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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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am Meere durch Vermittelung deS Commodore Lushington und erhielt die
Bewilligung ehrenvollen Abzugs. Palermo war frei. --

Weniger günstig stand es für die revolutionäre Sache in Syrakus und
Messina. Die erstere Stadt kam kaum bei den Plänen der Insurgenten in
Betracht. Eine Bevölkerung, die von 1,200,000 Seelen seit dem Verfall der
Stadt auf wenig über 10,000 Seelen gesunken war, konnte für eine Volkser¬
hebung nicht von großem Belang sein. Die Zeit der Tyrannen Von Syra-
cusae im alten Sinne war nicht mehr, und hatte die damalige Besatzung von
100,000 Mann Fußvolk und 1 0,000 Reitern, bei 500 Kriegsschiffen, auch
einer im Vergleiche armseligen Handvoll Soldaten Play gemacht, so war es
dieser doch leicht, von der günstig gelegenen Citadelle aus jeden Angriff abzu¬
schlagen. Dahin also hatte der Brigadier Palma sich zurückgezogen. Wäh¬
rend dessen bildete sich auch in Syrakus eine provisorische Regierung, die mit
Palermo in Verbindung trat.

Messinas Erhebung war Von größerer Tragweite. Eine in neuem Auf¬
blühen begriffene Stadt mit nahe an 50,000 Einwohnern interesstrt, im Ver¬
gleich zu der Greisenhaftigkeit einer Ruinenstadt, schon durch den Geist und
die Stimmung seiner Bevölkerung. Die unmittelbare Nachbarschaft Neggios
und des unruhigen Calabriens überhaupt war ohnehin geeignet, jedem er¬
folgreichen Ausbruch in Messina einen für das Festland ansteckenden Charakter
zu geben.

Nachdem Palermo die Fahne des Aufruhrs mit gutem Glück aufgepflanzt
hatte, versuchte Messina eine zweite Erhebung. Die königlichen Truppen wurden
aus der zwischen hohen Bergen am Meere gelegenen Stadt verdrängt und
zogen sich in die Fortezza zurück, von wo 300 Kanonenschlünde drohend auf
die freundliche Stadt herunterblickten. Mit Hilfe palermitanischer Artillerie
gelang es dem bewaffneten Theil des Volks, den festen Punkt Nealalto zu
nehmen, und 98 Soldaten, vier Offiziere und vier Artilleristen sielen in die
Gefangenschaft der Eroberer. Als später indessen die Dampfer Sannita und
Ferdinand II. unter des Brigaviers Pronio Leitung Verstärkung aus Neapel
brachten, wurde Nealalto wieder von den Königlichen genommen und die
Stadt von Zeit zu Zeit durch glimpfliches Bombardiren an die Anwesenheit
königlicher Autorität erinnert.

Da diese Autorität, von dieser Zeit an, sich fast noch ein Jahr lang
<Mf die wenigen Citadellen Siciliens beschränken mußte, so können wir
Neapels weiteres Verhalten wieder in den Vordergrund treten lassen;
dasselbe war für den Erfolg der sicilianischen Bewegung von entscheidendster
Wichtigkeit.

Wenn man die strategische Lage Neapels sich vergegenwärtigt, wie eS
Von dem hoch thronenden Castell Se. Elmo nach allen Richtungen hin beherrscht


am Meere durch Vermittelung deS Commodore Lushington und erhielt die
Bewilligung ehrenvollen Abzugs. Palermo war frei. —

Weniger günstig stand es für die revolutionäre Sache in Syrakus und
Messina. Die erstere Stadt kam kaum bei den Plänen der Insurgenten in
Betracht. Eine Bevölkerung, die von 1,200,000 Seelen seit dem Verfall der
Stadt auf wenig über 10,000 Seelen gesunken war, konnte für eine Volkser¬
hebung nicht von großem Belang sein. Die Zeit der Tyrannen Von Syra-
cusae im alten Sinne war nicht mehr, und hatte die damalige Besatzung von
100,000 Mann Fußvolk und 1 0,000 Reitern, bei 500 Kriegsschiffen, auch
einer im Vergleiche armseligen Handvoll Soldaten Play gemacht, so war es
dieser doch leicht, von der günstig gelegenen Citadelle aus jeden Angriff abzu¬
schlagen. Dahin also hatte der Brigadier Palma sich zurückgezogen. Wäh¬
rend dessen bildete sich auch in Syrakus eine provisorische Regierung, die mit
Palermo in Verbindung trat.

Messinas Erhebung war Von größerer Tragweite. Eine in neuem Auf¬
blühen begriffene Stadt mit nahe an 50,000 Einwohnern interesstrt, im Ver¬
gleich zu der Greisenhaftigkeit einer Ruinenstadt, schon durch den Geist und
die Stimmung seiner Bevölkerung. Die unmittelbare Nachbarschaft Neggios
und des unruhigen Calabriens überhaupt war ohnehin geeignet, jedem er¬
folgreichen Ausbruch in Messina einen für das Festland ansteckenden Charakter
zu geben.

Nachdem Palermo die Fahne des Aufruhrs mit gutem Glück aufgepflanzt
hatte, versuchte Messina eine zweite Erhebung. Die königlichen Truppen wurden
aus der zwischen hohen Bergen am Meere gelegenen Stadt verdrängt und
zogen sich in die Fortezza zurück, von wo 300 Kanonenschlünde drohend auf
die freundliche Stadt herunterblickten. Mit Hilfe palermitanischer Artillerie
gelang es dem bewaffneten Theil des Volks, den festen Punkt Nealalto zu
nehmen, und 98 Soldaten, vier Offiziere und vier Artilleristen sielen in die
Gefangenschaft der Eroberer. Als später indessen die Dampfer Sannita und
Ferdinand II. unter des Brigaviers Pronio Leitung Verstärkung aus Neapel
brachten, wurde Nealalto wieder von den Königlichen genommen und die
Stadt von Zeit zu Zeit durch glimpfliches Bombardiren an die Anwesenheit
königlicher Autorität erinnert.

Da diese Autorität, von dieser Zeit an, sich fast noch ein Jahr lang
<Mf die wenigen Citadellen Siciliens beschränken mußte, so können wir
Neapels weiteres Verhalten wieder in den Vordergrund treten lassen;
dasselbe war für den Erfolg der sicilianischen Bewegung von entscheidendster
Wichtigkeit.

Wenn man die strategische Lage Neapels sich vergegenwärtigt, wie eS
Von dem hoch thronenden Castell Se. Elmo nach allen Richtungen hin beherrscht


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[0285] am Meere durch Vermittelung deS Commodore Lushington und erhielt die Bewilligung ehrenvollen Abzugs. Palermo war frei. — Weniger günstig stand es für die revolutionäre Sache in Syrakus und Messina. Die erstere Stadt kam kaum bei den Plänen der Insurgenten in Betracht. Eine Bevölkerung, die von 1,200,000 Seelen seit dem Verfall der Stadt auf wenig über 10,000 Seelen gesunken war, konnte für eine Volkser¬ hebung nicht von großem Belang sein. Die Zeit der Tyrannen Von Syra- cusae im alten Sinne war nicht mehr, und hatte die damalige Besatzung von 100,000 Mann Fußvolk und 1 0,000 Reitern, bei 500 Kriegsschiffen, auch einer im Vergleiche armseligen Handvoll Soldaten Play gemacht, so war es dieser doch leicht, von der günstig gelegenen Citadelle aus jeden Angriff abzu¬ schlagen. Dahin also hatte der Brigadier Palma sich zurückgezogen. Wäh¬ rend dessen bildete sich auch in Syrakus eine provisorische Regierung, die mit Palermo in Verbindung trat. Messinas Erhebung war Von größerer Tragweite. Eine in neuem Auf¬ blühen begriffene Stadt mit nahe an 50,000 Einwohnern interesstrt, im Ver¬ gleich zu der Greisenhaftigkeit einer Ruinenstadt, schon durch den Geist und die Stimmung seiner Bevölkerung. Die unmittelbare Nachbarschaft Neggios und des unruhigen Calabriens überhaupt war ohnehin geeignet, jedem er¬ folgreichen Ausbruch in Messina einen für das Festland ansteckenden Charakter zu geben. Nachdem Palermo die Fahne des Aufruhrs mit gutem Glück aufgepflanzt hatte, versuchte Messina eine zweite Erhebung. Die königlichen Truppen wurden aus der zwischen hohen Bergen am Meere gelegenen Stadt verdrängt und zogen sich in die Fortezza zurück, von wo 300 Kanonenschlünde drohend auf die freundliche Stadt herunterblickten. Mit Hilfe palermitanischer Artillerie gelang es dem bewaffneten Theil des Volks, den festen Punkt Nealalto zu nehmen, und 98 Soldaten, vier Offiziere und vier Artilleristen sielen in die Gefangenschaft der Eroberer. Als später indessen die Dampfer Sannita und Ferdinand II. unter des Brigaviers Pronio Leitung Verstärkung aus Neapel brachten, wurde Nealalto wieder von den Königlichen genommen und die Stadt von Zeit zu Zeit durch glimpfliches Bombardiren an die Anwesenheit königlicher Autorität erinnert. Da diese Autorität, von dieser Zeit an, sich fast noch ein Jahr lang <Mf die wenigen Citadellen Siciliens beschränken mußte, so können wir Neapels weiteres Verhalten wieder in den Vordergrund treten lassen; dasselbe war für den Erfolg der sicilianischen Bewegung von entscheidendster Wichtigkeit. Wenn man die strategische Lage Neapels sich vergegenwärtigt, wie eS Von dem hoch thronenden Castell Se. Elmo nach allen Richtungen hin beherrscht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/285>, abgerufen am 23.07.2024.