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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Der alte Streit tauchte daher bei verschiedenen Gelegenheiten im Schoße
des Congresses von neuem auf, und zwar mit großer und gefährlicher Heftig¬
keit. Namentlich geschah dies in Bezug auf Californien. In diesem Falle
schien er sehr drohend zu werden und die glückliche Erledigung desselben wurde
nur durch den Umstand herbeigeführt, daß die Bevölkerung Californiens ganz
ungewöhnlich rasch angewachsen war, so daß dieses Land sogleich als Staat
aufgenommen werden konnte und somit die Entscheidung der Sklavenfrage ihm
selbst anheim fiel, -- eine Entscheidung, die bekanntlich die Sklaverei aus¬
schloß. Auch beschwichtigte man den Süden durch das, freilich schon in der
Verfassungsurkunde selbst begründete Gesetz über die Auslieferung flüchtiger
Sklaven.

Als nun im Jahr 1854 der Zeitpunkt kam, wo das sogenannte Ne-
braskagebie t, -- eine sehr ausgedehnte, westlich an die Staaten Missouri
und Iowa angrenzende und weithin gegen das Felsengebirg reichende Land-
strecke, -- als Territorium organisirt werden sollte, kam eine zahlreiche Partei
im Congreß auf den Plan, von der Bestimmung des Missouricompromisses
abzugehen und statt dessen den Grundsatz aufzustellen, daß von nun an die
Bevölkerung selbst nicht blos von der Zeit an, wo das Territorium als
Staat aufgenommen worden, sondern auch schon während der Territorial¬
zeit, ganz unabhängig die Frage über Zulassung oder Ausschließung der Skla¬
verei zu entscheiden habe.

Daß die Sklavenstaaten diesem Plane günstig waren, erklärt sich
leicht. Denn nach dem Missvuricompromiß war in dem Nebraskagebiete (wel¬
ches man in zwei Territorien, nämlich Kansas -- das südliche -- und
Nebraska -- das nördliche -- theilte) die Sklaverei absolut ausgeschlossen,
da die südliche Grenze von Kansas bei weitem nicht bis zu der durch das
Missouricompromiß bezeichneten Linie reicht. Der neue Plan gab also den
Sklavenhaltern den Vortheil, die Einführung der Sklaverei in Kansas wenigstens
möglich zu machen, während sie nach dem Missouricompromiß unmöglich
war. Es ist daher begreiflich, daß sie alles aufboten, um dieser neuen Ansicht
den Sieg zu verschaffen.

Aber auch sehr viele nördliche Amerikaner, sehr viele freisinnige Männer
innerhalb und außerhalb des Congresses, und unter ihnen viele entschiedene
Gegner der Sklaverei, billigten diese neue Ansicht, und es ist eine bemerkens-
werthe Thatsache, daß der Mann, der diese Maßregel (die sogenannte KansaS-
Nebraskabill, oder einfach Nebraökabill) ausarbeitete und in Vorschlag
brachte Senator Douglas, aus einem freien Staate (Illinois) war und
stets für einen ebenso talentvollen als freisinnigen Mann galt, so daß er
früher sogar als Prastdentschaftscanbidat in Vorschlag war. Unbefangene
Patrioten fanden, ganz abgesehen von manchen persönlichen Zwecken, die sich


Der alte Streit tauchte daher bei verschiedenen Gelegenheiten im Schoße
des Congresses von neuem auf, und zwar mit großer und gefährlicher Heftig¬
keit. Namentlich geschah dies in Bezug auf Californien. In diesem Falle
schien er sehr drohend zu werden und die glückliche Erledigung desselben wurde
nur durch den Umstand herbeigeführt, daß die Bevölkerung Californiens ganz
ungewöhnlich rasch angewachsen war, so daß dieses Land sogleich als Staat
aufgenommen werden konnte und somit die Entscheidung der Sklavenfrage ihm
selbst anheim fiel, — eine Entscheidung, die bekanntlich die Sklaverei aus¬
schloß. Auch beschwichtigte man den Süden durch das, freilich schon in der
Verfassungsurkunde selbst begründete Gesetz über die Auslieferung flüchtiger
Sklaven.

Als nun im Jahr 1854 der Zeitpunkt kam, wo das sogenannte Ne-
braskagebie t, — eine sehr ausgedehnte, westlich an die Staaten Missouri
und Iowa angrenzende und weithin gegen das Felsengebirg reichende Land-
strecke, — als Territorium organisirt werden sollte, kam eine zahlreiche Partei
im Congreß auf den Plan, von der Bestimmung des Missouricompromisses
abzugehen und statt dessen den Grundsatz aufzustellen, daß von nun an die
Bevölkerung selbst nicht blos von der Zeit an, wo das Territorium als
Staat aufgenommen worden, sondern auch schon während der Territorial¬
zeit, ganz unabhängig die Frage über Zulassung oder Ausschließung der Skla¬
verei zu entscheiden habe.

Daß die Sklavenstaaten diesem Plane günstig waren, erklärt sich
leicht. Denn nach dem Missvuricompromiß war in dem Nebraskagebiete (wel¬
ches man in zwei Territorien, nämlich Kansas — das südliche — und
Nebraska — das nördliche — theilte) die Sklaverei absolut ausgeschlossen,
da die südliche Grenze von Kansas bei weitem nicht bis zu der durch das
Missouricompromiß bezeichneten Linie reicht. Der neue Plan gab also den
Sklavenhaltern den Vortheil, die Einführung der Sklaverei in Kansas wenigstens
möglich zu machen, während sie nach dem Missouricompromiß unmöglich
war. Es ist daher begreiflich, daß sie alles aufboten, um dieser neuen Ansicht
den Sieg zu verschaffen.

Aber auch sehr viele nördliche Amerikaner, sehr viele freisinnige Männer
innerhalb und außerhalb des Congresses, und unter ihnen viele entschiedene
Gegner der Sklaverei, billigten diese neue Ansicht, und es ist eine bemerkens-
werthe Thatsache, daß der Mann, der diese Maßregel (die sogenannte KansaS-
Nebraskabill, oder einfach Nebraökabill) ausarbeitete und in Vorschlag
brachte Senator Douglas, aus einem freien Staate (Illinois) war und
stets für einen ebenso talentvollen als freisinnigen Mann galt, so daß er
früher sogar als Prastdentschaftscanbidat in Vorschlag war. Unbefangene
Patrioten fanden, ganz abgesehen von manchen persönlichen Zwecken, die sich


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[0418] Der alte Streit tauchte daher bei verschiedenen Gelegenheiten im Schoße des Congresses von neuem auf, und zwar mit großer und gefährlicher Heftig¬ keit. Namentlich geschah dies in Bezug auf Californien. In diesem Falle schien er sehr drohend zu werden und die glückliche Erledigung desselben wurde nur durch den Umstand herbeigeführt, daß die Bevölkerung Californiens ganz ungewöhnlich rasch angewachsen war, so daß dieses Land sogleich als Staat aufgenommen werden konnte und somit die Entscheidung der Sklavenfrage ihm selbst anheim fiel, — eine Entscheidung, die bekanntlich die Sklaverei aus¬ schloß. Auch beschwichtigte man den Süden durch das, freilich schon in der Verfassungsurkunde selbst begründete Gesetz über die Auslieferung flüchtiger Sklaven. Als nun im Jahr 1854 der Zeitpunkt kam, wo das sogenannte Ne- braskagebie t, — eine sehr ausgedehnte, westlich an die Staaten Missouri und Iowa angrenzende und weithin gegen das Felsengebirg reichende Land- strecke, — als Territorium organisirt werden sollte, kam eine zahlreiche Partei im Congreß auf den Plan, von der Bestimmung des Missouricompromisses abzugehen und statt dessen den Grundsatz aufzustellen, daß von nun an die Bevölkerung selbst nicht blos von der Zeit an, wo das Territorium als Staat aufgenommen worden, sondern auch schon während der Territorial¬ zeit, ganz unabhängig die Frage über Zulassung oder Ausschließung der Skla¬ verei zu entscheiden habe. Daß die Sklavenstaaten diesem Plane günstig waren, erklärt sich leicht. Denn nach dem Missvuricompromiß war in dem Nebraskagebiete (wel¬ ches man in zwei Territorien, nämlich Kansas — das südliche — und Nebraska — das nördliche — theilte) die Sklaverei absolut ausgeschlossen, da die südliche Grenze von Kansas bei weitem nicht bis zu der durch das Missouricompromiß bezeichneten Linie reicht. Der neue Plan gab also den Sklavenhaltern den Vortheil, die Einführung der Sklaverei in Kansas wenigstens möglich zu machen, während sie nach dem Missouricompromiß unmöglich war. Es ist daher begreiflich, daß sie alles aufboten, um dieser neuen Ansicht den Sieg zu verschaffen. Aber auch sehr viele nördliche Amerikaner, sehr viele freisinnige Männer innerhalb und außerhalb des Congresses, und unter ihnen viele entschiedene Gegner der Sklaverei, billigten diese neue Ansicht, und es ist eine bemerkens- werthe Thatsache, daß der Mann, der diese Maßregel (die sogenannte KansaS- Nebraskabill, oder einfach Nebraökabill) ausarbeitete und in Vorschlag brachte Senator Douglas, aus einem freien Staate (Illinois) war und stets für einen ebenso talentvollen als freisinnigen Mann galt, so daß er früher sogar als Prastdentschaftscanbidat in Vorschlag war. Unbefangene Patrioten fanden, ganz abgesehen von manchen persönlichen Zwecken, die sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/418>, abgerufen am 23.07.2024.