Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.Ein zweirädriger, buntbemalter Wagen mit Gemüsen aus der Villa Poniatowski Endlich knarren die Riegel des Cafe Greco. Nafaelo kommt in Pantoffeln Wer Leonardo da Vincis Beispiel empfehlenswert!) glaubt, benutzt auch Eine Menge Kompositionen hat die gehobene Stimmung der letzten Ein zweirädriger, buntbemalter Wagen mit Gemüsen aus der Villa Poniatowski Endlich knarren die Riegel des Cafe Greco. Nafaelo kommt in Pantoffeln Wer Leonardo da Vincis Beispiel empfehlenswert!) glaubt, benutzt auch Eine Menge Kompositionen hat die gehobene Stimmung der letzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102969"/> <p xml:id="ID_1236" prev="#ID_1235"> Ein zweirädriger, buntbemalter Wagen mit Gemüsen aus der Villa Poniatowski<lb/> rollt, von einem geschmückten Pferde gezogen, leicht dahin; das daneben ga-<lb/> loppirende Sattelpferd, durch einen Seitenstrang zum Mitziehen verpflichtet,<lb/> trägt den blaugekleideten Pachter des Gutes, einen bärtigen Mann mit hohen<lb/> Ledergamaschen, zuckerhutartigem Filze, langem Eisenstock und prangenden<lb/> Leibgürtel. Wer sich sonst noch erblicken läßt, verbirgt in dieser frühen Stunde<lb/> sein Gesicht im Mantel, um den Katarrhen zu entgehen, welche von italischer<lb/> und namentlich römischer Morgenluft unzertrennlich sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1237"> Endlich knarren die Riegel des Cafe Greco. Nafaelo kommt in Pantoffeln<lb/> und mit verschlafnen Augen zum Vorschein; der Qualm vom Abend vorher<lb/> sucht ins Freie zu dringen, und während die Laden geöffnet, der Schmuz und<lb/> die Cigarrenenden hinausgekehrt und die Kaffeekannen vom Herd gehoben wer¬<lb/> den, nisten die fleißigsten oder doch frühestwachen Bewohner deS Künstlervier¬<lb/> tels sich in dem kegelbahnähnlichen Hinterbau deS engen Raumes ein, um<lb/> eine Tazza mit Umbra oder eine Mezza dolce hinabzuschlürfen. Man ist noch<lb/> wenig gesprächig, zahlt ohne viel zu fragen, schaut höchstens in ein abgegriffe¬<lb/> nes Eremplar der allgemeinen Augsburgerin, mustert vielleicht aus Neugier<lb/> den Inhalt des grünen Briefkastens, woraus jeder nimmt, was ihm recht<lb/> dünkt, und trollt dann ins Freie oder ins Atelier.</p><lb/> <p xml:id="ID_1238"> Wer Leonardo da Vincis Beispiel empfehlenswert!) glaubt, benutzt auch<lb/> wol die Zwanglosigkeit der Morgenstunden, um von den vielen malerischen<lb/> Gestalten, die ihm begegnen, die am meisten charakteristischen für sein Skiz^en-<lb/> buch einzufangen, wobei er die Bewegung zu übertreiben sucht, um sich ihrer<lb/> um so gewisser zu versichern, die Gesichter- dagegen ohne Züge, die Hände<lb/> ohne einzelne Finger läßt. Von der ersten Finocchiverkäuferin, die er solcher<lb/> Art ausdeutet, wird ihm sofort die querstreifige Schürze für fünf Paoli angebo¬<lb/> ten, und da er früher oder später doch zu Cvstumeankäusen schreiten muß,<lb/> sichert er sich dieses Prachtstück nach kurzem Handel. Ist unser junger Teutone<lb/> der glückliche Käufer, wie wir fast vermuthen, so trägt er das römische Ori¬<lb/> ginalkleidungsstück unterm Arm seine fünf Treppen hinauf, wobei ihn wiederum<lb/> die wunderbarsten Schauer über die Classicität des Bodens, welche diese Men¬<lb/> schen und diese Schürze hervorbrachten, durchrieseln. Es tritt ihm der Gedanke:<lb/> Du bist in Rom, noch einmal ganz nahe, und er beschließt, dem Dankgefühl<lb/> über das Glück dieser bevorzugten Existenz dadurch zu genügen, daß er, ehe<lb/> er Rom zu genießen beginnt, mit allem Eiser arbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1239" next="#ID_1240"> Eine Menge Kompositionen hat die gehobene Stimmung der letzten<lb/> Wochen in seiner geistigen Vorrathskammer aufgespeichert, andere sind im Ent¬<lb/> wurf fertig; er prüft, vergleicht, verwirft und findet zuletzt alle deutschen Ge¬<lb/> dankenwurzeln für die Scholle, die ihn jetzt trägt, ungeeignet; seiner gegen¬<lb/> wärtigen Gemüthsverfassung möchte er zum Ausdruck verhelfen und da bleibt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
Ein zweirädriger, buntbemalter Wagen mit Gemüsen aus der Villa Poniatowski
rollt, von einem geschmückten Pferde gezogen, leicht dahin; das daneben ga-
loppirende Sattelpferd, durch einen Seitenstrang zum Mitziehen verpflichtet,
trägt den blaugekleideten Pachter des Gutes, einen bärtigen Mann mit hohen
Ledergamaschen, zuckerhutartigem Filze, langem Eisenstock und prangenden
Leibgürtel. Wer sich sonst noch erblicken läßt, verbirgt in dieser frühen Stunde
sein Gesicht im Mantel, um den Katarrhen zu entgehen, welche von italischer
und namentlich römischer Morgenluft unzertrennlich sind.
Endlich knarren die Riegel des Cafe Greco. Nafaelo kommt in Pantoffeln
und mit verschlafnen Augen zum Vorschein; der Qualm vom Abend vorher
sucht ins Freie zu dringen, und während die Laden geöffnet, der Schmuz und
die Cigarrenenden hinausgekehrt und die Kaffeekannen vom Herd gehoben wer¬
den, nisten die fleißigsten oder doch frühestwachen Bewohner deS Künstlervier¬
tels sich in dem kegelbahnähnlichen Hinterbau deS engen Raumes ein, um
eine Tazza mit Umbra oder eine Mezza dolce hinabzuschlürfen. Man ist noch
wenig gesprächig, zahlt ohne viel zu fragen, schaut höchstens in ein abgegriffe¬
nes Eremplar der allgemeinen Augsburgerin, mustert vielleicht aus Neugier
den Inhalt des grünen Briefkastens, woraus jeder nimmt, was ihm recht
dünkt, und trollt dann ins Freie oder ins Atelier.
Wer Leonardo da Vincis Beispiel empfehlenswert!) glaubt, benutzt auch
wol die Zwanglosigkeit der Morgenstunden, um von den vielen malerischen
Gestalten, die ihm begegnen, die am meisten charakteristischen für sein Skiz^en-
buch einzufangen, wobei er die Bewegung zu übertreiben sucht, um sich ihrer
um so gewisser zu versichern, die Gesichter- dagegen ohne Züge, die Hände
ohne einzelne Finger läßt. Von der ersten Finocchiverkäuferin, die er solcher
Art ausdeutet, wird ihm sofort die querstreifige Schürze für fünf Paoli angebo¬
ten, und da er früher oder später doch zu Cvstumeankäusen schreiten muß,
sichert er sich dieses Prachtstück nach kurzem Handel. Ist unser junger Teutone
der glückliche Käufer, wie wir fast vermuthen, so trägt er das römische Ori¬
ginalkleidungsstück unterm Arm seine fünf Treppen hinauf, wobei ihn wiederum
die wunderbarsten Schauer über die Classicität des Bodens, welche diese Men¬
schen und diese Schürze hervorbrachten, durchrieseln. Es tritt ihm der Gedanke:
Du bist in Rom, noch einmal ganz nahe, und er beschließt, dem Dankgefühl
über das Glück dieser bevorzugten Existenz dadurch zu genügen, daß er, ehe
er Rom zu genießen beginnt, mit allem Eiser arbeitet.
Eine Menge Kompositionen hat die gehobene Stimmung der letzten
Wochen in seiner geistigen Vorrathskammer aufgespeichert, andere sind im Ent¬
wurf fertig; er prüft, vergleicht, verwirft und findet zuletzt alle deutschen Ge¬
dankenwurzeln für die Scholle, die ihn jetzt trägt, ungeeignet; seiner gegen¬
wärtigen Gemüthsverfassung möchte er zum Ausdruck verhelfen und da bleibt
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