meinte: „das wenigstens haben wir vor andern Ländern voraus, daß wir
nicht erst alte schlechte Einrichtungen abzuschaffen haben." Portugal har
keine Centralstelle sür Statistik. Volkszählungen fanden 1838, 18i>3, 1849,
1830, 1831 und 18ö2 statt.

In Frankreich hatten seine drei großen Finanzminister Sullv, Cvlbert
und Necker vor allen die Wichtigkeit der Statistik erkannt. Schon vor 300
Jahren errichtete Sullv eine statistische Kanzlei in Paris, die zwar nach seinem
Tode zerfiel, aber von Colbert wieder ins Leben gerufen wurde. „Wie dem
auch sei, sagt Sully in seinen Memoiren, ich werde immer behaupten, daß
man ohne diesen Führer (die Statistik) nur wie ein Blinder in der Verwaltung
umhertappen kann." Die Recherchen, welche Necker kurz vor der Revolution
im Finanzwesen Frankreichs vornahm, hatten ihm den großen Nutzen, den
eine gute Statistik zu gewähren vermag, auf das einleuchtendste gezeigt, und
er legte damals schon dem Könige einen sehr praktischen Plan zur Errichtung
eines besonderen statistischen Bureaus vor, welcher aber erst unter Napoleon
zur Ausführung kam, der seiner Kriege wegen namentlich oft Volkszählungen
vornehmen und sehr specielle Bevölkerungslisten führen ließ, ungefähr, wie
ein Spieler sein Geld nachzählt, um zu sehen, wie viel er noch daran setzen
kann. Größere Bedeutung hatte die Statistik unter Napoleon im Allgemeinen
auch nicht. Die meisten statistischen Sammlungen seiner Regierung blieben
überdem Geheimnisse, erst unter Ludwig Philipp sing man an, an eine zeit¬
gemäße Bearbeitung und Beschaffung des statistischen Materials zu denken,
und nun wurde die Sache auch mit solchem Eifer betrieben, daß 1833 schön
das statistische Institut in Paris sertig war, welches, durch Kreis- und Ge-
meindecommisionen unterstützt, (die infolge des Decrets vom 1. Juli 1862 auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/66>, abgerufen am 23.07.2024.