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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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und Schlitten möglich war, um die Spuren der Erpedition I. Franklins an
den Küsten zu entdecken. Die Gesellschaft, welche an Bord der Advance in
Segel ging, bestand aus siebzehn Mann und dem Befehlshaber. Die Aus¬
rüstung war einfach. Eine Anzahl roher Breter zur Bedachung des Schiffes
während des Winters, einige Jndiarubber - und Leinwandzelte und mehre
starke, dem Zwecke entsprechend gebaute Schlitten machten die ganze Rüstung
der Erpedition aus. Als Provision nahm man eine gehörige Quantität
Pemmican (ein aus Fleisch bereitetes. Nahrungsmittel der Reisenden in den
amerikanischen Wildnissen), eine Masse von Fleischzwieback, einige Packete
zubereiteter Kartoffeln, einen Vorrath getrockneter Früchte und Gemüse,
nebst der gewöhnlichen Schiffsration von gepökeltem Kraut, Salz und Schweine¬
fleisch, so wie Matrosenzwieback und Mehl mit. Ein mäßiges Maß von
geistigen Getränken, von denen nur aus ausdrücklichen Befehl verabreicht wurde,
machten den Schluß der Speisekarte aus.

Die Advance hatte Neuyork den 30. März 1833 verlassen, und befand
sich am 1. Juli in dem Hafen von Fiskerness. Sie setzte ihre Reise allmcilig
längs der Küste bis zum 27. Juli fort, wo sie den Eingang in die Melleville-
bai berührte. Hier begegnete sie der ersten wirklichen Verstopfung durch Eis¬
massen, or. Kane beschloß sofort, den Eintritt in die Bai von einer andern
Richtung zu versuchen, und nach einer rauhen Schiffahrt von acht Tagen war
sein Plan mit Erfolg gekrönt. Nach weniger als einer Woche liefen sie in
Smiths Sund ein, und landeten nahe vor Littletons Eiland, wo sie ein Boot
mit Vorräthen für den Fall der Rückkehr in Gesahr zurückließen.

"Wir fanden zu unserer Ueberraschung, bemerkt t>v. Kane, daß wir nicht
die ersten menschlichen Wesen waren, welche einen Zufluchtsort in diesem verlas¬
senen Winkel gesucht hatten. Einige Trümmer früherer Mauern belehrten uns,
daß derselbe einst als Sitz einer unwirthsamen Niederlassung gedient, und in
dem kleinen Hügel, den wir hinwegräumten, um unser Vorrathömagazin zu
errichten, fanden wir die sterblichen Ueberreste seiner Bewohner."

"Man kann sich nichts Traurigeres und Heimathloseres denken, als diese
Denkzeichen erloschenen Lebens. Kaum eine Spur des lebendigen Daseins
war auf den nackten, eisgeschabten Felsen sichtbar, und die Baracken glichen
so sehr den zerfallenen Ueberbleibseln, die sie umgaben, daß man bei dem ersten
Blick sie nicht voneinander trennen konnte. Wallroßknochcn lagen nach allen
Seiten umher, anzeigend, daß dieses Thier das Hauptmittel der Subsistenz
darbot. Man sah auch einzelne Reste von Fuchs und Walfisch; ich be¬
merkte aber nichts von Seehund und Nennthier."

"Für die Eskimos gibt es keine Muttererde, die ihre Todten aufnimmt; sie
geben ihnen die sitzende Stellung der Ruhe, die Knie sest an den Körper
gezogen und nähen sie in einen Sack von Thierhäuten ein. Die Geräth


und Schlitten möglich war, um die Spuren der Erpedition I. Franklins an
den Küsten zu entdecken. Die Gesellschaft, welche an Bord der Advance in
Segel ging, bestand aus siebzehn Mann und dem Befehlshaber. Die Aus¬
rüstung war einfach. Eine Anzahl roher Breter zur Bedachung des Schiffes
während des Winters, einige Jndiarubber - und Leinwandzelte und mehre
starke, dem Zwecke entsprechend gebaute Schlitten machten die ganze Rüstung
der Erpedition aus. Als Provision nahm man eine gehörige Quantität
Pemmican (ein aus Fleisch bereitetes. Nahrungsmittel der Reisenden in den
amerikanischen Wildnissen), eine Masse von Fleischzwieback, einige Packete
zubereiteter Kartoffeln, einen Vorrath getrockneter Früchte und Gemüse,
nebst der gewöhnlichen Schiffsration von gepökeltem Kraut, Salz und Schweine¬
fleisch, so wie Matrosenzwieback und Mehl mit. Ein mäßiges Maß von
geistigen Getränken, von denen nur aus ausdrücklichen Befehl verabreicht wurde,
machten den Schluß der Speisekarte aus.

Die Advance hatte Neuyork den 30. März 1833 verlassen, und befand
sich am 1. Juli in dem Hafen von Fiskerness. Sie setzte ihre Reise allmcilig
längs der Küste bis zum 27. Juli fort, wo sie den Eingang in die Melleville-
bai berührte. Hier begegnete sie der ersten wirklichen Verstopfung durch Eis¬
massen, or. Kane beschloß sofort, den Eintritt in die Bai von einer andern
Richtung zu versuchen, und nach einer rauhen Schiffahrt von acht Tagen war
sein Plan mit Erfolg gekrönt. Nach weniger als einer Woche liefen sie in
Smiths Sund ein, und landeten nahe vor Littletons Eiland, wo sie ein Boot
mit Vorräthen für den Fall der Rückkehr in Gesahr zurückließen.

„Wir fanden zu unserer Ueberraschung, bemerkt t>v. Kane, daß wir nicht
die ersten menschlichen Wesen waren, welche einen Zufluchtsort in diesem verlas¬
senen Winkel gesucht hatten. Einige Trümmer früherer Mauern belehrten uns,
daß derselbe einst als Sitz einer unwirthsamen Niederlassung gedient, und in
dem kleinen Hügel, den wir hinwegräumten, um unser Vorrathömagazin zu
errichten, fanden wir die sterblichen Ueberreste seiner Bewohner."

„Man kann sich nichts Traurigeres und Heimathloseres denken, als diese
Denkzeichen erloschenen Lebens. Kaum eine Spur des lebendigen Daseins
war auf den nackten, eisgeschabten Felsen sichtbar, und die Baracken glichen
so sehr den zerfallenen Ueberbleibseln, die sie umgaben, daß man bei dem ersten
Blick sie nicht voneinander trennen konnte. Wallroßknochcn lagen nach allen
Seiten umher, anzeigend, daß dieses Thier das Hauptmittel der Subsistenz
darbot. Man sah auch einzelne Reste von Fuchs und Walfisch; ich be¬
merkte aber nichts von Seehund und Nennthier."

„Für die Eskimos gibt es keine Muttererde, die ihre Todten aufnimmt; sie
geben ihnen die sitzende Stellung der Ruhe, die Knie sest an den Körper
gezogen und nähen sie in einen Sack von Thierhäuten ein. Die Geräth


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/490>, abgerufen am 23.07.2024.