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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Directors der Infanterie und seine Ersetzung durch einen Anhänger des Sieges¬
herzogs. Die Forderung deS letztern und die Weigerung O'Donnels standen
sich eine Zeitlang so schroff gegenüber, daß der Moment des gefürchteten
Bruchs gekommen schien. Endlich gab der Kriegsminister in so weit nach, daß
er Ros de Olano, den Espartero für seinen persönlichen Gegner ansah, ent¬
ließ, ihm aber einen Nachfolger gab, auf dessen Ergebenheit er gleichfalls
zählen konnte. Etwas später wäre beinahe das ganze Ministerium durch einen
Beschluß der Cortes gestürzt, dessen Zielscheibe wiederum O'Dommel war. Za-
patero, der Generalcapitän von Catalonien, -- wo noch immer der im übri¬
gen Spanien nach dem Verschwinden der carlistischen Guerillas aufgehobene
Belagerungszustand bestand -- hatte Bereine, welche die Puros unter dem
Vorwande der Vorbereitung der kommenden Corteswahlen in den bedeutendsten
Städten des Fürstenthums errichtet, aufgelöst. Die Chefs dieser Fraction er¬
hoben nun in der Versammlung Beschwerde und verlangten die Zurücknahme
der Maßregel. O'Dommel nahm Zapateros Verfahren in Schutz und erklärte
die Thätigkeit jener Vereine als unvereinbar mit der Erhaltung der Ruhe.
Alle seine College", Espartero nicht ausgenommen, traten dem Kriegsminister
bei und machten aus der Verwerfung des Antrags eine Cabinetsfrage. Er
siel -- aber bei stark besetztem Hanse mit einer Mehrheit von nur fünf Stim¬
men. Die erklärtesten Anhänger des Siegesherzogs hatten ihm ihr Votum gege¬
ben. Es ist nicht zweifelhaft, daß, wurde er angenommen und trat das
Ministerium ab, Espartero wiederum Chef des nächstfolgenden geworden wäre.
O'Dommel konnte sich unmöglich verhehlen, daß der Boden unter seinen Füßen
zu wanken anfing, und der Unwille, den der Ministerpräsident öffentlich über
die Abstimmung seiner Anhänger kund gab, täuschte ihn keinen Augenblick.
Denn war Espartero wirklich bei diesem Vorgange nicht in Mitwissenschaft
der Pläne der Opposition gewesen, so würde seine Schwäche und geheime
Neigung sie, im Fal
^l der Antrag durchging, doch zum erwünschten Ziel
geführt haben. Die Cortes beabsichtigten sich, wie im vorigen Jahre,
vom 1. Juli bis zum 1. October zu vertagen. Die organischen Gesetze waren
vollendet, bis auf eins -- das Wahlgesetz. Dieses eine war aber grade
dasjenige, dessen Erledigung allein vor Auflösung der Constituante unabweis-
lich nothwendig war. Man hatte bereits im Plenum die Berathung darüber
begonnen, da aber eine Menge von Aenderungen und Zusätzen von verschie¬
denen Seiten beantragt wurden, wurde der Entwurf mit denselben der Com-
chi-ffivn wieder zurückgegeben. Schließlich wurde er, sicherlich nicht ohne Absicht,
bis zum Wiederzusammentritt der Cortes zurückgelegt. Ehe diese aber ihre Fe¬
rien antraten, gelangten ebenso plötzlich als unvermuthet aus AltcafMen
die vennruhigendsten Nachrichten nach der Hauptstadt. In Balladolid, in
Valencia, in ihren Umgebungen, wie in mehren kleineren Städten brachen


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Directors der Infanterie und seine Ersetzung durch einen Anhänger des Sieges¬
herzogs. Die Forderung deS letztern und die Weigerung O'Donnels standen
sich eine Zeitlang so schroff gegenüber, daß der Moment des gefürchteten
Bruchs gekommen schien. Endlich gab der Kriegsminister in so weit nach, daß
er Ros de Olano, den Espartero für seinen persönlichen Gegner ansah, ent¬
ließ, ihm aber einen Nachfolger gab, auf dessen Ergebenheit er gleichfalls
zählen konnte. Etwas später wäre beinahe das ganze Ministerium durch einen
Beschluß der Cortes gestürzt, dessen Zielscheibe wiederum O'Dommel war. Za-
patero, der Generalcapitän von Catalonien, — wo noch immer der im übri¬
gen Spanien nach dem Verschwinden der carlistischen Guerillas aufgehobene
Belagerungszustand bestand — hatte Bereine, welche die Puros unter dem
Vorwande der Vorbereitung der kommenden Corteswahlen in den bedeutendsten
Städten des Fürstenthums errichtet, aufgelöst. Die Chefs dieser Fraction er¬
hoben nun in der Versammlung Beschwerde und verlangten die Zurücknahme
der Maßregel. O'Dommel nahm Zapateros Verfahren in Schutz und erklärte
die Thätigkeit jener Vereine als unvereinbar mit der Erhaltung der Ruhe.
Alle seine College», Espartero nicht ausgenommen, traten dem Kriegsminister
bei und machten aus der Verwerfung des Antrags eine Cabinetsfrage. Er
siel — aber bei stark besetztem Hanse mit einer Mehrheit von nur fünf Stim¬
men. Die erklärtesten Anhänger des Siegesherzogs hatten ihm ihr Votum gege¬
ben. Es ist nicht zweifelhaft, daß, wurde er angenommen und trat das
Ministerium ab, Espartero wiederum Chef des nächstfolgenden geworden wäre.
O'Dommel konnte sich unmöglich verhehlen, daß der Boden unter seinen Füßen
zu wanken anfing, und der Unwille, den der Ministerpräsident öffentlich über
die Abstimmung seiner Anhänger kund gab, täuschte ihn keinen Augenblick.
Denn war Espartero wirklich bei diesem Vorgange nicht in Mitwissenschaft
der Pläne der Opposition gewesen, so würde seine Schwäche und geheime
Neigung sie, im Fal
^l der Antrag durchging, doch zum erwünschten Ziel
geführt haben. Die Cortes beabsichtigten sich, wie im vorigen Jahre,
vom 1. Juli bis zum 1. October zu vertagen. Die organischen Gesetze waren
vollendet, bis auf eins — das Wahlgesetz. Dieses eine war aber grade
dasjenige, dessen Erledigung allein vor Auflösung der Constituante unabweis-
lich nothwendig war. Man hatte bereits im Plenum die Berathung darüber
begonnen, da aber eine Menge von Aenderungen und Zusätzen von verschie¬
denen Seiten beantragt wurden, wurde der Entwurf mit denselben der Com-
chi-ffivn wieder zurückgegeben. Schließlich wurde er, sicherlich nicht ohne Absicht,
bis zum Wiederzusammentritt der Cortes zurückgelegt. Ehe diese aber ihre Fe¬
rien antraten, gelangten ebenso plötzlich als unvermuthet aus AltcafMen
die vennruhigendsten Nachrichten nach der Hauptstadt. In Balladolid, in
Valencia, in ihren Umgebungen, wie in mehren kleineren Städten brachen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/515>, abgerufen am 23.07.2024.