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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Staaten stets mit Auflösung der Union, wenn sie jene Rechte gefährdet glauben,
und wer kann leugnen, daß diese Drohung eine juristische Grundlage hat, so
laut auch alle Stimmen der Humanität, des natürlichen Menschenrechts und
des Christenthums gegen jene abscheuliche Anmaßung des Starken gegen den
Schwachen sich auflehnen.

Ein zweiter Grund, warum das Interesse der Sklavenbesitzer sich in der
Regel energischer und daher erfolgreicher geltend machte, als der Widerstand
dagegen, liegt darin, daß sie nicht nur um einen materiellen Besitz, sondern,
ihrer Ansicht nach, recht eigentlich um ihre Eristenz kämpfen, indem sie--mit
Recht oder Unrecht -- der Meinung sind, daß ihre Zucker-,Baumwollen-,Neis-
und Tabaksplantagen nach den klimatischen Verhältnissen des Landes ohne
Sklavenarbeit nicht ferner bestehen könnten. Sie vertheidigen daher die Skla¬
verei mit der äußersten Kraft, Einheit und Entschlossenheit, ja mit einer Leiden¬
schaft, die sich nicht nur bis zu Drohungen, sondern sogar bisweilen zu
den ungebührlichsten Gewaltthätigkeiten (wie im Falle der schändlichen Mi߬
handlung, die der Repräsentant Preston Brooks vor kurzem gegen den Sena¬
tor Summer beging) verirrt. Der nördliche Amerikaner hingegen bekämpft die
Sklaverei zumeist aus einem moralischen^und christlichen Interesse; denn materiell
berührt ihn die Frage nicht wesentlich, oder doch nur sehr in der Ferne. So
stark nun auch dieses Motiv wirkt, so liegt es doch in der menschlichen Natur,
daß ein blos sittliches und religiöses Gefühl nicht immer so entschieden auf¬
tritt, nicht immer so bereit ist, alles auf das Spiel zu setzen, als das Interesse,
welches die materielle Existenz versieht. Daher haben die Amerikaner der
freien Staaten bis jetzt gewöhnlich, wenn der Kampf bis zum Aeußersten ge¬
kommen war, Nachgiebigkeit gezeigt.

Aus dem Vorhergehenden darf man nicht schließen, daß in den Sklaven¬
staaten das Unrecht und die moralische Schändlichkeit der Sklaverei a lig einem
verkannt werde, oder daß alle weißen Bewohner dieser Staaten ihr aus
Interesse zugethan seien. Man wird dies leicht einsehen, wenn man bedenkt,
daß die große Mehrzahl dieser Bewohner keine Sklaven hält, mithin das
Widerwärtige des Sklavenwesens mit ansehen und mit empfinden, auch die
Gefahren desselben theilen muß, ohne irgend einen materiellen Nutzen davon
zu haben. Auch unter den Sklavenhaltern selbst sind nicht wenige, die gar
wohl wissen und fühlen, auch bei meinem Mittheilungen bereitwillig anerkennen,
daß Moral und Religion das Sklavenwesen verdammen, und die sich der
Rolle schämen, welche sie in der Meinung der übrigen christlichen Welt spielen.


in einem Staate mit nach den Gesetzen dieses Staates zu Dienst oder Arbeit verpflichtet ist,
und die in einen andern Staat entflicht, soll in Anwendung irgend eines Gesetzes des letzten,
Staates von solcher Dienstpflicht befreit werden, sondern sie sott ausgeliefert werden auf
Ansuchen dessen, dem sie zu Dienst oder Arbeit verpflichtet ist." S. Art. IV, Sect. 2, No. 3.
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Staaten stets mit Auflösung der Union, wenn sie jene Rechte gefährdet glauben,
und wer kann leugnen, daß diese Drohung eine juristische Grundlage hat, so
laut auch alle Stimmen der Humanität, des natürlichen Menschenrechts und
des Christenthums gegen jene abscheuliche Anmaßung des Starken gegen den
Schwachen sich auflehnen.

Ein zweiter Grund, warum das Interesse der Sklavenbesitzer sich in der
Regel energischer und daher erfolgreicher geltend machte, als der Widerstand
dagegen, liegt darin, daß sie nicht nur um einen materiellen Besitz, sondern,
ihrer Ansicht nach, recht eigentlich um ihre Eristenz kämpfen, indem sie—mit
Recht oder Unrecht — der Meinung sind, daß ihre Zucker-,Baumwollen-,Neis-
und Tabaksplantagen nach den klimatischen Verhältnissen des Landes ohne
Sklavenarbeit nicht ferner bestehen könnten. Sie vertheidigen daher die Skla¬
verei mit der äußersten Kraft, Einheit und Entschlossenheit, ja mit einer Leiden¬
schaft, die sich nicht nur bis zu Drohungen, sondern sogar bisweilen zu
den ungebührlichsten Gewaltthätigkeiten (wie im Falle der schändlichen Mi߬
handlung, die der Repräsentant Preston Brooks vor kurzem gegen den Sena¬
tor Summer beging) verirrt. Der nördliche Amerikaner hingegen bekämpft die
Sklaverei zumeist aus einem moralischen^und christlichen Interesse; denn materiell
berührt ihn die Frage nicht wesentlich, oder doch nur sehr in der Ferne. So
stark nun auch dieses Motiv wirkt, so liegt es doch in der menschlichen Natur,
daß ein blos sittliches und religiöses Gefühl nicht immer so entschieden auf¬
tritt, nicht immer so bereit ist, alles auf das Spiel zu setzen, als das Interesse,
welches die materielle Existenz versieht. Daher haben die Amerikaner der
freien Staaten bis jetzt gewöhnlich, wenn der Kampf bis zum Aeußersten ge¬
kommen war, Nachgiebigkeit gezeigt.

Aus dem Vorhergehenden darf man nicht schließen, daß in den Sklaven¬
staaten das Unrecht und die moralische Schändlichkeit der Sklaverei a lig einem
verkannt werde, oder daß alle weißen Bewohner dieser Staaten ihr aus
Interesse zugethan seien. Man wird dies leicht einsehen, wenn man bedenkt,
daß die große Mehrzahl dieser Bewohner keine Sklaven hält, mithin das
Widerwärtige des Sklavenwesens mit ansehen und mit empfinden, auch die
Gefahren desselben theilen muß, ohne irgend einen materiellen Nutzen davon
zu haben. Auch unter den Sklavenhaltern selbst sind nicht wenige, die gar
wohl wissen und fühlen, auch bei meinem Mittheilungen bereitwillig anerkennen,
daß Moral und Religion das Sklavenwesen verdammen, und die sich der
Rolle schämen, welche sie in der Meinung der übrigen christlichen Welt spielen.


in einem Staate mit nach den Gesetzen dieses Staates zu Dienst oder Arbeit verpflichtet ist,
und die in einen andern Staat entflicht, soll in Anwendung irgend eines Gesetzes des letzten,
Staates von solcher Dienstpflicht befreit werden, sondern sie sott ausgeliefert werden auf
Ansuchen dessen, dem sie zu Dienst oder Arbeit verpflichtet ist." S. Art. IV, Sect. 2, No. 3.
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[0411] Staaten stets mit Auflösung der Union, wenn sie jene Rechte gefährdet glauben, und wer kann leugnen, daß diese Drohung eine juristische Grundlage hat, so laut auch alle Stimmen der Humanität, des natürlichen Menschenrechts und des Christenthums gegen jene abscheuliche Anmaßung des Starken gegen den Schwachen sich auflehnen. Ein zweiter Grund, warum das Interesse der Sklavenbesitzer sich in der Regel energischer und daher erfolgreicher geltend machte, als der Widerstand dagegen, liegt darin, daß sie nicht nur um einen materiellen Besitz, sondern, ihrer Ansicht nach, recht eigentlich um ihre Eristenz kämpfen, indem sie—mit Recht oder Unrecht — der Meinung sind, daß ihre Zucker-,Baumwollen-,Neis- und Tabaksplantagen nach den klimatischen Verhältnissen des Landes ohne Sklavenarbeit nicht ferner bestehen könnten. Sie vertheidigen daher die Skla¬ verei mit der äußersten Kraft, Einheit und Entschlossenheit, ja mit einer Leiden¬ schaft, die sich nicht nur bis zu Drohungen, sondern sogar bisweilen zu den ungebührlichsten Gewaltthätigkeiten (wie im Falle der schändlichen Mi߬ handlung, die der Repräsentant Preston Brooks vor kurzem gegen den Sena¬ tor Summer beging) verirrt. Der nördliche Amerikaner hingegen bekämpft die Sklaverei zumeist aus einem moralischen^und christlichen Interesse; denn materiell berührt ihn die Frage nicht wesentlich, oder doch nur sehr in der Ferne. So stark nun auch dieses Motiv wirkt, so liegt es doch in der menschlichen Natur, daß ein blos sittliches und religiöses Gefühl nicht immer so entschieden auf¬ tritt, nicht immer so bereit ist, alles auf das Spiel zu setzen, als das Interesse, welches die materielle Existenz versieht. Daher haben die Amerikaner der freien Staaten bis jetzt gewöhnlich, wenn der Kampf bis zum Aeußersten ge¬ kommen war, Nachgiebigkeit gezeigt. Aus dem Vorhergehenden darf man nicht schließen, daß in den Sklaven¬ staaten das Unrecht und die moralische Schändlichkeit der Sklaverei a lig einem verkannt werde, oder daß alle weißen Bewohner dieser Staaten ihr aus Interesse zugethan seien. Man wird dies leicht einsehen, wenn man bedenkt, daß die große Mehrzahl dieser Bewohner keine Sklaven hält, mithin das Widerwärtige des Sklavenwesens mit ansehen und mit empfinden, auch die Gefahren desselben theilen muß, ohne irgend einen materiellen Nutzen davon zu haben. Auch unter den Sklavenhaltern selbst sind nicht wenige, die gar wohl wissen und fühlen, auch bei meinem Mittheilungen bereitwillig anerkennen, daß Moral und Religion das Sklavenwesen verdammen, und die sich der Rolle schämen, welche sie in der Meinung der übrigen christlichen Welt spielen. in einem Staate mit nach den Gesetzen dieses Staates zu Dienst oder Arbeit verpflichtet ist, und die in einen andern Staat entflicht, soll in Anwendung irgend eines Gesetzes des letzten, Staates von solcher Dienstpflicht befreit werden, sondern sie sott ausgeliefert werden auf Ansuchen dessen, dem sie zu Dienst oder Arbeit verpflichtet ist." S. Art. IV, Sect. 2, No. 3. 31*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/411>, abgerufen am 23.07.2024.