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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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in derselben, den Sturz des Kriegsministers, und mit ihm des ganzen Cavi-
netS mit Ausnahme Esparteros -- denn auch Escosura, obwol der entschie¬
dene Antagonist O'Dvnnels, würde in diesem Falle keine Gnade vor ihren
Augen gefunden haben --, eine Neubildung des Ministeriums aus puristischen
Elementen unter dem Vorsitz des SiegesherzogS, den sie nach ihrem Willen
gelenkt hätten, hierauf die Leitung der Wahlen zu den ordentlichen Cortes in
ihrem Sinne und dadurch die dauernde Bestätigung ihrer Herrschaft. Dieser
Parteitaktik wurden die Bedürfnisse des Landes geopfert, die vernehmbar genug
die Beendigung des Provisoriums forderten. Denn ein Geist der Gesetzlosig¬
keit griff in erschreckender Weise um sich, und diejenigen, welche die Wächter
der Ordnung sein sollten, die Nationalmilizen, waren es, welche sie fast aller
Orten gefährdeten. Während der Krankheit O'Donncls hatte der Posten der
Nationalmiliz, dem die Wache im Palast der Cortes oblag, ein Attentat auf
die Versammlung selbst versucht. In vielen Städten erregten die Milizen
entweder gegen die Gemeindebehörden, oder im EinVerständniß mit diesen, ge¬
gen die Autorität der königlichen Civil - und Militärgouverneure Tumulte.
Häufig ereignete es sich, daß einzelne Milizen ihre Offiziere, oder Polizeibeamte,
oder wegen ihrer reactionären Gesinnung mißliebige Personen schwer verwundeten,
a in verschiedenen Fällen tödteten. Der Territoriömus, den diese Zustände ver¬
breiteten, sicherte den Urhebern dieser Verbrechen vor den gewöhnlichen Gerichten
meist Straflosigkeit. Nur Militärcommisstonen hatten den Muth, mit Strenge da¬
gegen einzuschreiten. Das Räuberunwesen machte Leben und Eigenthum nicht
blos auf den Heerstraßen, sonder" bis in die Dörfer und kleineren Städte,
die von zahlreichen bewaffneten Banden überfallen wurden, unsicher. Eine
definitive Feststellung der öffentlichen Verhältnisse und eine durch sie mögliche
energische Handhabung des Gouvernements allein konnten die schlimmen Lei¬
denschaften, die eine chronische Anarchie verbreiteten, zügeln und Vertrauen,
Muth und Thätigkeit den bessern Classen der Bevölkerung einflößen.

So weit es unter solchen Umständen thunlich, gestalteten sich durch die Thätig¬
keit der neugegründeten Creditgesellschaften und die Versteigerung der National¬
güter die Finanzen günstig. Ein Anlehen von A00 Millionen Realen, das die
Regierung der Concurrenz der Meistbietenden unterstellte, fand sofort Angebote,
welche die versiegelten Forderungen des Finanzministers um einiges überstiegen.
Die Eisenbahnlinien, für deren Subventionirung durch den Staat der Ertrag
der Nationalgüter, die sich unter steigenden Preisen verkauften, haften sollte, fanden
durch denWetteifer zwischen der spanischen und französischen Creditgesellschaft schnell
ihre Unternehmer. In der politischen Sphäre dagegen zeigten sich schlimmere
Symptome. Bald nach Esparteros Rückkehr erhob sich zwischen ihm und O'Dommel
ein ernster Zwiespalt. Es handelte sich um die Entfernung Nos de Olanos,
eines der bedeutendsten Vicalvaristen, von dem höchst wichtigen Posten des


in derselben, den Sturz des Kriegsministers, und mit ihm des ganzen Cavi-
netS mit Ausnahme Esparteros — denn auch Escosura, obwol der entschie¬
dene Antagonist O'Dvnnels, würde in diesem Falle keine Gnade vor ihren
Augen gefunden haben —, eine Neubildung des Ministeriums aus puristischen
Elementen unter dem Vorsitz des SiegesherzogS, den sie nach ihrem Willen
gelenkt hätten, hierauf die Leitung der Wahlen zu den ordentlichen Cortes in
ihrem Sinne und dadurch die dauernde Bestätigung ihrer Herrschaft. Dieser
Parteitaktik wurden die Bedürfnisse des Landes geopfert, die vernehmbar genug
die Beendigung des Provisoriums forderten. Denn ein Geist der Gesetzlosig¬
keit griff in erschreckender Weise um sich, und diejenigen, welche die Wächter
der Ordnung sein sollten, die Nationalmilizen, waren es, welche sie fast aller
Orten gefährdeten. Während der Krankheit O'Donncls hatte der Posten der
Nationalmiliz, dem die Wache im Palast der Cortes oblag, ein Attentat auf
die Versammlung selbst versucht. In vielen Städten erregten die Milizen
entweder gegen die Gemeindebehörden, oder im EinVerständniß mit diesen, ge¬
gen die Autorität der königlichen Civil - und Militärgouverneure Tumulte.
Häufig ereignete es sich, daß einzelne Milizen ihre Offiziere, oder Polizeibeamte,
oder wegen ihrer reactionären Gesinnung mißliebige Personen schwer verwundeten,
a in verschiedenen Fällen tödteten. Der Territoriömus, den diese Zustände ver¬
breiteten, sicherte den Urhebern dieser Verbrechen vor den gewöhnlichen Gerichten
meist Straflosigkeit. Nur Militärcommisstonen hatten den Muth, mit Strenge da¬
gegen einzuschreiten. Das Räuberunwesen machte Leben und Eigenthum nicht
blos auf den Heerstraßen, sonder» bis in die Dörfer und kleineren Städte,
die von zahlreichen bewaffneten Banden überfallen wurden, unsicher. Eine
definitive Feststellung der öffentlichen Verhältnisse und eine durch sie mögliche
energische Handhabung des Gouvernements allein konnten die schlimmen Lei¬
denschaften, die eine chronische Anarchie verbreiteten, zügeln und Vertrauen,
Muth und Thätigkeit den bessern Classen der Bevölkerung einflößen.

So weit es unter solchen Umständen thunlich, gestalteten sich durch die Thätig¬
keit der neugegründeten Creditgesellschaften und die Versteigerung der National¬
güter die Finanzen günstig. Ein Anlehen von A00 Millionen Realen, das die
Regierung der Concurrenz der Meistbietenden unterstellte, fand sofort Angebote,
welche die versiegelten Forderungen des Finanzministers um einiges überstiegen.
Die Eisenbahnlinien, für deren Subventionirung durch den Staat der Ertrag
der Nationalgüter, die sich unter steigenden Preisen verkauften, haften sollte, fanden
durch denWetteifer zwischen der spanischen und französischen Creditgesellschaft schnell
ihre Unternehmer. In der politischen Sphäre dagegen zeigten sich schlimmere
Symptome. Bald nach Esparteros Rückkehr erhob sich zwischen ihm und O'Dommel
ein ernster Zwiespalt. Es handelte sich um die Entfernung Nos de Olanos,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/514>, abgerufen am 23.07.2024.