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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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hin blieb ich, Helena Kotiannerin, ein Meßgewand und ein Altartuch schuldig,
das soll mein gnädiger Herr König Laßla bezahlen. Mein Helfer aber nahm ein
rothsammtnes Polster, trennte das auf, nahm einen Theil der Federn heraus,'
that die heilige Krone in das Polster, und nähte eS wieder zu.

Unterdeß war es fast Tag geworden, die Jungfrauen und jedermann
standen auf, und wir, sollten jetzt von bannen fahren. Nun hatten die Jung¬
frauen eine alte Frau in ihrem Dienst und meiner Frauen Gnade hatte befoh¬
len, man sollte dieser Frau ihren Lohn bezahlen und sollte sie zurücklassen,
damit sie wieder heimginge nach Ofen. Als nun die Frau bezahlt war, kam
sie zu mir und sagte mir, daß sie ein wunderliches Ding vor dem Ofen liegen
gesehen, und sie wüße nicht, was es wäre. Da erschrak ich sehr und sah
wol, daß es etwas von dem Gehäuse war, darin die heilige Krone gestanden
hatte, und redete ihr das aus den Augen, so gut ich konnte. Heimlich aber
ging ich zum Ofen und was ich von Trümmern fand, warf ich in das Feuer,
daß sie ganz verbrannten, und die Frau nahm ich mit mir auf die Reise. Es
nahm jedermann Wunder, warum ich das thäte. Da sprach ich, das wollte
ich aus mich nehmen, und wollte ihr eine Pfründe zu Wien bei Se. Marten
von meiner.gnädigen Frau erbitten, wie ich auch später that.

Als nun die Jungfrauen und das Hofgesinde bereit waren, von bannen
zu fahren, da nahm er, der mit mir in den Sorgen war, das Polster, worin
die heilige Krone vernäht war, und empfahl seinem Diener, der ihm geholfen
hatte, daß er das Polster aus dem Hause auf den Schlitten tragen sollte,
worauf ich und er saßen. Da nahm der gute Gesell das Polster auf die Achsel
und eine alte Kuhhaut dazu, die hatte einen langen Schwanz, der hing ihm
hinten nach; und jedermann sah ihm nach und begann über ihn zu lachen.

Da wir aus dem Hause herab auf den Markt kamen, da hätten wir gern
gegessen, man fand aber nichts Anderes, als Heringe. Wir aßen ein wenig
und man sang t>as gewöhnliche Amt (in der Kirche), so daß es schon weit am
Tage war, und doch sollten wir an demselben Tage von der Plintenburg nach
Komorn kommen -- und eS sind wol zwölf Meilen dahin. Als wir nun fahren
sollten und aussaßen, da nahm ich sorgfältig wahr, wo die Ecke des Polsters
war, darin die heilige Krone lag, daß ich nicht daraus säße, und dankte
Gott dem Allmächtigen seiner Gnade. Aber ich wandte mich dennoch oft um,
ob uns jemand nachkäme. Meine Sorge nahm gar kein Ende und ich hatte
viel Gedanken--- Und als wir an die Herberg kamen, wo wir essen woll¬
ten, da nahm der Gutgesell das Polster, das ihm empfohlen war und trug
es mit mir an die Stätte, wo wir essen wollten und legte es auf einen Tisch
mir gegenüber, so daß es unter meinen Augen die ganze Zeit war, während
wir aßen. Als wir gegessen hatten nahm der Gutgesell daS Polster und legte
es auf den Schlitten wie zuvor, und wir fuhren vorwärts dahin bis in die


hin blieb ich, Helena Kotiannerin, ein Meßgewand und ein Altartuch schuldig,
das soll mein gnädiger Herr König Laßla bezahlen. Mein Helfer aber nahm ein
rothsammtnes Polster, trennte das auf, nahm einen Theil der Federn heraus,'
that die heilige Krone in das Polster, und nähte eS wieder zu.

Unterdeß war es fast Tag geworden, die Jungfrauen und jedermann
standen auf, und wir, sollten jetzt von bannen fahren. Nun hatten die Jung¬
frauen eine alte Frau in ihrem Dienst und meiner Frauen Gnade hatte befoh¬
len, man sollte dieser Frau ihren Lohn bezahlen und sollte sie zurücklassen,
damit sie wieder heimginge nach Ofen. Als nun die Frau bezahlt war, kam
sie zu mir und sagte mir, daß sie ein wunderliches Ding vor dem Ofen liegen
gesehen, und sie wüße nicht, was es wäre. Da erschrak ich sehr und sah
wol, daß es etwas von dem Gehäuse war, darin die heilige Krone gestanden
hatte, und redete ihr das aus den Augen, so gut ich konnte. Heimlich aber
ging ich zum Ofen und was ich von Trümmern fand, warf ich in das Feuer,
daß sie ganz verbrannten, und die Frau nahm ich mit mir auf die Reise. Es
nahm jedermann Wunder, warum ich das thäte. Da sprach ich, das wollte
ich aus mich nehmen, und wollte ihr eine Pfründe zu Wien bei Se. Marten
von meiner.gnädigen Frau erbitten, wie ich auch später that.

Als nun die Jungfrauen und das Hofgesinde bereit waren, von bannen
zu fahren, da nahm er, der mit mir in den Sorgen war, das Polster, worin
die heilige Krone vernäht war, und empfahl seinem Diener, der ihm geholfen
hatte, daß er das Polster aus dem Hause auf den Schlitten tragen sollte,
worauf ich und er saßen. Da nahm der gute Gesell das Polster auf die Achsel
und eine alte Kuhhaut dazu, die hatte einen langen Schwanz, der hing ihm
hinten nach; und jedermann sah ihm nach und begann über ihn zu lachen.

Da wir aus dem Hause herab auf den Markt kamen, da hätten wir gern
gegessen, man fand aber nichts Anderes, als Heringe. Wir aßen ein wenig
und man sang t>as gewöhnliche Amt (in der Kirche), so daß es schon weit am
Tage war, und doch sollten wir an demselben Tage von der Plintenburg nach
Komorn kommen — und eS sind wol zwölf Meilen dahin. Als wir nun fahren
sollten und aussaßen, da nahm ich sorgfältig wahr, wo die Ecke des Polsters
war, darin die heilige Krone lag, daß ich nicht daraus säße, und dankte
Gott dem Allmächtigen seiner Gnade. Aber ich wandte mich dennoch oft um,
ob uns jemand nachkäme. Meine Sorge nahm gar kein Ende und ich hatte
viel Gedanken--- Und als wir an die Herberg kamen, wo wir essen woll¬
ten, da nahm der Gutgesell das Polster, das ihm empfohlen war und trug
es mit mir an die Stätte, wo wir essen wollten und legte es auf einen Tisch
mir gegenüber, so daß es unter meinen Augen die ganze Zeit war, während
wir aßen. Als wir gegessen hatten nahm der Gutgesell daS Polster und legte
es auf den Schlitten wie zuvor, und wir fuhren vorwärts dahin bis in die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/24>, abgerufen am 28.06.2024.