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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Etage, welche die Kunstkammer deS Schlosses aufnehmen soll, wird stark ge¬
arbeitet, die Baulichkeiten sind zum großen Theil fertig, die Wandgemälde,
namentlich der großen Kuppel, die man jetzt nur vom Gerüst aus sehen kann,
später aber von unten mit dem Fernglas aufsuchen muß, sind zum großen
Theil schon ausgeführt. Aufgestellt ist noch nichts.

Die Ausstellungen, die man gegen den Plan, soroie gegen die Ausführungen
im Einzelnen machen kann, drangen sich so aus und sind so unabweisbar, daß
man um der Gerechtigkeit willen auch gleich die andere Seile hervorheben
muß. Trotz dieser Mängel haben wir doch eine schöne, prächtige Kunstanstalt
vor uns, die wir mit Freude und Bewunderung durchstreifen, in der wir zwar
vieles anders wünschten, für die wir aber doch dem Begründer den lebhaftesten
Dank sagen müssen. Den Eindruck des Ueberladenen machen die meisten
modernen Kunstanstalten,; freilich steht das neue Museum darin in erster Reihe, ,
vorzugsweise deshalb, weil es häufig die Mittel mit dem Zoe-cke verwechselt.
In einem Museum sollen die gesammelten Gegenstände die Hauptsache sein,
und von den Baulichkeiten verlangt man nichts weiter, als daß sie den Ein¬
druck derselben auf eine schickliche würdige Weise zur Geltung bringen oder
wenigstens nicht beeinträchtigen. Im neuen Museum, dagegen sieht es zu¬
weilen so aus, als ob das Gebäude die Hauptsache sei und die Kunstgegen¬
stände nur zur Decoration dienen sollten. ' Am auffallendsten ist das im
ägyptischen Museum, wo die ägyptische Baukunst, freilich im verkleinerten
Maßstabe., gradezu imitirt ist, wodurch die aufgestellten Alterthümer in ein
ganz unrichtiges Verhältniß kommen. Indeß bei ägyptischen Kunstwerken ist
der Verlust nicht so groß; empfindlicher wird er in den griechischen Sälen, wo
man die Gypsabgüsse der großartigsten Kunstwerke zum Theil uach rein deko¬
rativen Gesichtspunkten aufgestellt hat, nicht, wie es doch eigentlich sein sollte,
mit dem Zweck, sie von allen Seiten so deutlich als möglich zu zeigen. Mit¬
unter kann man bei der Ausstellung nicht einmal jenen Gesichtspunkt geltend
machen und muß sich bei der Frage uach dem Warum mit ven Schillerschen
"Spruch trösten:


"Was kein Verstand der Verständigen steht,
Das übt in Einfalt ein kindlich Gemüth."

Die zum Theil sehr schön und glänzend ausgeführten Gemälde aus dem
griechischen und römischen Leben erdrücken mit ihren grellen, leuchtenden Farben
die weißen Gypsabgüsse, und schieben so den Zweck hinter das Mittel zurück.
Die großen Wandgemälde sind auch keineswegs durchweg so eingerichtet,
daß man einen richtigen Eindruck von ihnen gewinnt. Das gilt schon vom
Treppenhause, es wird noch viel schlimmer bei der neuen Kuppel sein, bei der
zum Theil die bedeutendsten Gemälde dem Auge verloren gehen. Viele von
den kleinern Gemälden liegen ganz im Finstern, einige sind im vollen Ernste


Etage, welche die Kunstkammer deS Schlosses aufnehmen soll, wird stark ge¬
arbeitet, die Baulichkeiten sind zum großen Theil fertig, die Wandgemälde,
namentlich der großen Kuppel, die man jetzt nur vom Gerüst aus sehen kann,
später aber von unten mit dem Fernglas aufsuchen muß, sind zum großen
Theil schon ausgeführt. Aufgestellt ist noch nichts.

Die Ausstellungen, die man gegen den Plan, soroie gegen die Ausführungen
im Einzelnen machen kann, drangen sich so aus und sind so unabweisbar, daß
man um der Gerechtigkeit willen auch gleich die andere Seile hervorheben
muß. Trotz dieser Mängel haben wir doch eine schöne, prächtige Kunstanstalt
vor uns, die wir mit Freude und Bewunderung durchstreifen, in der wir zwar
vieles anders wünschten, für die wir aber doch dem Begründer den lebhaftesten
Dank sagen müssen. Den Eindruck des Ueberladenen machen die meisten
modernen Kunstanstalten,; freilich steht das neue Museum darin in erster Reihe, ,
vorzugsweise deshalb, weil es häufig die Mittel mit dem Zoe-cke verwechselt.
In einem Museum sollen die gesammelten Gegenstände die Hauptsache sein,
und von den Baulichkeiten verlangt man nichts weiter, als daß sie den Ein¬
druck derselben auf eine schickliche würdige Weise zur Geltung bringen oder
wenigstens nicht beeinträchtigen. Im neuen Museum, dagegen sieht es zu¬
weilen so aus, als ob das Gebäude die Hauptsache sei und die Kunstgegen¬
stände nur zur Decoration dienen sollten. ' Am auffallendsten ist das im
ägyptischen Museum, wo die ägyptische Baukunst, freilich im verkleinerten
Maßstabe., gradezu imitirt ist, wodurch die aufgestellten Alterthümer in ein
ganz unrichtiges Verhältniß kommen. Indeß bei ägyptischen Kunstwerken ist
der Verlust nicht so groß; empfindlicher wird er in den griechischen Sälen, wo
man die Gypsabgüsse der großartigsten Kunstwerke zum Theil uach rein deko¬
rativen Gesichtspunkten aufgestellt hat, nicht, wie es doch eigentlich sein sollte,
mit dem Zweck, sie von allen Seiten so deutlich als möglich zu zeigen. Mit¬
unter kann man bei der Ausstellung nicht einmal jenen Gesichtspunkt geltend
machen und muß sich bei der Frage uach dem Warum mit ven Schillerschen
"Spruch trösten:


„Was kein Verstand der Verständigen steht,
Das übt in Einfalt ein kindlich Gemüth."

Die zum Theil sehr schön und glänzend ausgeführten Gemälde aus dem
griechischen und römischen Leben erdrücken mit ihren grellen, leuchtenden Farben
die weißen Gypsabgüsse, und schieben so den Zweck hinter das Mittel zurück.
Die großen Wandgemälde sind auch keineswegs durchweg so eingerichtet,
daß man einen richtigen Eindruck von ihnen gewinnt. Das gilt schon vom
Treppenhause, es wird noch viel schlimmer bei der neuen Kuppel sein, bei der
zum Theil die bedeutendsten Gemälde dem Auge verloren gehen. Viele von
den kleinern Gemälden liegen ganz im Finstern, einige sind im vollen Ernste


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/55>, abgerufen am 27.06.2024.