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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Sie suchen zwar ihr Gewissen einigermaßen durch die Behauptung zu beschwich¬
tigen, daß die schwarze Menschenrace durch die Natur selbst auf eine tiefere
Stufe gestellt und weniger culturfähig sei, als die weiße. Aber die Schwäche
dieses Argumentes ist so groß, daß sie selbst denen, die es geltend machen,
nicht wohl verborgen bleiben kann. Denn gesetzt auch -- aber nicht zugegeben
-- daß jener Unterschied der Culturfähigkeit gegründet wäre, -- (ein Satz,
der erst dann erwiesen sein würde, wenn man der schwarzen Race ohne Erfolg
dieselben Erziehungs- und Bildungsmittel böte wie der weißen, und zwar
mehre Generationen hindurch) -- so würde daraus doch nicht im Entferntesten
die Berechtigung folgen, die minder begabte Race ihrer Menschenrechte
völlig zu berauben und sie als Sache -- als Hausthiere -- zu gebrauchen.

Wenn nun aber dies alles so ist, woher denn der leidenschaftliche Eifer,
womit die Sklavenhalter nicht nur der Aufhebung der Sklaverei sich wider¬
setzen, sondern auch die Ausdehnung derselben auf neue Territorien und Staa¬
ten der Union betreiben? Drei Hauptgründe wirken hier mächtig zusammen.
Der erste ist, wie natürlich, das materielle Interesse, daS theils auf der schon
erwähnten Ansicht beruht, daß die südlichen Plantagen ohne Sklavenarbeit
zu Grunde gehen müßten; theils auf dem Geldwerthe der Sklaven selbst, deren
Kaufpreis, je nach den Eigenschaften des Individuums, gewöhnlich zwischen
600--1200 Dollars schwebt, also bei einer bedeutenden Anzahl Sklaven schon
an sich ein ansehnliches Vermögen bildet, dessen Vernichtung, ohne Entschädigung,
allerdings ein ungeheures Opfer wäre; theils endlich auf der Nothwendigkeit,
sich für den Ueberfluß an Sklaven -- (denn die Fruchtbarkeit derselben ist in
der Regel sehr groß) -- einen guten Markt zu verschaffen, -- eine Rücksicht,
die dem Sklavenhalter besonders die Ausdehnung der Sklaverei aus neue Terri¬
torien wünschenswert!) macht.

Ein zweiter Hauptgrund, der selbst denjenigen Sklavenhalter, dessen Ge¬
wissen nicht ruhig ist, zum Gegner einer allgemeinen Aufhebung der Sklaverei
macht, liegt in den außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich unmittelbar an
die Ausführung knüpfen würden. Was sollte aus diesen drei Millionen
völlig mittelloser und völlig unwissender Menschen werden, wenn sie plötzlich---
oder auch nur. nach und nach -- unabhängig würden? Sollte man sie aus
dem Lande schaffen? Aber wohin? Und welche unerschwingliche Aufgabe würde
dies in pecuniärer Hinsicht für die Eigenthümer sein, die ohnehin so großen
Schaden litten! Und würden sich diese Millionen eine erzwungene Verpflan¬
zung in die Fremde und in doppeltes Elend gutwillig gefallen lassen? -- Oder
sollte man sie im Lande behalten, um künftig als freie Arbeiter -- als bezahlte
Dienstboten und Taglöhner -- die Plantagen zu bauen? Dieser Ausweg liegt
am nächsten. Aber welch ein Proletariat! Drei Millionen ganz eigenthumS-
loser und ganz verwahrloster Menschen unter einer Gesammtbevölkerung von


Sie suchen zwar ihr Gewissen einigermaßen durch die Behauptung zu beschwich¬
tigen, daß die schwarze Menschenrace durch die Natur selbst auf eine tiefere
Stufe gestellt und weniger culturfähig sei, als die weiße. Aber die Schwäche
dieses Argumentes ist so groß, daß sie selbst denen, die es geltend machen,
nicht wohl verborgen bleiben kann. Denn gesetzt auch — aber nicht zugegeben
— daß jener Unterschied der Culturfähigkeit gegründet wäre, — (ein Satz,
der erst dann erwiesen sein würde, wenn man der schwarzen Race ohne Erfolg
dieselben Erziehungs- und Bildungsmittel böte wie der weißen, und zwar
mehre Generationen hindurch) — so würde daraus doch nicht im Entferntesten
die Berechtigung folgen, die minder begabte Race ihrer Menschenrechte
völlig zu berauben und sie als Sache — als Hausthiere — zu gebrauchen.

Wenn nun aber dies alles so ist, woher denn der leidenschaftliche Eifer,
womit die Sklavenhalter nicht nur der Aufhebung der Sklaverei sich wider¬
setzen, sondern auch die Ausdehnung derselben auf neue Territorien und Staa¬
ten der Union betreiben? Drei Hauptgründe wirken hier mächtig zusammen.
Der erste ist, wie natürlich, das materielle Interesse, daS theils auf der schon
erwähnten Ansicht beruht, daß die südlichen Plantagen ohne Sklavenarbeit
zu Grunde gehen müßten; theils auf dem Geldwerthe der Sklaven selbst, deren
Kaufpreis, je nach den Eigenschaften des Individuums, gewöhnlich zwischen
600—1200 Dollars schwebt, also bei einer bedeutenden Anzahl Sklaven schon
an sich ein ansehnliches Vermögen bildet, dessen Vernichtung, ohne Entschädigung,
allerdings ein ungeheures Opfer wäre; theils endlich auf der Nothwendigkeit,
sich für den Ueberfluß an Sklaven — (denn die Fruchtbarkeit derselben ist in
der Regel sehr groß) — einen guten Markt zu verschaffen, — eine Rücksicht,
die dem Sklavenhalter besonders die Ausdehnung der Sklaverei aus neue Terri¬
torien wünschenswert!) macht.

Ein zweiter Hauptgrund, der selbst denjenigen Sklavenhalter, dessen Ge¬
wissen nicht ruhig ist, zum Gegner einer allgemeinen Aufhebung der Sklaverei
macht, liegt in den außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich unmittelbar an
die Ausführung knüpfen würden. Was sollte aus diesen drei Millionen
völlig mittelloser und völlig unwissender Menschen werden, wenn sie plötzlich---
oder auch nur. nach und nach — unabhängig würden? Sollte man sie aus
dem Lande schaffen? Aber wohin? Und welche unerschwingliche Aufgabe würde
dies in pecuniärer Hinsicht für die Eigenthümer sein, die ohnehin so großen
Schaden litten! Und würden sich diese Millionen eine erzwungene Verpflan¬
zung in die Fremde und in doppeltes Elend gutwillig gefallen lassen? — Oder
sollte man sie im Lande behalten, um künftig als freie Arbeiter — als bezahlte
Dienstboten und Taglöhner — die Plantagen zu bauen? Dieser Ausweg liegt
am nächsten. Aber welch ein Proletariat! Drei Millionen ganz eigenthumS-
loser und ganz verwahrloster Menschen unter einer Gesammtbevölkerung von


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[0412] Sie suchen zwar ihr Gewissen einigermaßen durch die Behauptung zu beschwich¬ tigen, daß die schwarze Menschenrace durch die Natur selbst auf eine tiefere Stufe gestellt und weniger culturfähig sei, als die weiße. Aber die Schwäche dieses Argumentes ist so groß, daß sie selbst denen, die es geltend machen, nicht wohl verborgen bleiben kann. Denn gesetzt auch — aber nicht zugegeben — daß jener Unterschied der Culturfähigkeit gegründet wäre, — (ein Satz, der erst dann erwiesen sein würde, wenn man der schwarzen Race ohne Erfolg dieselben Erziehungs- und Bildungsmittel böte wie der weißen, und zwar mehre Generationen hindurch) — so würde daraus doch nicht im Entferntesten die Berechtigung folgen, die minder begabte Race ihrer Menschenrechte völlig zu berauben und sie als Sache — als Hausthiere — zu gebrauchen. Wenn nun aber dies alles so ist, woher denn der leidenschaftliche Eifer, womit die Sklavenhalter nicht nur der Aufhebung der Sklaverei sich wider¬ setzen, sondern auch die Ausdehnung derselben auf neue Territorien und Staa¬ ten der Union betreiben? Drei Hauptgründe wirken hier mächtig zusammen. Der erste ist, wie natürlich, das materielle Interesse, daS theils auf der schon erwähnten Ansicht beruht, daß die südlichen Plantagen ohne Sklavenarbeit zu Grunde gehen müßten; theils auf dem Geldwerthe der Sklaven selbst, deren Kaufpreis, je nach den Eigenschaften des Individuums, gewöhnlich zwischen 600—1200 Dollars schwebt, also bei einer bedeutenden Anzahl Sklaven schon an sich ein ansehnliches Vermögen bildet, dessen Vernichtung, ohne Entschädigung, allerdings ein ungeheures Opfer wäre; theils endlich auf der Nothwendigkeit, sich für den Ueberfluß an Sklaven — (denn die Fruchtbarkeit derselben ist in der Regel sehr groß) — einen guten Markt zu verschaffen, — eine Rücksicht, die dem Sklavenhalter besonders die Ausdehnung der Sklaverei aus neue Terri¬ torien wünschenswert!) macht. Ein zweiter Hauptgrund, der selbst denjenigen Sklavenhalter, dessen Ge¬ wissen nicht ruhig ist, zum Gegner einer allgemeinen Aufhebung der Sklaverei macht, liegt in den außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich unmittelbar an die Ausführung knüpfen würden. Was sollte aus diesen drei Millionen völlig mittelloser und völlig unwissender Menschen werden, wenn sie plötzlich--- oder auch nur. nach und nach — unabhängig würden? Sollte man sie aus dem Lande schaffen? Aber wohin? Und welche unerschwingliche Aufgabe würde dies in pecuniärer Hinsicht für die Eigenthümer sein, die ohnehin so großen Schaden litten! Und würden sich diese Millionen eine erzwungene Verpflan¬ zung in die Fremde und in doppeltes Elend gutwillig gefallen lassen? — Oder sollte man sie im Lande behalten, um künftig als freie Arbeiter — als bezahlte Dienstboten und Taglöhner — die Plantagen zu bauen? Dieser Ausweg liegt am nächsten. Aber welch ein Proletariat! Drei Millionen ganz eigenthumS- loser und ganz verwahrloster Menschen unter einer Gesammtbevölkerung von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/412>, abgerufen am 23.07.2024.