Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.Sein Nachfolger als Generalinspector der Nationalmiliz war der General Um die Zeit des Jahreswechsels verfiel O'Dommel in eine Krankheit, die Die organischen Gesetze, deren Berathung sich sehr in die Länge zog, Sein Nachfolger als Generalinspector der Nationalmiliz war der General Um die Zeit des Jahreswechsels verfiel O'Dommel in eine Krankheit, die Die organischen Gesetze, deren Berathung sich sehr in die Länge zog, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103104"/> <p xml:id="ID_1636" prev="#ID_1635"> Sein Nachfolger als Generalinspector der Nationalmiliz war der General<lb/> Ferraz, zugleich erster Alcalde der Hauptstadt, einer der ältesten und ergebensten<lb/> Anhänger des Siegesherzogs. Er zeigte die eben nicht lobenswerthe Tendenz,<lb/> den Kreis der Milizen, der schon viele keineswegs zuverlässige Elemente in<lb/> sich schloß, noch weiter auszudehnen. Namentlich geschah dies in Madrid und<lb/> der dazu gehörigen Provinz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1637"> Um die Zeit des Jahreswechsels verfiel O'Dommel in eine Krankheit, die<lb/> eine Zeitlang ernste Befürchtungen hervorrief. Nach seiner Herstellung kam<lb/> es zu einer schon seit längerer Zeit vorhergesehenen Ministerkrisis. Zuerst<lb/> schied der Finanzminister Brun aus. Seine Verwaltung hatte unbestreitbar<lb/> günstige Resultate erzielt, Geld in die leeren Staatskassen zurückgebracht, und<lb/> den öffentlichen Credit bedeutend gehoben. Dies ersparte ihm nicht die gehässig¬<lb/> sten Anfeindungen in den Cortes, die ihn, der der Rede nicht mächtig war, noch<lb/> empfindlicher, als seine Vorgänger trafen. Es nahte jetzt die Zeit der Vorlegung<lb/> des nächsten Jahresbudgets. Brun, der vermittelst der freiwilligen Anleihe den<lb/> bisherigen durch die Aufhebung der Consumos verursachten Ausfall gedeckt<lb/> hatte, hielt ihre Wiedereinführung für unabweisbar nothwendig. Es war<lb/> jedoch kaum zu hoffen, daß die Mehrheit der Cortes einem dahin zielenden<lb/> Vorschlag zustimmen werde. Der undankbaren Arbeit, der steten Angriffe<lb/> müde, legte Brun einen Posten nieder, den er mit Hintansetzung seiner Privat¬<lb/> geschäfte aus wahrem Gemeinsinn übernommen. Sein Nachfolger wurde der<lb/> frühere Minister des Innern, Santa Cruz. Bald darauf traten auch die<lb/> Minister der Justiz, des Innern und der öffentlichen Arbeiten zurück, ohne<lb/> ein anderes Motiv, als das sich herausstellende Bedürfniß, diese Portefeuilles<lb/> durch bedeutendere Kapacitäten zu besetzen. Die Unzulänglichkeit ganz mittel¬<lb/> mäßiger Persönlichkeiten einer Versammlung gegenüber, die nicht wenig glän¬<lb/> zende Nednertalente zählte, wurde mit jedem Tage fühlbarer. Die öffentlichen<lb/> Bauten übernahm Lujan wieder, die Justiz Urias Uria, ein junger Advocat,<lb/> der bald bedenkliche Dispositionen zu Gunsten der Geistlichkeit — Cultus- und<lb/> Justizministerium sind in Spanien vereint — blicken ließ. Minister des Innern<lb/> wurde Patricio Escosura, ehemals ein Mitglied der Puritanos und schon im<lb/> Jahr 1847 einige Wochen lang Minister. Später hatte er den Progressiften<lb/> sich angeschlossen. Schriftsteller von Ruf und begabter Redner, erfreute er<lb/> sich doch bei keiner Partei besonderer Beliebtheit. Die Moderadoö haßten ihn<lb/> als Ueberläufer, die Progressiften schenkten ihm kein volles Vertrauen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1638" next="#ID_1639"> Die organischen Gesetze, deren Berathung sich sehr in die Länge zog,<lb/> haben das Schicksal der Verfassung getheilt; wir erwähnen daher nur, daß<lb/> in Betreff der Presse die Mehrheit der Cortes eine Neigung zur Strenge zeigte,<lb/> die nichts weniger als liberal, geschweige denn progressistisch genannt werden<lb/> konnte. Escosura, der ehemalige Publicist, machte sich durch die fast veracht-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
Sein Nachfolger als Generalinspector der Nationalmiliz war der General
Ferraz, zugleich erster Alcalde der Hauptstadt, einer der ältesten und ergebensten
Anhänger des Siegesherzogs. Er zeigte die eben nicht lobenswerthe Tendenz,
den Kreis der Milizen, der schon viele keineswegs zuverlässige Elemente in
sich schloß, noch weiter auszudehnen. Namentlich geschah dies in Madrid und
der dazu gehörigen Provinz.
Um die Zeit des Jahreswechsels verfiel O'Dommel in eine Krankheit, die
eine Zeitlang ernste Befürchtungen hervorrief. Nach seiner Herstellung kam
es zu einer schon seit längerer Zeit vorhergesehenen Ministerkrisis. Zuerst
schied der Finanzminister Brun aus. Seine Verwaltung hatte unbestreitbar
günstige Resultate erzielt, Geld in die leeren Staatskassen zurückgebracht, und
den öffentlichen Credit bedeutend gehoben. Dies ersparte ihm nicht die gehässig¬
sten Anfeindungen in den Cortes, die ihn, der der Rede nicht mächtig war, noch
empfindlicher, als seine Vorgänger trafen. Es nahte jetzt die Zeit der Vorlegung
des nächsten Jahresbudgets. Brun, der vermittelst der freiwilligen Anleihe den
bisherigen durch die Aufhebung der Consumos verursachten Ausfall gedeckt
hatte, hielt ihre Wiedereinführung für unabweisbar nothwendig. Es war
jedoch kaum zu hoffen, daß die Mehrheit der Cortes einem dahin zielenden
Vorschlag zustimmen werde. Der undankbaren Arbeit, der steten Angriffe
müde, legte Brun einen Posten nieder, den er mit Hintansetzung seiner Privat¬
geschäfte aus wahrem Gemeinsinn übernommen. Sein Nachfolger wurde der
frühere Minister des Innern, Santa Cruz. Bald darauf traten auch die
Minister der Justiz, des Innern und der öffentlichen Arbeiten zurück, ohne
ein anderes Motiv, als das sich herausstellende Bedürfniß, diese Portefeuilles
durch bedeutendere Kapacitäten zu besetzen. Die Unzulänglichkeit ganz mittel¬
mäßiger Persönlichkeiten einer Versammlung gegenüber, die nicht wenig glän¬
zende Nednertalente zählte, wurde mit jedem Tage fühlbarer. Die öffentlichen
Bauten übernahm Lujan wieder, die Justiz Urias Uria, ein junger Advocat,
der bald bedenkliche Dispositionen zu Gunsten der Geistlichkeit — Cultus- und
Justizministerium sind in Spanien vereint — blicken ließ. Minister des Innern
wurde Patricio Escosura, ehemals ein Mitglied der Puritanos und schon im
Jahr 1847 einige Wochen lang Minister. Später hatte er den Progressiften
sich angeschlossen. Schriftsteller von Ruf und begabter Redner, erfreute er
sich doch bei keiner Partei besonderer Beliebtheit. Die Moderadoö haßten ihn
als Ueberläufer, die Progressiften schenkten ihm kein volles Vertrauen.
Die organischen Gesetze, deren Berathung sich sehr in die Länge zog,
haben das Schicksal der Verfassung getheilt; wir erwähnen daher nur, daß
in Betreff der Presse die Mehrheit der Cortes eine Neigung zur Strenge zeigte,
die nichts weniger als liberal, geschweige denn progressistisch genannt werden
konnte. Escosura, der ehemalige Publicist, machte sich durch die fast veracht-
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