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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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borner Schwede, obgleich er sich in Paris aushält, geht im Wesentlichen von
der Idee der skandinavischen Union, also von einem nationalen Gedanken aus.
Dieser Gedanke wird aber so lange unfruchtbar bleiben, als sich nicht die
Skandinavier dazu erheben, die Berechtigung der deutschen Nationalität gleich¬
falls anzuerkennen. So lange sie darauf ausgehen, eine deutsche Provinz
durch die bekannten Mittel des Despotismus unter die dänische Knechtschaft
zu bringen, müssen sie sich auch aus den Despotismus stützen, gleichviel ob
dieser von Rußland oder von Frankreich ausgeht. Die Faseleien von der
ausschließlich aristokratischen Bedeutung der Erhebung in den deutschen Herzog-
thümern sollten doch endlich aufhören, und sie dürften am wenigsten in einem
Buch vorkommen, das im Uebrigen mit so viel Wärme und Sachkenntniß ge¬
schrieben ist, wie das vorliegende. -- Die Broschüre deö Grafen Ficquel-
mont: Zum künftigen Frieden. (Wien, Mantz), sucht den Fehler Rußlands
vorzüglich darin, daß seine Kirche zu einseitig.und zu ausschließlich ist. Neben¬
bei geißelt sie nicht mit Unrecht die frühern Verletzungen des Völkerrechts von
Seiten Englands, die Wegführung der spanischen Kriegsschiffe, das Bombar¬
dement Kopenhagens, die Forcirung der Dardanellen und den Brand von
Navarin. Das.Buch ist etwas weitschweifig, und seine halb theologischen
Deductionen erregen kein sonderliches Interesse; aber daß der alte Staatsmann
das Recht des Gewissens als ein höheres darstellt, als das Recht der Interessen,
ist sehr an der Zeit.

Indem wir uns nun von der orientalischen Frage abwenden, haben wir
zunächst ein sorgfältig und gründlich gearbeitetes Buch zu erwähnen: Mai¬
land und der lombardische Aufstand im März 18i8 (Wien, Gerold),
das eine Menge wenig bekannter Thatsachen enthüllt, und bei dem man sich
allenfalls auch die gar zu scharf prononcirte östreichische Parteifarbe gefallen
läßt. -- Die neuere Geschichte Italiens wird überhaupt mehrfach durchforscht.
.Ueber die Geschichte des Hauses Savoyen sind zwei interessante Werke er¬
schienen: Ilistorz? ok ?ieclinont von Antonio KallsnxÄ, 3 Bde., und Ne-
moris sull' Ittüis, Sel 181t sa 1850, von Viusoppe IV! c> ntanölli, 2 Bde.--
William Prescort, der berühmte Geschichtschreiber der Eroberung Mexicos,
hat die Geschichte der Regierung Philipps II. von Spanien vollendet (London,
1863. 2 Bde.) -- Von Jacob Venedeys Geschichte des deutschen Volks
von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart (Berlin, Franz Duncker) ist
die 11. und 12. Lieferung erschienen. Sie enthalten den Schluß des zweiten
Band.es (887--12S6, 614 Seiten). Das ganze Werk wird vier Bände um¬
fassen.-- In seiner Beschreibung der Zigeuner in den Donaufürstenthümern
Rsolaves tsixanss äar>5 iss prinoipautLS äanudiLlines), sucht Alfred
Poissonnier, Professor in Bukarest, das französische Publicum für das Loo-s
dieser schwer unterdrückten Classe zu interessiren. -- Wir haben ferner die


borner Schwede, obgleich er sich in Paris aushält, geht im Wesentlichen von
der Idee der skandinavischen Union, also von einem nationalen Gedanken aus.
Dieser Gedanke wird aber so lange unfruchtbar bleiben, als sich nicht die
Skandinavier dazu erheben, die Berechtigung der deutschen Nationalität gleich¬
falls anzuerkennen. So lange sie darauf ausgehen, eine deutsche Provinz
durch die bekannten Mittel des Despotismus unter die dänische Knechtschaft
zu bringen, müssen sie sich auch aus den Despotismus stützen, gleichviel ob
dieser von Rußland oder von Frankreich ausgeht. Die Faseleien von der
ausschließlich aristokratischen Bedeutung der Erhebung in den deutschen Herzog-
thümern sollten doch endlich aufhören, und sie dürften am wenigsten in einem
Buch vorkommen, das im Uebrigen mit so viel Wärme und Sachkenntniß ge¬
schrieben ist, wie das vorliegende. — Die Broschüre deö Grafen Ficquel-
mont: Zum künftigen Frieden. (Wien, Mantz), sucht den Fehler Rußlands
vorzüglich darin, daß seine Kirche zu einseitig.und zu ausschließlich ist. Neben¬
bei geißelt sie nicht mit Unrecht die frühern Verletzungen des Völkerrechts von
Seiten Englands, die Wegführung der spanischen Kriegsschiffe, das Bombar¬
dement Kopenhagens, die Forcirung der Dardanellen und den Brand von
Navarin. Das.Buch ist etwas weitschweifig, und seine halb theologischen
Deductionen erregen kein sonderliches Interesse; aber daß der alte Staatsmann
das Recht des Gewissens als ein höheres darstellt, als das Recht der Interessen,
ist sehr an der Zeit.

Indem wir uns nun von der orientalischen Frage abwenden, haben wir
zunächst ein sorgfältig und gründlich gearbeitetes Buch zu erwähnen: Mai¬
land und der lombardische Aufstand im März 18i8 (Wien, Gerold),
das eine Menge wenig bekannter Thatsachen enthüllt, und bei dem man sich
allenfalls auch die gar zu scharf prononcirte östreichische Parteifarbe gefallen
läßt. — Die neuere Geschichte Italiens wird überhaupt mehrfach durchforscht.
.Ueber die Geschichte des Hauses Savoyen sind zwei interessante Werke er¬
schienen: Ilistorz? ok ?ieclinont von Antonio KallsnxÄ, 3 Bde., und Ne-
moris sull' Ittüis, Sel 181t sa 1850, von Viusoppe IV! c> ntanölli, 2 Bde.—
William Prescort, der berühmte Geschichtschreiber der Eroberung Mexicos,
hat die Geschichte der Regierung Philipps II. von Spanien vollendet (London,
1863. 2 Bde.) — Von Jacob Venedeys Geschichte des deutschen Volks
von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart (Berlin, Franz Duncker) ist
die 11. und 12. Lieferung erschienen. Sie enthalten den Schluß des zweiten
Band.es (887—12S6, 614 Seiten). Das ganze Werk wird vier Bände um¬
fassen.— In seiner Beschreibung der Zigeuner in den Donaufürstenthümern
Rsolaves tsixanss äar>5 iss prinoipautLS äanudiLlines), sucht Alfred
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/98>, abgerufen am 27.06.2024.