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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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da es keine Uebersetzung (als eine von W> C. Müller*) in Berlin erschienene,
(aber mir nicht bekannte) gibt, von mir selbst haben angefertigt werden müssen.
Ich bitte dabei die Härte der Verse nicht gradezu für meine Ungeschicklichkeit
zu halten, sondern es kam hier auf eine treue Widerspieglung des Originals
an, und man wird daher" die weniger glatten Jamben ertragen müssen, wie
die Ligaturen bei den Gypsabgüssen antiker Kunstwerke.

Was wir noch besitzen von Marlvwe ist folgendes:

I. Tragödien.
1) Tamerlan der Große. Erster Theil.
S) " " Zweiter Theil.
3) Dr. Fausts Leben und Tod.
4) Der (reiche) Jude von Malta.
5) DaS Pariser Blutbad.
6) Evuard II.
7) Dido, Königin von Karthago.
II. Andre Werke.
1) Uebersetzung von Ovids "Liebeshändeln" Om-ores).
2) " LucanS Pharsalien. Buch 1.
3) Nachbildung von Musäus, Hero und Leander.
t) "Der lejdenschastliche Schäfer an seine Geliebte." Ein Lied.
>5) Epigrammes

Aber wie besitzen wir es? Nur ein einziges seiner Werke (No. 1. 2.)
ist zu Lebzeiten des Verfassers gedruckt worden, der Tamerlan: 1390; nur
hier finden wir die Acte und Scenen abgetheilt. Der Tert deö Faust liegt
nur in zwei, resp. -II und 23 Jahre nach des Verfassers Tode gedruckten
Recensionen vor und da wir wissen, daß inzwischen (vor dem ältesten Druck)
zweimal von Seiten der Schauspielergesellschaft, der das Manuskript gehörte,
spätere Dichterlinge für damit vorgenommene Aenderungen bezahlt wurden,
und daß das Honorar .sogar das eine Mal über die Hälfte des für ein neues
Stück üblichen (6--8 F) nämlich 4 F betrug, so machen wir den Schluß, daß
keine der beiden vorliegenden Gestalten die echte sei, obgleich sie mehr ab¬
gekürzte als vertan gerte Überarbeitungen zu sein scheinen. Um gar nicht
von der Dido zu sprechen (1394), an der Marlowe nur Mitarbeiter war, so gilt
dasselbe aller Wahrscheinlichkeit nach in noch höherm Grade von dem "Pariser
Blutbade", obwol dieses 2-3 Jahr nach Marlowes Tode erschienen sein mag,
welches noch kürzer als der "Faust" und noch mehr verstümmelt scheint (halb
so lang als Eduard II.), wahrscheinlich nur eine schlechte Überarbeitung für
das Theater. Dies findet auf die überraschendste Weise sich bestätigt durch ein



*) Ch. Marlvwe. Dr. Faust, Tragödie aus dem Englischen von W. C. Müller, Mit Vorw-
von L. A. von Arnim. Berlin -1818,

da es keine Uebersetzung (als eine von W> C. Müller*) in Berlin erschienene,
(aber mir nicht bekannte) gibt, von mir selbst haben angefertigt werden müssen.
Ich bitte dabei die Härte der Verse nicht gradezu für meine Ungeschicklichkeit
zu halten, sondern es kam hier auf eine treue Widerspieglung des Originals
an, und man wird daher« die weniger glatten Jamben ertragen müssen, wie
die Ligaturen bei den Gypsabgüssen antiker Kunstwerke.

Was wir noch besitzen von Marlvwe ist folgendes:

I. Tragödien.
1) Tamerlan der Große. Erster Theil.
S) „ „ Zweiter Theil.
3) Dr. Fausts Leben und Tod.
4) Der (reiche) Jude von Malta.
5) DaS Pariser Blutbad.
6) Evuard II.
7) Dido, Königin von Karthago.
II. Andre Werke.
1) Uebersetzung von Ovids „Liebeshändeln" Om-ores).
2) „ LucanS Pharsalien. Buch 1.
3) Nachbildung von Musäus, Hero und Leander.
t) „Der lejdenschastliche Schäfer an seine Geliebte." Ein Lied.
>5) Epigrammes

Aber wie besitzen wir es? Nur ein einziges seiner Werke (No. 1. 2.)
ist zu Lebzeiten des Verfassers gedruckt worden, der Tamerlan: 1390; nur
hier finden wir die Acte und Scenen abgetheilt. Der Tert deö Faust liegt
nur in zwei, resp. -II und 23 Jahre nach des Verfassers Tode gedruckten
Recensionen vor und da wir wissen, daß inzwischen (vor dem ältesten Druck)
zweimal von Seiten der Schauspielergesellschaft, der das Manuskript gehörte,
spätere Dichterlinge für damit vorgenommene Aenderungen bezahlt wurden,
und daß das Honorar .sogar das eine Mal über die Hälfte des für ein neues
Stück üblichen (6—8 F) nämlich 4 F betrug, so machen wir den Schluß, daß
keine der beiden vorliegenden Gestalten die echte sei, obgleich sie mehr ab¬
gekürzte als vertan gerte Überarbeitungen zu sein scheinen. Um gar nicht
von der Dido zu sprechen (1394), an der Marlowe nur Mitarbeiter war, so gilt
dasselbe aller Wahrscheinlichkeit nach in noch höherm Grade von dem „Pariser
Blutbade", obwol dieses 2-3 Jahr nach Marlowes Tode erschienen sein mag,
welches noch kürzer als der „Faust" und noch mehr verstümmelt scheint (halb
so lang als Eduard II.), wahrscheinlich nur eine schlechte Überarbeitung für
das Theater. Dies findet auf die überraschendste Weise sich bestätigt durch ein



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von L. A. von Arnim. Berlin -1818,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/82>, abgerufen am 27.06.2024.