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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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dahin, daß die Willkür eines Einzigen in diejenige Vieler umgewandelt wurde
-- da? waren die Dämpfer, mit denen die schrillen Saiten zur Ruhe gebracht
werden sollten.

Jetzt aber hatte man in Palermo die Schwäche des Gegners durchschaut.
"Die Constitution von 1812 -- nicht mehr und nicht minder," so lautete die
kalte Antwort auf diese verspäteten Concessionen.

Die neuen Ordres an General Desauget in Palermo wiesen ihn an:
1) das Geld aus der Bank zu nehmen. 2) Räumung des königlichen Palastes.
3) Blockade Palermos. Vermehrung der Garnison des Castells, Abfüh¬
rung der übrigen Truppen auf Land- oder Wasserwegen nach Sicilien.
5) Verstärkung Trapanis.

Nach kurzer Waffenruhe begann der Kampf von neuem. Die Kaserne
del Noviziato fiel dem Volk in die Hände, von dort aus wurde Der Palast
und die 2 Bastionen mit zwei Feldstücken beschossen. Am 2ü. Januar vertrie¬
ben die Palermitaner die Soldaten aus dem bürgerlichen Hospital, wobei dieses
in Brand geriet!) und viele Kranke umkamen. Als bald darauf auch das
Kloster Se. Elisabetta erobert wurde, räumte der Statthalter deu königlichen
Palast und zog mit den dahin geflüchteten Beamten und deren Familien nach
l'Olivuzza. Auf dem Wege dahin wartete ihrer ein nächtlicher Ueberfall, wel¬
cher vielen das Leben kostete. Die übrigen gingen mit dem Statthalter nach
Neapel.

General Desauget, dessen Stärke durch das Zusammenziehen der zerstreu¬
ten Besatzungen auf 9000 Mann gestiegen war, desarmirte nun das Castell
del Molo und die Batterie della Laterua und führte dann seine Mannschaft
nach Solanto, um sie dort nach Messinci einzuschiffen. Der Gefahr, über
Minen den Weg zu nehmen, entging sie durch die Leitung eines Mannes,
der sich in nächtlicher Stunde ins Lager geschlichen hatte, um dem General
die gelegten Hinterhalte zu verrathen. Es war, wie sich nachher auswies, der
Schar fr i es l e r P a lcrmoö.

Trotz dieser Führung kostete der beschwerliche Gebirgsweg beträchtliche
Verluste;' 800 Zugthiere und Pferde erlagen in den wenigen 58 Stunden,
und in dem Bergneste Villabato, wo man vom Thurme mit Kanonen auf die
Soldaten schoß, gab es von beiden Seiten ein Blutbad, das die Leidenschaf¬
ten in ihrer wildesten Entfesselung zum Vorschein kommen ließ.

Am 30--31. Januar Nachts ging die Einschiffung der Mannschaft in
Solauto von Statten. Aber eine Contreordre hieß sie vorläufig nicht nach
Messina gehen.

Nach Abzug der Garnison des Palastes von Palermo war der Palast
dem Volke in die Hände gefallen; er wurde geplündert. Die Bnnkbesatzung
streckte die Waffen. Endlich capitulirte auch der Commandant des Castells


dahin, daß die Willkür eines Einzigen in diejenige Vieler umgewandelt wurde
— da? waren die Dämpfer, mit denen die schrillen Saiten zur Ruhe gebracht
werden sollten.

Jetzt aber hatte man in Palermo die Schwäche des Gegners durchschaut.
„Die Constitution von 1812 — nicht mehr und nicht minder," so lautete die
kalte Antwort auf diese verspäteten Concessionen.

Die neuen Ordres an General Desauget in Palermo wiesen ihn an:
1) das Geld aus der Bank zu nehmen. 2) Räumung des königlichen Palastes.
3) Blockade Palermos. Vermehrung der Garnison des Castells, Abfüh¬
rung der übrigen Truppen auf Land- oder Wasserwegen nach Sicilien.
5) Verstärkung Trapanis.

Nach kurzer Waffenruhe begann der Kampf von neuem. Die Kaserne
del Noviziato fiel dem Volk in die Hände, von dort aus wurde Der Palast
und die 2 Bastionen mit zwei Feldstücken beschossen. Am 2ü. Januar vertrie¬
ben die Palermitaner die Soldaten aus dem bürgerlichen Hospital, wobei dieses
in Brand geriet!) und viele Kranke umkamen. Als bald darauf auch das
Kloster Se. Elisabetta erobert wurde, räumte der Statthalter deu königlichen
Palast und zog mit den dahin geflüchteten Beamten und deren Familien nach
l'Olivuzza. Auf dem Wege dahin wartete ihrer ein nächtlicher Ueberfall, wel¬
cher vielen das Leben kostete. Die übrigen gingen mit dem Statthalter nach
Neapel.

General Desauget, dessen Stärke durch das Zusammenziehen der zerstreu¬
ten Besatzungen auf 9000 Mann gestiegen war, desarmirte nun das Castell
del Molo und die Batterie della Laterua und führte dann seine Mannschaft
nach Solanto, um sie dort nach Messinci einzuschiffen. Der Gefahr, über
Minen den Weg zu nehmen, entging sie durch die Leitung eines Mannes,
der sich in nächtlicher Stunde ins Lager geschlichen hatte, um dem General
die gelegten Hinterhalte zu verrathen. Es war, wie sich nachher auswies, der
Schar fr i es l e r P a lcrmoö.

Trotz dieser Führung kostete der beschwerliche Gebirgsweg beträchtliche
Verluste;' 800 Zugthiere und Pferde erlagen in den wenigen 58 Stunden,
und in dem Bergneste Villabato, wo man vom Thurme mit Kanonen auf die
Soldaten schoß, gab es von beiden Seiten ein Blutbad, das die Leidenschaf¬
ten in ihrer wildesten Entfesselung zum Vorschein kommen ließ.

Am 30—31. Januar Nachts ging die Einschiffung der Mannschaft in
Solauto von Statten. Aber eine Contreordre hieß sie vorläufig nicht nach
Messina gehen.

Nach Abzug der Garnison des Palastes von Palermo war der Palast
dem Volke in die Hände gefallen; er wurde geplündert. Die Bnnkbesatzung
streckte die Waffen. Endlich capitulirte auch der Commandant des Castells


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/284>, abgerufen am 23.07.2024.