Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.zelner empirisch aufgefaßter Thatsachen, konnte man auch von den übrigen Es ist daher nicht blos interessant, sondern es ist durchaus nothwendig, Die Erforschung dieses Zusammenhangs ist die Hauptaufgabe des Schrift¬ zelner empirisch aufgefaßter Thatsachen, konnte man auch von den übrigen Es ist daher nicht blos interessant, sondern es ist durchaus nothwendig, Die Erforschung dieses Zusammenhangs ist die Hauptaufgabe des Schrift¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102807"/> <p xml:id="ID_700" prev="#ID_699"> zelner empirisch aufgefaßter Thatsachen, konnte man auch von den übrigen<lb/> Disciplinen nichts Anderes erwarten. Man muß sich erst daran gewöhnt<lb/> haben, den Begriff der Ordnung und Folge überall zu suchen, ehe man ihn<lb/> im Einzelnen wirklich findet, und grade eine Thätigkeit, die man, wenn auch<lb/> im edelsten Sinn des Worts, doch in das Gebiet des Lurus werfen muß, die<lb/> nicht in sich allein ruhen kann, und die doch danach strebt, gibt zu Zersplit¬<lb/> terungen einen äußerst bedenklichen Anlaß. In jener Zeit des Dilettantismus,<lb/> von der wir oben sprachen, hatte man allerdings das Princip aufgestellt, die<lb/> Kunst gehe rein aus sich selbst hervor und sei sich selber Zweck; indeß ist man<lb/> von diesem Irrthum jetzt ziemlich zurückgekommen, man weiß aus eigner Er¬<lb/> fahrung und aus der Geschichte, daß der Künstler zu seiner Thätigkeit durch<lb/> allgemeine Bedürfnisse getrieben, daß er selbst durch die allgemeine Meinung<lb/> getragen wird. Nur indem die Kunst einem bestimmten Zwecke dient und diesen<lb/> auf eine ideale Weise durchzuführen sucht, erhebt sie sich in jenes Gebiet der<lb/> freien Schönheit, welche nach Kants vollkommen richtiger und ausreichender<lb/> Definition den Eindruck des Zweckmäßiger macht, ohne daß damit die Vor¬<lb/> stellung eines bestimmten endlichen Zweckes verbunden wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_701"> Es ist daher nicht blos interessant, sondern es ist durchaus nothwendig,<lb/> daß die Geschichte der Kunst sich nach den Bedürfnissen, Stimmungen, Grund¬<lb/> sätzen und Vorurtheilen umsieht, welche die verschiedenen Zeitalter dem Künstler<lb/> entgegenbringen, und daraus eine organische Entwicklung der Kunst herzuleiten<lb/> sucht. Die Kunst hat zwar auch ein Leben und. eine Geschichte für sich, die bil¬<lb/> dende Kunst und die Musik mehr noch als die Dichtkunst, gewissermaßen ein esote¬<lb/> risches Leben, welches die endlichen Voraussetzungen und Beziehungen bis zu<lb/> einem gewissen Grade überwindet; aber auch dieses innere Leben wird nur dann<lb/> ständlich, wenn man seinen Zusammenhang mit dem äußern nachweist.</p><lb/> <p xml:id="ID_702" next="#ID_703"> Die Erforschung dieses Zusammenhangs ist die Hauptaufgabe des Schrift¬<lb/> stellers, von dessen ebenso groß angelegtem, als im Einzelnen gewissenhaft<lb/> durchgeführten Werk wir hier eine neue Fortsetzung freudig zu begrüßen haben.<lb/> Wenn andre Geschichtschreiber der Kunst vorzugsweise das Technische und<lb/> Aesthetische ins Auge fassen, sucht Schnaase aus dem geistigen Inhalt der<lb/> Zeiten das künstlerische Leben zu entwickeln, oder, wenn dieser Ausdruck zu<lb/> hart sein sollte, die nothwendigen Beziehungen des einen zum andern nachzu¬<lb/> weisen. An solchen Erscheinungen ermessen wir am deutlichsten die Bedeutung<lb/> der Philosophie, die in den philosophischen Schulen nur selten zu ihrem rich¬<lb/> tigen Ausdruck kommt. Während seiner Universitätszeit 1817—1818 war<lb/> Schnaase Hegels Schüler in Heidelberg, dem er auch nach Berlin folgte. Er<lb/> hat die abstracten Formen dieser Philosophie später durch concretes Studium<lb/> der Kunstgegenstände, das er schon in seinen niederländischen Briefen 1834<lb/> auf eine glänzende Weise bethätigt, überwunden; aber die hegelschen Ideen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0212]
zelner empirisch aufgefaßter Thatsachen, konnte man auch von den übrigen
Disciplinen nichts Anderes erwarten. Man muß sich erst daran gewöhnt
haben, den Begriff der Ordnung und Folge überall zu suchen, ehe man ihn
im Einzelnen wirklich findet, und grade eine Thätigkeit, die man, wenn auch
im edelsten Sinn des Worts, doch in das Gebiet des Lurus werfen muß, die
nicht in sich allein ruhen kann, und die doch danach strebt, gibt zu Zersplit¬
terungen einen äußerst bedenklichen Anlaß. In jener Zeit des Dilettantismus,
von der wir oben sprachen, hatte man allerdings das Princip aufgestellt, die
Kunst gehe rein aus sich selbst hervor und sei sich selber Zweck; indeß ist man
von diesem Irrthum jetzt ziemlich zurückgekommen, man weiß aus eigner Er¬
fahrung und aus der Geschichte, daß der Künstler zu seiner Thätigkeit durch
allgemeine Bedürfnisse getrieben, daß er selbst durch die allgemeine Meinung
getragen wird. Nur indem die Kunst einem bestimmten Zwecke dient und diesen
auf eine ideale Weise durchzuführen sucht, erhebt sie sich in jenes Gebiet der
freien Schönheit, welche nach Kants vollkommen richtiger und ausreichender
Definition den Eindruck des Zweckmäßiger macht, ohne daß damit die Vor¬
stellung eines bestimmten endlichen Zweckes verbunden wäre.
Es ist daher nicht blos interessant, sondern es ist durchaus nothwendig,
daß die Geschichte der Kunst sich nach den Bedürfnissen, Stimmungen, Grund¬
sätzen und Vorurtheilen umsieht, welche die verschiedenen Zeitalter dem Künstler
entgegenbringen, und daraus eine organische Entwicklung der Kunst herzuleiten
sucht. Die Kunst hat zwar auch ein Leben und. eine Geschichte für sich, die bil¬
dende Kunst und die Musik mehr noch als die Dichtkunst, gewissermaßen ein esote¬
risches Leben, welches die endlichen Voraussetzungen und Beziehungen bis zu
einem gewissen Grade überwindet; aber auch dieses innere Leben wird nur dann
ständlich, wenn man seinen Zusammenhang mit dem äußern nachweist.
Die Erforschung dieses Zusammenhangs ist die Hauptaufgabe des Schrift¬
stellers, von dessen ebenso groß angelegtem, als im Einzelnen gewissenhaft
durchgeführten Werk wir hier eine neue Fortsetzung freudig zu begrüßen haben.
Wenn andre Geschichtschreiber der Kunst vorzugsweise das Technische und
Aesthetische ins Auge fassen, sucht Schnaase aus dem geistigen Inhalt der
Zeiten das künstlerische Leben zu entwickeln, oder, wenn dieser Ausdruck zu
hart sein sollte, die nothwendigen Beziehungen des einen zum andern nachzu¬
weisen. An solchen Erscheinungen ermessen wir am deutlichsten die Bedeutung
der Philosophie, die in den philosophischen Schulen nur selten zu ihrem rich¬
tigen Ausdruck kommt. Während seiner Universitätszeit 1817—1818 war
Schnaase Hegels Schüler in Heidelberg, dem er auch nach Berlin folgte. Er
hat die abstracten Formen dieser Philosophie später durch concretes Studium
der Kunstgegenstände, das er schon in seinen niederländischen Briefen 1834
auf eine glänzende Weise bethätigt, überwunden; aber die hegelschen Ideen,
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