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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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bei der Laterne gemalt. Es ist zwar im Interesse der jüngeren Künstler sehr
anzuerkennen, daß sie dadurch so vielfältige Gelegenheit zu Arbeiten gefunden
haben, im Interesse der Kunst wäre es aber doch zu wünschen gewesen, daß
man haushälterischer damit umgegangen wäre, denn die vielen kleinern Bilder,
die man nicht genau sieht, und die doch die Neugier herausfordern, beeinträch¬
tigen auch in architektonischer Hinsicht den Eindruck des Ganzen.

Das Treppenhaus, der eigentliche Mittelpunkt des ganzen Museums,
imponirt durch seine Größe und im Ganzen auch dach den Adel seiner Ver¬
hältnisse; doch ist auch hier manches aufgenommen, was dem Zwecke zuwider¬
läuft; so namentlich die beiden Kolosse, die ins Freie gehören, hier aber die
zunächststehenden Säulen und damit die architektonischen Verhältnisse über¬
haupt zu Boden drücken. Ferner das kleine Tempelchen an^s der Spitze der
Treppe, dessen Zweck durchaus nicht ersichtlich ist, und das mit seiner Winzigkeit
den kolossalen Prachtbau sehr schlecht abschließt. Durch die hellen Farben der
Wandgemälde und im Gegensatz dazu durch die meisten Reliefs kommt in das
Ganze ein Geist der Unruhe, der den imponirenden Eindruck der Größe beein¬
trächtigt. Trotzdem muß ich sagen, daß die jetzt fertige zAand in ihrer Voll¬
endung besser aussieht, als man vorher erwarten durfte. Der erste sinnliche
Farbeneindruck, bevor man daran denkt, die einzelnen Gegenstände zu unter¬
scheiden und in ihrer Individualität zu verfolgen, ist ein wohlthuender. Die
drei großen Wandgemälde sind in ihrer Composition streng symmetrisch geordnet,
die dazwischenliegenden allegorischen Figuren bilden einen wohlthuenden Ueber¬
gang; von dem Fries, der allenfalls störend einwirken könnte, sieht man gar
nichts. Trotzdem muß es fraglich bleiben, ob die neue Bereicherung der
Technik, nach welcher man die FreScomalerei in der Weise ,der Oelgemälde
ausführt, ein wirklicher Fortschritt für die Kunst ist. Die Frescomalerei soll
sich mit ihren bescheidenen Farben der Architektur anschmiegen, die Oelmalerei
nimmt ein individuelles Recht für sich in Anspruch, während diese Zwitter-
gattung weder das eine noch das andere ganz leistet, Indeß muß man in
dieser. Beziehung seine Wünsche zurückhalten und zunächst auf das eingehen,
was wirklich geleistet ist; und das ist immer so bedeutend, daß man füglich
die principiellen Fragen außer Acht lassen darf.

' Unter den neueren Künstlern ist über keinen so viel gestritten worden, als
über Kaulbach. Auch in diesen Blättern haben sich die entgegengesetzten An¬
sichten Geltung zu verschaffen gesucht. Wer aber noch daran zweifeln sollte,
ob Kaulbach ein Künstler, und zwar ein großer Künstler ist, der muß die jetzt
vollendete Hunnenschlacht ins Auge fassen, Hier kann gar keine andere
Empfindung aufkommen, als reine freudige Bewunderung; der Eindruck ist ein
überwältigender. Ich habe die Hunnenschlacht stets für die bedeutendste Com¬
position Kaulbachs gehalten, aber der Ausführung der Farben mit einer ge-


bei der Laterne gemalt. Es ist zwar im Interesse der jüngeren Künstler sehr
anzuerkennen, daß sie dadurch so vielfältige Gelegenheit zu Arbeiten gefunden
haben, im Interesse der Kunst wäre es aber doch zu wünschen gewesen, daß
man haushälterischer damit umgegangen wäre, denn die vielen kleinern Bilder,
die man nicht genau sieht, und die doch die Neugier herausfordern, beeinträch¬
tigen auch in architektonischer Hinsicht den Eindruck des Ganzen.

Das Treppenhaus, der eigentliche Mittelpunkt des ganzen Museums,
imponirt durch seine Größe und im Ganzen auch dach den Adel seiner Ver¬
hältnisse; doch ist auch hier manches aufgenommen, was dem Zwecke zuwider¬
läuft; so namentlich die beiden Kolosse, die ins Freie gehören, hier aber die
zunächststehenden Säulen und damit die architektonischen Verhältnisse über¬
haupt zu Boden drücken. Ferner das kleine Tempelchen an^s der Spitze der
Treppe, dessen Zweck durchaus nicht ersichtlich ist, und das mit seiner Winzigkeit
den kolossalen Prachtbau sehr schlecht abschließt. Durch die hellen Farben der
Wandgemälde und im Gegensatz dazu durch die meisten Reliefs kommt in das
Ganze ein Geist der Unruhe, der den imponirenden Eindruck der Größe beein¬
trächtigt. Trotzdem muß ich sagen, daß die jetzt fertige zAand in ihrer Voll¬
endung besser aussieht, als man vorher erwarten durfte. Der erste sinnliche
Farbeneindruck, bevor man daran denkt, die einzelnen Gegenstände zu unter¬
scheiden und in ihrer Individualität zu verfolgen, ist ein wohlthuender. Die
drei großen Wandgemälde sind in ihrer Composition streng symmetrisch geordnet,
die dazwischenliegenden allegorischen Figuren bilden einen wohlthuenden Ueber¬
gang; von dem Fries, der allenfalls störend einwirken könnte, sieht man gar
nichts. Trotzdem muß es fraglich bleiben, ob die neue Bereicherung der
Technik, nach welcher man die FreScomalerei in der Weise ,der Oelgemälde
ausführt, ein wirklicher Fortschritt für die Kunst ist. Die Frescomalerei soll
sich mit ihren bescheidenen Farben der Architektur anschmiegen, die Oelmalerei
nimmt ein individuelles Recht für sich in Anspruch, während diese Zwitter-
gattung weder das eine noch das andere ganz leistet, Indeß muß man in
dieser. Beziehung seine Wünsche zurückhalten und zunächst auf das eingehen,
was wirklich geleistet ist; und das ist immer so bedeutend, daß man füglich
die principiellen Fragen außer Acht lassen darf.

' Unter den neueren Künstlern ist über keinen so viel gestritten worden, als
über Kaulbach. Auch in diesen Blättern haben sich die entgegengesetzten An¬
sichten Geltung zu verschaffen gesucht. Wer aber noch daran zweifeln sollte,
ob Kaulbach ein Künstler, und zwar ein großer Künstler ist, der muß die jetzt
vollendete Hunnenschlacht ins Auge fassen, Hier kann gar keine andere
Empfindung aufkommen, als reine freudige Bewunderung; der Eindruck ist ein
überwältigender. Ich habe die Hunnenschlacht stets für die bedeutendste Com¬
position Kaulbachs gehalten, aber der Ausführung der Farben mit einer ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/56>, abgerufen am 27.06.2024.