Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.läge; doch begegnete ihre Ausführung nicht solchen Bedenken, um von vorn¬ Die Charakteristik, .die wir von der ersten Session der constituirenden läge; doch begegnete ihre Ausführung nicht solchen Bedenken, um von vorn¬ Die Charakteristik, .die wir von der ersten Session der constituirenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103103"/> <p xml:id="ID_1634" prev="#ID_1633"> läge; doch begegnete ihre Ausführung nicht solchen Bedenken, um von vorn¬<lb/> herein daran verzweifeln zu müssen. Der größte Fehler ihrer Urheber war,<lb/> daß sie in eitler Selbstüberschätzung ihrer Macht den richtigen Zeitpunkt zur<lb/> Ausführung vorübergehn ließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1635" next="#ID_1636"> Die Charakteristik, .die wir von der ersten Session der constituirenden<lb/> Cortes gegeben haben, trifft auch für die zweite zu. Dieselben sterilen Partei-<lb/> kämpfe, persönlichen Angriffe und unaufhörlichen Interpellationen des Ministe¬<lb/> riums, dasselbe stets von neuem wiederholte Sturmlausen der Demokraten<lb/> gegen den Marschall O'Dommel. Die Puros bewiesen nach wie vor dem<lb/> Kriegsminister eine mißtrauische Kälte, und enthielten sich meistens der Ab¬<lb/> stimmung bei den gegen ihn gerichteten Anträgen; aber sie scheuten seine<lb/> Macht und seinen verwegenen Muth, und gingen nicht bis zum entschiedenen<lb/> Bruche. Espartero unterstützte seinen Kollegen offenkundig, deckte ihn mit<lb/> dem Schilde seiner Popularität, und er sowol, als O'Dommel, benutzten jede<lb/> Gelegenheit, um die vollkommene Uebereinstimmung ihrer Ansichten zu be¬<lb/> theuern. Aber diese Uebereinstimmung, an welcher das Heil Spaniens hing,<lb/> ruhte aus keinem sichern Grunde. Der Charakter, die Grundsätze, die Ante-<lb/> cedentien, die persönlichen Neigungen und Freundschaften der beiden Männer,<lb/> welche das Schicksal nebeneinander auf einen so hohen Platz gestellt hatte,<lb/> gingen auseinander. Jedermann fühlte, daß der Tag ihres Bruches kommen<lb/> müsse, jedermann sah für diesen Tag eine schreckliche Katastrophe voraus, und<lb/> die nicht versiegenden Gerüchte über mehr oder minder ernste Differenzen, die<lb/> zwischen beiden herrschen sollten, bewiesen, daß die Besorgnisse der Freunde,<lb/> und die Hoffnungen der Gegner der bestehenden Zustände diese Eventualität<lb/> nie aus den Augen verloren. O'Dommel verwandte eine unausgesetzte Sorg¬<lb/> falt auf die Disciplin und Organisation der Armee; er verbesserte namentlich<lb/> die Lage der Unteroffiziere, eines im spanischen Heere sehr einflußreichen Ele¬<lb/> ments, dessen Unzufriedenheit schon mehr als einmal furchtbare Aufstände<lb/> hervorgerufen. Der Siegesherzog that seinerseits alles, um sich die Anhänglich¬<lb/> keit der Nationalmiliz zu sichern. Der ehrwürdige San Miguel hatte im<lb/> Beginn des Herbstes seinen Posten als Generalinspector derselben gegen das<lb/> Kommando der Hellebardiere des Palastes vertauscht, eine Würde, die, obwol<lb/> sie außer einem möglichen Einfluß auf die Person des Souveräns keine<lb/> reelle Wichtigkeit hat, für eins der höchsten militärischen Aemter Spaniens<lb/> gilt. Der Veteran des Liberalismus, dem die Königin Jsabella für seinen<lb/> Eifer und seine Treue in den gefahrvollen Tagen des Juli aufrichtig zugethan<lb/> war, wurde außerdem bei diesem Anlaß zum Herzog und Granden von Spa¬<lb/> nien erhoben. Es ist bezeichnend, wie populär aristokratische Titel noch immer<lb/> in Spanien sind, daß San Miguel durch diesen Wechsel und seine Rang¬<lb/> erhöhung nichts von der Gunst bei seiner Partei und beim Volke einbüßte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
läge; doch begegnete ihre Ausführung nicht solchen Bedenken, um von vorn¬
herein daran verzweifeln zu müssen. Der größte Fehler ihrer Urheber war,
daß sie in eitler Selbstüberschätzung ihrer Macht den richtigen Zeitpunkt zur
Ausführung vorübergehn ließen.
Die Charakteristik, .die wir von der ersten Session der constituirenden
Cortes gegeben haben, trifft auch für die zweite zu. Dieselben sterilen Partei-
kämpfe, persönlichen Angriffe und unaufhörlichen Interpellationen des Ministe¬
riums, dasselbe stets von neuem wiederholte Sturmlausen der Demokraten
gegen den Marschall O'Dommel. Die Puros bewiesen nach wie vor dem
Kriegsminister eine mißtrauische Kälte, und enthielten sich meistens der Ab¬
stimmung bei den gegen ihn gerichteten Anträgen; aber sie scheuten seine
Macht und seinen verwegenen Muth, und gingen nicht bis zum entschiedenen
Bruche. Espartero unterstützte seinen Kollegen offenkundig, deckte ihn mit
dem Schilde seiner Popularität, und er sowol, als O'Dommel, benutzten jede
Gelegenheit, um die vollkommene Uebereinstimmung ihrer Ansichten zu be¬
theuern. Aber diese Uebereinstimmung, an welcher das Heil Spaniens hing,
ruhte aus keinem sichern Grunde. Der Charakter, die Grundsätze, die Ante-
cedentien, die persönlichen Neigungen und Freundschaften der beiden Männer,
welche das Schicksal nebeneinander auf einen so hohen Platz gestellt hatte,
gingen auseinander. Jedermann fühlte, daß der Tag ihres Bruches kommen
müsse, jedermann sah für diesen Tag eine schreckliche Katastrophe voraus, und
die nicht versiegenden Gerüchte über mehr oder minder ernste Differenzen, die
zwischen beiden herrschen sollten, bewiesen, daß die Besorgnisse der Freunde,
und die Hoffnungen der Gegner der bestehenden Zustände diese Eventualität
nie aus den Augen verloren. O'Dommel verwandte eine unausgesetzte Sorg¬
falt auf die Disciplin und Organisation der Armee; er verbesserte namentlich
die Lage der Unteroffiziere, eines im spanischen Heere sehr einflußreichen Ele¬
ments, dessen Unzufriedenheit schon mehr als einmal furchtbare Aufstände
hervorgerufen. Der Siegesherzog that seinerseits alles, um sich die Anhänglich¬
keit der Nationalmiliz zu sichern. Der ehrwürdige San Miguel hatte im
Beginn des Herbstes seinen Posten als Generalinspector derselben gegen das
Kommando der Hellebardiere des Palastes vertauscht, eine Würde, die, obwol
sie außer einem möglichen Einfluß auf die Person des Souveräns keine
reelle Wichtigkeit hat, für eins der höchsten militärischen Aemter Spaniens
gilt. Der Veteran des Liberalismus, dem die Königin Jsabella für seinen
Eifer und seine Treue in den gefahrvollen Tagen des Juli aufrichtig zugethan
war, wurde außerdem bei diesem Anlaß zum Herzog und Granden von Spa¬
nien erhoben. Es ist bezeichnend, wie populär aristokratische Titel noch immer
in Spanien sind, daß San Miguel durch diesen Wechsel und seine Rang¬
erhöhung nichts von der Gunst bei seiner Partei und beim Volke einbüßte.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |