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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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der Sklaverei, -- oder, wenn sie etwa schon im Staate besteht, über Ab¬
schaffung oder Beibehaltung derselben zu entscheiden.

Aus diesen Prämissen ergibt sich von selbst, daß von dem Augenblick an,
wo ein neuer Staat als solcher in die Union aufgenommen ist, im Kongresse
keine weitere Verhandlung über die Sklavenfrage in Betreff dieses Staates
stattfinden kann, weil von nun an die Unionsregierung völlig incompetent ist,
sich damit zu besassen. Desto heftiger aber war von jeher der Streit darüber
vor der Verwandlung des Territoriums in einen selbstständigen Staat.
Denn es ist leicht zu begreifen, daß die Art, wie die Sklavenfrage während
der Territorialzeit behandelt wird, in der Regel entscheidenden Einfluß auf die
definitive Lösung derselben durch den Staat selbst hat. Ist die Sklaverei
währenv der Territorialzeit ausgeschlossen, so wandern keine sklavenhaltendcn An¬
siedler ein, und dann ist, bei der Abstimmung über die definitive Verfassung
des Staates, an eine Mehrheit für Einführung der Sklaverei nicht zu denken.
Gestatten hingegen die Territorialgesetze das Sklavenhalter, so kommt alles
darauf an, ob die eingewanderten Anhänger der Sklaverei, oder ihre Gegner,
zur Zeit der Aufnahme des Territoriums unter die Staaten der Union die
Mehrzahl bilden.

Im Jahr 1820 nun, als bei Gelegenheit der Aufnahme des Staates
Missouri ein besonders heftiger Streit über die Sklavenfrage im Congreß ent¬
brannt war, schloß man zuletzt (am b. März 1820) einen Vergleich, das viel¬
besprochene Missouricompro alß, welches allen künftigen Streitigkeiten die¬
ser Art und den daraus entspringenden Gefahren vorbeugen sollte. Der Ver¬
gleich ging im Wesentlichen dahin, daß in Zukunft die Sklaverei nur bis zu
einem gewissen Breitegrade (36' 30") eingeführt werden dürfe, nördlich von
dieser Linie aber unbedingt ausgeschlossen sei.

Allein dieser Vergleich entsprach, nach der Ansicht Vieler, seinem Zwecke
nicht vollständig, theils weil später die Vereinigten Staaten gegen Westen
neue Gebietstheile von großer Ausdehnung erwarben (Texas, Neumerico,
Kalifornien) welche das Missouricompromiß nicht mit inbegriff;') theils weil
dasselbe das Souveränetätsrecht der einzelnen Staaten zu verletzen schien, in¬
sofern es ihnen die selbstständige Entscheidung der Sklavenfrage, die ihnen
verfassungsmäßig zustand, entzog. Uebrigens war dieses Kompromiß kein
Grundgesetz, kein Bestandtheil der Verfassung, sondern ein bloßer Congreß-
beschluß, der nach Umständen auf dieselbe Weise, wie er entstanden war, wie¬
der aufgehoben werden konnte.



*) Dasselbe bezog sich nämlich nur ans das unter dem Namen Louisiana von Frankreich
an die Verewigten Staaten abgetretene Gebiet. Die Ausdehnung des Missouricolnpromisses
auf das neuerworbene Land (die im Jahre -I8!i0 beantragt, aber verworfen wurde) war haupt¬
sächlich darum schwierig, weil die in demselben schon bestehenden mexicanischen Gesetze die
Sklaverei verboten, während sie in Louisiana zur Zeit der Abtretung existirte.
Grenzboten. IV. -I83S. 32

der Sklaverei, — oder, wenn sie etwa schon im Staate besteht, über Ab¬
schaffung oder Beibehaltung derselben zu entscheiden.

Aus diesen Prämissen ergibt sich von selbst, daß von dem Augenblick an,
wo ein neuer Staat als solcher in die Union aufgenommen ist, im Kongresse
keine weitere Verhandlung über die Sklavenfrage in Betreff dieses Staates
stattfinden kann, weil von nun an die Unionsregierung völlig incompetent ist,
sich damit zu besassen. Desto heftiger aber war von jeher der Streit darüber
vor der Verwandlung des Territoriums in einen selbstständigen Staat.
Denn es ist leicht zu begreifen, daß die Art, wie die Sklavenfrage während
der Territorialzeit behandelt wird, in der Regel entscheidenden Einfluß auf die
definitive Lösung derselben durch den Staat selbst hat. Ist die Sklaverei
währenv der Territorialzeit ausgeschlossen, so wandern keine sklavenhaltendcn An¬
siedler ein, und dann ist, bei der Abstimmung über die definitive Verfassung
des Staates, an eine Mehrheit für Einführung der Sklaverei nicht zu denken.
Gestatten hingegen die Territorialgesetze das Sklavenhalter, so kommt alles
darauf an, ob die eingewanderten Anhänger der Sklaverei, oder ihre Gegner,
zur Zeit der Aufnahme des Territoriums unter die Staaten der Union die
Mehrzahl bilden.

Im Jahr 1820 nun, als bei Gelegenheit der Aufnahme des Staates
Missouri ein besonders heftiger Streit über die Sklavenfrage im Congreß ent¬
brannt war, schloß man zuletzt (am b. März 1820) einen Vergleich, das viel¬
besprochene Missouricompro alß, welches allen künftigen Streitigkeiten die¬
ser Art und den daraus entspringenden Gefahren vorbeugen sollte. Der Ver¬
gleich ging im Wesentlichen dahin, daß in Zukunft die Sklaverei nur bis zu
einem gewissen Breitegrade (36' 30") eingeführt werden dürfe, nördlich von
dieser Linie aber unbedingt ausgeschlossen sei.

Allein dieser Vergleich entsprach, nach der Ansicht Vieler, seinem Zwecke
nicht vollständig, theils weil später die Vereinigten Staaten gegen Westen
neue Gebietstheile von großer Ausdehnung erwarben (Texas, Neumerico,
Kalifornien) welche das Missouricompromiß nicht mit inbegriff;') theils weil
dasselbe das Souveränetätsrecht der einzelnen Staaten zu verletzen schien, in¬
sofern es ihnen die selbstständige Entscheidung der Sklavenfrage, die ihnen
verfassungsmäßig zustand, entzog. Uebrigens war dieses Kompromiß kein
Grundgesetz, kein Bestandtheil der Verfassung, sondern ein bloßer Congreß-
beschluß, der nach Umständen auf dieselbe Weise, wie er entstanden war, wie¬
der aufgehoben werden konnte.



*) Dasselbe bezog sich nämlich nur ans das unter dem Namen Louisiana von Frankreich
an die Verewigten Staaten abgetretene Gebiet. Die Ausdehnung des Missouricolnpromisses
auf das neuerworbene Land (die im Jahre -I8!i0 beantragt, aber verworfen wurde) war haupt¬
sächlich darum schwierig, weil die in demselben schon bestehenden mexicanischen Gesetze die
Sklaverei verboten, während sie in Louisiana zur Zeit der Abtretung existirte.
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[0417] der Sklaverei, — oder, wenn sie etwa schon im Staate besteht, über Ab¬ schaffung oder Beibehaltung derselben zu entscheiden. Aus diesen Prämissen ergibt sich von selbst, daß von dem Augenblick an, wo ein neuer Staat als solcher in die Union aufgenommen ist, im Kongresse keine weitere Verhandlung über die Sklavenfrage in Betreff dieses Staates stattfinden kann, weil von nun an die Unionsregierung völlig incompetent ist, sich damit zu besassen. Desto heftiger aber war von jeher der Streit darüber vor der Verwandlung des Territoriums in einen selbstständigen Staat. Denn es ist leicht zu begreifen, daß die Art, wie die Sklavenfrage während der Territorialzeit behandelt wird, in der Regel entscheidenden Einfluß auf die definitive Lösung derselben durch den Staat selbst hat. Ist die Sklaverei währenv der Territorialzeit ausgeschlossen, so wandern keine sklavenhaltendcn An¬ siedler ein, und dann ist, bei der Abstimmung über die definitive Verfassung des Staates, an eine Mehrheit für Einführung der Sklaverei nicht zu denken. Gestatten hingegen die Territorialgesetze das Sklavenhalter, so kommt alles darauf an, ob die eingewanderten Anhänger der Sklaverei, oder ihre Gegner, zur Zeit der Aufnahme des Territoriums unter die Staaten der Union die Mehrzahl bilden. Im Jahr 1820 nun, als bei Gelegenheit der Aufnahme des Staates Missouri ein besonders heftiger Streit über die Sklavenfrage im Congreß ent¬ brannt war, schloß man zuletzt (am b. März 1820) einen Vergleich, das viel¬ besprochene Missouricompro alß, welches allen künftigen Streitigkeiten die¬ ser Art und den daraus entspringenden Gefahren vorbeugen sollte. Der Ver¬ gleich ging im Wesentlichen dahin, daß in Zukunft die Sklaverei nur bis zu einem gewissen Breitegrade (36' 30") eingeführt werden dürfe, nördlich von dieser Linie aber unbedingt ausgeschlossen sei. Allein dieser Vergleich entsprach, nach der Ansicht Vieler, seinem Zwecke nicht vollständig, theils weil später die Vereinigten Staaten gegen Westen neue Gebietstheile von großer Ausdehnung erwarben (Texas, Neumerico, Kalifornien) welche das Missouricompromiß nicht mit inbegriff;') theils weil dasselbe das Souveränetätsrecht der einzelnen Staaten zu verletzen schien, in¬ sofern es ihnen die selbstständige Entscheidung der Sklavenfrage, die ihnen verfassungsmäßig zustand, entzog. Uebrigens war dieses Kompromiß kein Grundgesetz, kein Bestandtheil der Verfassung, sondern ein bloßer Congreß- beschluß, der nach Umständen auf dieselbe Weise, wie er entstanden war, wie¬ der aufgehoben werden konnte. *) Dasselbe bezog sich nämlich nur ans das unter dem Namen Louisiana von Frankreich an die Verewigten Staaten abgetretene Gebiet. Die Ausdehnung des Missouricolnpromisses auf das neuerworbene Land (die im Jahre -I8!i0 beantragt, aber verworfen wurde) war haupt¬ sächlich darum schwierig, weil die in demselben schon bestehenden mexicanischen Gesetze die Sklaverei verboten, während sie in Louisiana zur Zeit der Abtretung existirte. Grenzboten. IV. -I83S. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/417>, abgerufen am 23.07.2024.