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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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vielleicht bei diesem oder jenem ehrgeizigen Politiker eingemischt haben mögen,
viele gute Seiten an dieser Nebraskabill, namentlich 1) daß sie dem rein
demokratischen Princip zu entsprechen schien, indem sie die Entscheidung der
Sklavenfrage ganz in die Hand der Bevölkerung legte. 2) Daß sie den Ein-
griff, den das Missouricompromiß in die Souveränetätsrechte der einzelnen
Staaten machte, wieder aufhob. 3) Daß sie den Congreß ein- für allemal
vor jeder Discussion der Sklavenfrage und den damit verknüpften Gefahren --
(denn schon mehr als einmal hatten die Sklavenstaaten mit Auflösung der
Union gedroht) -- zu befreien schien. 4) Daß ihr Princip für das ganze
Gebiet der Vereinigten Staaten paßte, während das Missouricompromiß die
neuerworbenen Gebietstheile nicht mitbegriff. Außerdem glaubten die Anhänger
der Nebraskabill, die zugleich Gegner der Sklaverei waren, daß eine factische
Gefahr der wirklichen Einführung der Sklaverei in Kansas nicht vorliege,
theils weil das Klima dieses Territoriums sich für Zucker-, Reis- und Baum¬
wolleplantagen nicht eignet, theils weil sie dachten, daß die Sklavenhalter,
bei der geringen Wahrscheinlichkeit, die Sklaverei in Kansas durchzusetzen, gar
nicht wagen würden, in bedeutender Zahl dahin einzuwandern und ihr kost¬
bares schwarzes Eigenthum aus das Spiel zu setzen, -- daß mithin die große
Mehrzahl der Ansiedler aus Gegnern der Sklaverei bestehen und dieselbe
von dem Territorium und später von dem Staate unfehlbar ausschließen
würden.

Schreiber dieses, der selbst Bürger der Vereinigten Staaten ist und damals
im Staat Illinois wohnte, gesteht gern, daß auch er damals zu der Ansicht
hinneigte, daß die Nebraskabill eine gerechte und principiell richtige Maßregel
sei. Und doch war auch er von dem tiefsten Widerwillen gegen das Sklaven¬
wesen erfüllt.

So war am 2z. Mai die Nebraskabill zum Gesetz geworden.
Allein sie hatte eine schwache Seite, die zur Zeit ihres Erlasses nicht
genug erwogen wurde und 'die sich auf eine ebenso unerwartete als traurige
Weise geltend machte. Da nämlich nach dem Inhalte derselben die Sklaven¬
frage gleich anfangs von der Stimmenmehrheit der Ansiedler, oder der von
ihnen erwählten gesetzgebenden Versammlung abhängen sollte, so war zu be¬
fürchten, daß. Intriguen und Gewaltthätigkeiten von Seiten der einen oder
der andern Partei, oder auch von Seiten beider, dabei ihr Spiel treiben und
blutige Conflicte herbeiführen möchten, mit einem Worte, daß in der ersten
Zeit das Faustrecht die Oberhand gewinnen könne. Insofern haben die
Gegner der Nebraskabill allerdings nicht ganz Unrecht, wenn sie die Squatter-
souveränetät zum Gegenstand ihres Spottes machen.

Die erwähnten Uebel traten im vollsten Maße ein. Der Bericht einer
Untersuchungscommission, die der Congreß zu Anfang -1836 nach Kansas sandte,


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vielleicht bei diesem oder jenem ehrgeizigen Politiker eingemischt haben mögen,
viele gute Seiten an dieser Nebraskabill, namentlich 1) daß sie dem rein
demokratischen Princip zu entsprechen schien, indem sie die Entscheidung der
Sklavenfrage ganz in die Hand der Bevölkerung legte. 2) Daß sie den Ein-
griff, den das Missouricompromiß in die Souveränetätsrechte der einzelnen
Staaten machte, wieder aufhob. 3) Daß sie den Congreß ein- für allemal
vor jeder Discussion der Sklavenfrage und den damit verknüpften Gefahren —
(denn schon mehr als einmal hatten die Sklavenstaaten mit Auflösung der
Union gedroht) — zu befreien schien. 4) Daß ihr Princip für das ganze
Gebiet der Vereinigten Staaten paßte, während das Missouricompromiß die
neuerworbenen Gebietstheile nicht mitbegriff. Außerdem glaubten die Anhänger
der Nebraskabill, die zugleich Gegner der Sklaverei waren, daß eine factische
Gefahr der wirklichen Einführung der Sklaverei in Kansas nicht vorliege,
theils weil das Klima dieses Territoriums sich für Zucker-, Reis- und Baum¬
wolleplantagen nicht eignet, theils weil sie dachten, daß die Sklavenhalter,
bei der geringen Wahrscheinlichkeit, die Sklaverei in Kansas durchzusetzen, gar
nicht wagen würden, in bedeutender Zahl dahin einzuwandern und ihr kost¬
bares schwarzes Eigenthum aus das Spiel zu setzen, — daß mithin die große
Mehrzahl der Ansiedler aus Gegnern der Sklaverei bestehen und dieselbe
von dem Territorium und später von dem Staate unfehlbar ausschließen
würden.

Schreiber dieses, der selbst Bürger der Vereinigten Staaten ist und damals
im Staat Illinois wohnte, gesteht gern, daß auch er damals zu der Ansicht
hinneigte, daß die Nebraskabill eine gerechte und principiell richtige Maßregel
sei. Und doch war auch er von dem tiefsten Widerwillen gegen das Sklaven¬
wesen erfüllt.

So war am 2z. Mai die Nebraskabill zum Gesetz geworden.
Allein sie hatte eine schwache Seite, die zur Zeit ihres Erlasses nicht
genug erwogen wurde und 'die sich auf eine ebenso unerwartete als traurige
Weise geltend machte. Da nämlich nach dem Inhalte derselben die Sklaven¬
frage gleich anfangs von der Stimmenmehrheit der Ansiedler, oder der von
ihnen erwählten gesetzgebenden Versammlung abhängen sollte, so war zu be¬
fürchten, daß. Intriguen und Gewaltthätigkeiten von Seiten der einen oder
der andern Partei, oder auch von Seiten beider, dabei ihr Spiel treiben und
blutige Conflicte herbeiführen möchten, mit einem Worte, daß in der ersten
Zeit das Faustrecht die Oberhand gewinnen könne. Insofern haben die
Gegner der Nebraskabill allerdings nicht ganz Unrecht, wenn sie die Squatter-
souveränetät zum Gegenstand ihres Spottes machen.

Die erwähnten Uebel traten im vollsten Maße ein. Der Bericht einer
Untersuchungscommission, die der Congreß zu Anfang -1836 nach Kansas sandte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/419>, abgerufen am 23.07.2024.