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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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es uns gelingt, durch unparteiische Erläuterungen etwas mehr Licht
über diese in der That hochwichtige und an die höchsten Interessen der Mensch¬
heit heranreichende Angelegenheit zu verbreiten, so glauben wir den^Lesern
dieses Blattes einen Dienst zu leisten.

Als wesentliche Einleitung müssen wir vor allem einige statistische That¬
sachen und sodann einige allgemeine Bemerkungen über die Art, wie das Skla¬
venwesen von den Amerikanern der verschiedenen Parteien beurtheilt wird,
vorausschicken. Die Union besteht dermalen aus fünfzehn Sklavenstaaten (den
südlichen) und sechzehn freien (den nördlichen). Die geographische Ausdehnung
der Sklavenstaaten beträgt 8ö1 ,608 englische Quadratmeilen, die der freien
nur 612,379, also um ein gutes Biertheil weniger. Aber in Betreff der Be¬
völkerung findet ein ganz anderes Verhältniß statt. Die Union mag in
diesem Augenblicke etwa 27 Millionen Einwohner haben, und davon kommt
nur ohngefähr ein Drittheil auf die Sklavenstaaten; die freien Staaten (denen
auch die europäische, zumal die deutsche Auswanderung sich fast ausschließlich
zuwendet), enthalten reichlich zwei Drittheile, -- eine Thatsache, die das bessere
Gedeihen der freien Staaten laut und nachdrücklich verkündet. Das Drittheil
der Sklavenstaaten aber besteht 1) Aus nicht ganz 3S0,000 Sklavenhaltern");
2) aus etwas mehr als drei Millionen Sklaven, und 3) aus etwa sechs
Millionen freier Weißen, die keine Sklaven halten, sei es weil ihre Mittel
dazu nicht hinreichen, sei eS aus Widerwillen gegen das Sklavenlhum.

Wer das ganze Gewicht dieser einfachen Thatsachen fühlt, wird sogleich
fragen, wie es denn möglich sei, daß das Interesse einer so geringen Anzahl
Sklavenhalter eine so große Macht besitzen könne? Wie es zugehe, daß dieses
Interesse seit dem Beginn der Union in den meisten Kämpfen mit seinen Geg¬
nern den Sieg davon getragen, und daß es noch heute die ganze Union in
Verwirrung und Gefahr versetzen könne?

Die Gründe dieser Macht liegen hauptsächlich in zwei Punkten. Der
erste besteht darin, daß die Sklavenhalter bis zu einer gewissen Linie das for¬
male Vertragsrecht für sich haben. Denn als^die dreizehn Staaten, welche
gemeinsam ihre Unabhängigkeit erkämpften, für ewige Zeit in die Union zu¬
sammentraten, geschah eS unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Bund
die Rechte der Sklavenhalter respectiren müsse, und baß mithin auch flüchtige
Sklaven, die auf dem Gebiete eines freien Staates betreten würden, auf
Begehren ihrer Herren auszuliefern seien. ^) Daher drohen auch die Sklaven-




") Die genaue Zahl ist 3i7,ö2ö.
Da man in Dentschland hänfig glaubt, daß das neuere Cvugrcßgesch (von ->8ü") in
Betreff der Auslieferung flüchtiger Sklaven neue Grundsätze im Interesse der Sklaverei auf-
gestellt habe, und daher sehr streng darüber urtheilt, so geben wir hier den betreffenden Para¬
graph der amerikanischen Verfassungsurkunde in wörtlicher Uebersetzung! "Keine Person, welche

es uns gelingt, durch unparteiische Erläuterungen etwas mehr Licht
über diese in der That hochwichtige und an die höchsten Interessen der Mensch¬
heit heranreichende Angelegenheit zu verbreiten, so glauben wir den^Lesern
dieses Blattes einen Dienst zu leisten.

Als wesentliche Einleitung müssen wir vor allem einige statistische That¬
sachen und sodann einige allgemeine Bemerkungen über die Art, wie das Skla¬
venwesen von den Amerikanern der verschiedenen Parteien beurtheilt wird,
vorausschicken. Die Union besteht dermalen aus fünfzehn Sklavenstaaten (den
südlichen) und sechzehn freien (den nördlichen). Die geographische Ausdehnung
der Sklavenstaaten beträgt 8ö1 ,608 englische Quadratmeilen, die der freien
nur 612,379, also um ein gutes Biertheil weniger. Aber in Betreff der Be¬
völkerung findet ein ganz anderes Verhältniß statt. Die Union mag in
diesem Augenblicke etwa 27 Millionen Einwohner haben, und davon kommt
nur ohngefähr ein Drittheil auf die Sklavenstaaten; die freien Staaten (denen
auch die europäische, zumal die deutsche Auswanderung sich fast ausschließlich
zuwendet), enthalten reichlich zwei Drittheile, — eine Thatsache, die das bessere
Gedeihen der freien Staaten laut und nachdrücklich verkündet. Das Drittheil
der Sklavenstaaten aber besteht 1) Aus nicht ganz 3S0,000 Sklavenhaltern");
2) aus etwas mehr als drei Millionen Sklaven, und 3) aus etwa sechs
Millionen freier Weißen, die keine Sklaven halten, sei es weil ihre Mittel
dazu nicht hinreichen, sei eS aus Widerwillen gegen das Sklavenlhum.

Wer das ganze Gewicht dieser einfachen Thatsachen fühlt, wird sogleich
fragen, wie es denn möglich sei, daß das Interesse einer so geringen Anzahl
Sklavenhalter eine so große Macht besitzen könne? Wie es zugehe, daß dieses
Interesse seit dem Beginn der Union in den meisten Kämpfen mit seinen Geg¬
nern den Sieg davon getragen, und daß es noch heute die ganze Union in
Verwirrung und Gefahr versetzen könne?

Die Gründe dieser Macht liegen hauptsächlich in zwei Punkten. Der
erste besteht darin, daß die Sklavenhalter bis zu einer gewissen Linie das for¬
male Vertragsrecht für sich haben. Denn als^die dreizehn Staaten, welche
gemeinsam ihre Unabhängigkeit erkämpften, für ewige Zeit in die Union zu¬
sammentraten, geschah eS unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Bund
die Rechte der Sklavenhalter respectiren müsse, und baß mithin auch flüchtige
Sklaven, die auf dem Gebiete eines freien Staates betreten würden, auf
Begehren ihrer Herren auszuliefern seien. ^) Daher drohen auch die Sklaven-




") Die genaue Zahl ist 3i7,ö2ö.
Da man in Dentschland hänfig glaubt, daß das neuere Cvugrcßgesch (von ->8ü») in
Betreff der Auslieferung flüchtiger Sklaven neue Grundsätze im Interesse der Sklaverei auf-
gestellt habe, und daher sehr streng darüber urtheilt, so geben wir hier den betreffenden Para¬
graph der amerikanischen Verfassungsurkunde in wörtlicher Uebersetzung! „Keine Person, welche
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[0410] es uns gelingt, durch unparteiische Erläuterungen etwas mehr Licht über diese in der That hochwichtige und an die höchsten Interessen der Mensch¬ heit heranreichende Angelegenheit zu verbreiten, so glauben wir den^Lesern dieses Blattes einen Dienst zu leisten. Als wesentliche Einleitung müssen wir vor allem einige statistische That¬ sachen und sodann einige allgemeine Bemerkungen über die Art, wie das Skla¬ venwesen von den Amerikanern der verschiedenen Parteien beurtheilt wird, vorausschicken. Die Union besteht dermalen aus fünfzehn Sklavenstaaten (den südlichen) und sechzehn freien (den nördlichen). Die geographische Ausdehnung der Sklavenstaaten beträgt 8ö1 ,608 englische Quadratmeilen, die der freien nur 612,379, also um ein gutes Biertheil weniger. Aber in Betreff der Be¬ völkerung findet ein ganz anderes Verhältniß statt. Die Union mag in diesem Augenblicke etwa 27 Millionen Einwohner haben, und davon kommt nur ohngefähr ein Drittheil auf die Sklavenstaaten; die freien Staaten (denen auch die europäische, zumal die deutsche Auswanderung sich fast ausschließlich zuwendet), enthalten reichlich zwei Drittheile, — eine Thatsache, die das bessere Gedeihen der freien Staaten laut und nachdrücklich verkündet. Das Drittheil der Sklavenstaaten aber besteht 1) Aus nicht ganz 3S0,000 Sklavenhaltern"); 2) aus etwas mehr als drei Millionen Sklaven, und 3) aus etwa sechs Millionen freier Weißen, die keine Sklaven halten, sei es weil ihre Mittel dazu nicht hinreichen, sei eS aus Widerwillen gegen das Sklavenlhum. Wer das ganze Gewicht dieser einfachen Thatsachen fühlt, wird sogleich fragen, wie es denn möglich sei, daß das Interesse einer so geringen Anzahl Sklavenhalter eine so große Macht besitzen könne? Wie es zugehe, daß dieses Interesse seit dem Beginn der Union in den meisten Kämpfen mit seinen Geg¬ nern den Sieg davon getragen, und daß es noch heute die ganze Union in Verwirrung und Gefahr versetzen könne? Die Gründe dieser Macht liegen hauptsächlich in zwei Punkten. Der erste besteht darin, daß die Sklavenhalter bis zu einer gewissen Linie das for¬ male Vertragsrecht für sich haben. Denn als^die dreizehn Staaten, welche gemeinsam ihre Unabhängigkeit erkämpften, für ewige Zeit in die Union zu¬ sammentraten, geschah eS unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Bund die Rechte der Sklavenhalter respectiren müsse, und baß mithin auch flüchtige Sklaven, die auf dem Gebiete eines freien Staates betreten würden, auf Begehren ihrer Herren auszuliefern seien. ^) Daher drohen auch die Sklaven- ") Die genaue Zahl ist 3i7,ö2ö. Da man in Dentschland hänfig glaubt, daß das neuere Cvugrcßgesch (von ->8ü») in Betreff der Auslieferung flüchtiger Sklaven neue Grundsätze im Interesse der Sklaverei auf- gestellt habe, und daher sehr streng darüber urtheilt, so geben wir hier den betreffenden Para¬ graph der amerikanischen Verfassungsurkunde in wörtlicher Uebersetzung! „Keine Person, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/410>, abgerufen am 23.07.2024.