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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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hellen Tage -- das waren die Vorläufer des neuen Ministeriums. Der
König hatte mit Vergnügen eingewilligt, Waffen und Gratisüberfahrt nach
Genua allen Unzufriedenen zu bewilligen, die sich für die italienische Freiheit
anderwärts als im Toledo und vor dem Palazzo reale zu interessiren wünschten.
Jetzt mußte er seinem Zugeständnis den zweideutigen Charakter nehmen, indem
er in wirkliche Truppensendungen gegen Oestreich willigte. Dieser Concession
die Spitze abzubrechen, darauf liefen bis zu der im Mai zu erwartenden
Kammereröffnung alle Bemühungen der Hofpolitik hinaus.

Einstweilen gingen am 30. März die ersten 120 Freiwilligen, mit drei¬
farbigen Piuskreuzen geschmückt, durch Dampfboot gen Norden. Die durch ihre
Schriften bekannte Principessa Belgiojoso von Mailand zahlte die Kosten der
Ueberfahrt, und begleitete selbst dies Unternehmen. Eine Menge Edelleute
waren in ihr Freicorps getreten. Mit dem Lombards ging ein zweites Fähn¬
lein in See. Drei andere Abtheilungen führten die Capitäne Rossaroll,
Metarazzo und Vaccaro an. Das Theater Se. Carlo opferte die Einnahme
eines Abends, 863 Ducati, der Ausrüstung weiterer Hilfstruppen und der
König steuerte 1000 Ducati bei. Endlich konnte man.die Absendung einiger
Mannschaft Linienmilitär nicht länger aufschieben. Am 6. April schifften sich
900 Mann nach Genua ein.

Mit weiteren Sendungen hielt man unter dem Vorwand inne, der Papst
habe noch nicht bestimmt, ob der Durchzug durch seine Staaten ihm genehm
sei. Mittlerweile hatten sich wieder 800 Freiwillige zusammengefunden; sie
wurden zur See fortgeschafft und ihnen ein Bataillon Linie mitgegeben. Da der
behagliche Wunsch laut wurde, Trieft möge durch die unbeschäftigte Marine blockirt
werden, beschloß die Regierung endlich, 4200 Mann mit fünf Dampffregatten,
zwei Segelfregatten und einer Corvette ins adriatische Meer zu senden; die
Mannschaft, hieß es, werde Ancona besetzen. Weitere 3400 Mann mit zwei
Batterien und drei Regimentern Cavalerie bekamen die Weisung zu Lande
vorzurücken. General Pepe sollte das Commando übernehmen. Die See¬
erpedition ging, nach einigen Straß cndemonstrationen, am 27, April ab.
Admiral de Cosa führte sie. Am s. Mai folgte General Pepe mit dem Dampfer
Stromboli. Der Admiral hatte, wie sich später herausstellte, den Befehl, in
Pescaro weitere Vorschriften abzuwarten, und so behielt die Regierung für
mögliche Nothfälle diese Truppen in erreichbarer Nähe, während man sie in
Neapel schon im Handgemenge mit Kroaten und Grenzern wähnte. Gegen
den Durchzug der Landtruppen erklärte sich, wie zu erwarten war, der heilige
Vater, so gern er auch die drei Regimenter neapolitanischer Cavalerie gesehen
hätte. Die Absendung unterblieb.

Während dessen hatte der Finanzminister die wachsenden Ausgaben durch
eine Anleihe zu decken unternommen; zwei Millionen Ducati wurden auf


hellen Tage — das waren die Vorläufer des neuen Ministeriums. Der
König hatte mit Vergnügen eingewilligt, Waffen und Gratisüberfahrt nach
Genua allen Unzufriedenen zu bewilligen, die sich für die italienische Freiheit
anderwärts als im Toledo und vor dem Palazzo reale zu interessiren wünschten.
Jetzt mußte er seinem Zugeständnis den zweideutigen Charakter nehmen, indem
er in wirkliche Truppensendungen gegen Oestreich willigte. Dieser Concession
die Spitze abzubrechen, darauf liefen bis zu der im Mai zu erwartenden
Kammereröffnung alle Bemühungen der Hofpolitik hinaus.

Einstweilen gingen am 30. März die ersten 120 Freiwilligen, mit drei¬
farbigen Piuskreuzen geschmückt, durch Dampfboot gen Norden. Die durch ihre
Schriften bekannte Principessa Belgiojoso von Mailand zahlte die Kosten der
Ueberfahrt, und begleitete selbst dies Unternehmen. Eine Menge Edelleute
waren in ihr Freicorps getreten. Mit dem Lombards ging ein zweites Fähn¬
lein in See. Drei andere Abtheilungen führten die Capitäne Rossaroll,
Metarazzo und Vaccaro an. Das Theater Se. Carlo opferte die Einnahme
eines Abends, 863 Ducati, der Ausrüstung weiterer Hilfstruppen und der
König steuerte 1000 Ducati bei. Endlich konnte man.die Absendung einiger
Mannschaft Linienmilitär nicht länger aufschieben. Am 6. April schifften sich
900 Mann nach Genua ein.

Mit weiteren Sendungen hielt man unter dem Vorwand inne, der Papst
habe noch nicht bestimmt, ob der Durchzug durch seine Staaten ihm genehm
sei. Mittlerweile hatten sich wieder 800 Freiwillige zusammengefunden; sie
wurden zur See fortgeschafft und ihnen ein Bataillon Linie mitgegeben. Da der
behagliche Wunsch laut wurde, Trieft möge durch die unbeschäftigte Marine blockirt
werden, beschloß die Regierung endlich, 4200 Mann mit fünf Dampffregatten,
zwei Segelfregatten und einer Corvette ins adriatische Meer zu senden; die
Mannschaft, hieß es, werde Ancona besetzen. Weitere 3400 Mann mit zwei
Batterien und drei Regimentern Cavalerie bekamen die Weisung zu Lande
vorzurücken. General Pepe sollte das Commando übernehmen. Die See¬
erpedition ging, nach einigen Straß cndemonstrationen, am 27, April ab.
Admiral de Cosa führte sie. Am s. Mai folgte General Pepe mit dem Dampfer
Stromboli. Der Admiral hatte, wie sich später herausstellte, den Befehl, in
Pescaro weitere Vorschriften abzuwarten, und so behielt die Regierung für
mögliche Nothfälle diese Truppen in erreichbarer Nähe, während man sie in
Neapel schon im Handgemenge mit Kroaten und Grenzern wähnte. Gegen
den Durchzug der Landtruppen erklärte sich, wie zu erwarten war, der heilige
Vater, so gern er auch die drei Regimenter neapolitanischer Cavalerie gesehen
hätte. Die Absendung unterblieb.

Während dessen hatte der Finanzminister die wachsenden Ausgaben durch
eine Anleihe zu decken unternommen; zwei Millionen Ducati wurden auf


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[0294] hellen Tage — das waren die Vorläufer des neuen Ministeriums. Der König hatte mit Vergnügen eingewilligt, Waffen und Gratisüberfahrt nach Genua allen Unzufriedenen zu bewilligen, die sich für die italienische Freiheit anderwärts als im Toledo und vor dem Palazzo reale zu interessiren wünschten. Jetzt mußte er seinem Zugeständnis den zweideutigen Charakter nehmen, indem er in wirkliche Truppensendungen gegen Oestreich willigte. Dieser Concession die Spitze abzubrechen, darauf liefen bis zu der im Mai zu erwartenden Kammereröffnung alle Bemühungen der Hofpolitik hinaus. Einstweilen gingen am 30. März die ersten 120 Freiwilligen, mit drei¬ farbigen Piuskreuzen geschmückt, durch Dampfboot gen Norden. Die durch ihre Schriften bekannte Principessa Belgiojoso von Mailand zahlte die Kosten der Ueberfahrt, und begleitete selbst dies Unternehmen. Eine Menge Edelleute waren in ihr Freicorps getreten. Mit dem Lombards ging ein zweites Fähn¬ lein in See. Drei andere Abtheilungen führten die Capitäne Rossaroll, Metarazzo und Vaccaro an. Das Theater Se. Carlo opferte die Einnahme eines Abends, 863 Ducati, der Ausrüstung weiterer Hilfstruppen und der König steuerte 1000 Ducati bei. Endlich konnte man.die Absendung einiger Mannschaft Linienmilitär nicht länger aufschieben. Am 6. April schifften sich 900 Mann nach Genua ein. Mit weiteren Sendungen hielt man unter dem Vorwand inne, der Papst habe noch nicht bestimmt, ob der Durchzug durch seine Staaten ihm genehm sei. Mittlerweile hatten sich wieder 800 Freiwillige zusammengefunden; sie wurden zur See fortgeschafft und ihnen ein Bataillon Linie mitgegeben. Da der behagliche Wunsch laut wurde, Trieft möge durch die unbeschäftigte Marine blockirt werden, beschloß die Regierung endlich, 4200 Mann mit fünf Dampffregatten, zwei Segelfregatten und einer Corvette ins adriatische Meer zu senden; die Mannschaft, hieß es, werde Ancona besetzen. Weitere 3400 Mann mit zwei Batterien und drei Regimentern Cavalerie bekamen die Weisung zu Lande vorzurücken. General Pepe sollte das Commando übernehmen. Die See¬ erpedition ging, nach einigen Straß cndemonstrationen, am 27, April ab. Admiral de Cosa führte sie. Am s. Mai folgte General Pepe mit dem Dampfer Stromboli. Der Admiral hatte, wie sich später herausstellte, den Befehl, in Pescaro weitere Vorschriften abzuwarten, und so behielt die Regierung für mögliche Nothfälle diese Truppen in erreichbarer Nähe, während man sie in Neapel schon im Handgemenge mit Kroaten und Grenzern wähnte. Gegen den Durchzug der Landtruppen erklärte sich, wie zu erwarten war, der heilige Vater, so gern er auch die drei Regimenter neapolitanischer Cavalerie gesehen hätte. Die Absendung unterblieb. Während dessen hatte der Finanzminister die wachsenden Ausgaben durch eine Anleihe zu decken unternommen; zwei Millionen Ducati wurden auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/294>, abgerufen am 01.07.2024.