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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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einem Gesammtministerium, von welchem ein Theil dem dänischen Reichstage,
Theil nnr dem König allein verantwortlich ist. Die Folgen hiervon
werden fortwährende Conflicte sein zwischen den verschiedenen Nationalitäten,
den einzelnen Ständeversammlungen und wiederum zwischen diesen und der
Regierung. Was letztere aufbauen und einführen will erleidet Widerspruch
und Opposition bald von der einen, bald von der andern Seite. Was die
Dänen wollen, ist den Deutschen zuwider; was die Deutschen wünschen, wird
von den Dänen bekämpft. In dem Reichsrathe, in welchem Dänen und
Deutsche nebeneinander sitzen, werden beide Sprachen geredet, ohne daß alle
Mitglieder einander verstehen, da die wenigsten Holsteiner und Südschteswiger
der dänischen und sehr viele Dänen der deutschen Sprache nicht mächtig sind;
der gegenwärtige Präsident des Reichsrathcs, Professor Madvig aus Kopen¬
hagen, soll sich nicht ohne Schwierigkeit auf Deutsch verständlich machen kön¬
nen, der Vicepräsident, Professor Burchardi aus Kiel, ein geborner Nordschlcs-
w'ger, soll nnr das fchleswigfche sogenannte Naben- oder Kartosseldänisch
sprechen können, welches weder Dänen noch Deutsche verstehen. Gegenseitiges
^ lpvergnügen und gegenseitige Erbitterung wie allgemeine Unzufriedenheit sind
>e Folgen dieser erkünstelten, unnatürlichen Staatseinrichtung, durch welche kein
heil befriedigt wird und die besten Kräfte der einzelnen Theile sich gegenseitig
"ufvclben. Keine Regierung, kein Minister, kein staatsmännisches Talent ver¬
mag unter solchen Umständen und Verhältnissen auf die Länge daS Regiment
fuhren, ohne ein Opfer der Parteien und somit aller Kraft und Würde
""übt zu werden. Wie trostlos diese Verhältnisse sind und wie wenig die
in"!c-" dieselben befriedigt werden, geht am deutlichsten aus der dänischen
r^pe hervor. Als Beweis der dortigen Ansichten und Stimmungen mag
y'er der Anfang eines längeren Artikels über den Reichsrath in einem viel
g-lesenen dänischen Blatte Platz finden:

" " sogenannte Reichsrath ist zum ersten Mal versammelt. Es sind acht
radt^sind' ^ " M<nztagen 1848. Die Gesammtverfassung und der Reichs-
^ Resultat so blutiger Kämpfe, so großer Anstrengungen, so
mancher Verwicklungen, so verschiedener Versuche; der letzte Rest unsrer
.theuersten Hoffnungen liegt begraben - im Reichsrathe alle, zu welcher
Mrtci sie anch gehören, sind mißvergnügt. Keiner glaubt daran, daß
n 5 -verfanung und dieser Zustand von langer Dauer sein
wir . Die holsteinische Ständeversammlung ist schon in vollem Aufruhr
g^egen die neue Verfassung, ""d ^ Reiches alte Feinde treten schon sogleich
>e er dreister auf, als vor 1848. gesichert und gestärkt in ihrer Widerstands-
"<M durch die neue Separatverfassung :c. :c. :c."r

Niemand wird hiernach glauben wollen oder können, daß die gegenwärtige
laatsmaschine, welche darauf berechnet ist, die einzelnen Theile des sogenann-


einem Gesammtministerium, von welchem ein Theil dem dänischen Reichstage,
Theil nnr dem König allein verantwortlich ist. Die Folgen hiervon
werden fortwährende Conflicte sein zwischen den verschiedenen Nationalitäten,
den einzelnen Ständeversammlungen und wiederum zwischen diesen und der
Regierung. Was letztere aufbauen und einführen will erleidet Widerspruch
und Opposition bald von der einen, bald von der andern Seite. Was die
Dänen wollen, ist den Deutschen zuwider; was die Deutschen wünschen, wird
von den Dänen bekämpft. In dem Reichsrathe, in welchem Dänen und
Deutsche nebeneinander sitzen, werden beide Sprachen geredet, ohne daß alle
Mitglieder einander verstehen, da die wenigsten Holsteiner und Südschteswiger
der dänischen und sehr viele Dänen der deutschen Sprache nicht mächtig sind;
der gegenwärtige Präsident des Reichsrathcs, Professor Madvig aus Kopen¬
hagen, soll sich nicht ohne Schwierigkeit auf Deutsch verständlich machen kön¬
nen, der Vicepräsident, Professor Burchardi aus Kiel, ein geborner Nordschlcs-
w'ger, soll nnr das fchleswigfche sogenannte Naben- oder Kartosseldänisch
sprechen können, welches weder Dänen noch Deutsche verstehen. Gegenseitiges
^ lpvergnügen und gegenseitige Erbitterung wie allgemeine Unzufriedenheit sind
>e Folgen dieser erkünstelten, unnatürlichen Staatseinrichtung, durch welche kein
heil befriedigt wird und die besten Kräfte der einzelnen Theile sich gegenseitig
"ufvclben. Keine Regierung, kein Minister, kein staatsmännisches Talent ver¬
mag unter solchen Umständen und Verhältnissen auf die Länge daS Regiment
fuhren, ohne ein Opfer der Parteien und somit aller Kraft und Würde
""übt zu werden. Wie trostlos diese Verhältnisse sind und wie wenig die
in"!c-" dieselben befriedigt werden, geht am deutlichsten aus der dänischen
r^pe hervor. Als Beweis der dortigen Ansichten und Stimmungen mag
y'er der Anfang eines längeren Artikels über den Reichsrath in einem viel
g-lesenen dänischen Blatte Platz finden:

" " sogenannte Reichsrath ist zum ersten Mal versammelt. Es sind acht
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^ Resultat so blutiger Kämpfe, so großer Anstrengungen, so
mancher Verwicklungen, so verschiedener Versuche; der letzte Rest unsrer
.theuersten Hoffnungen liegt begraben - im Reichsrathe alle, zu welcher
Mrtci sie anch gehören, sind mißvergnügt. Keiner glaubt daran, daß
n 5 -verfanung und dieser Zustand von langer Dauer sein
wir . Die holsteinische Ständeversammlung ist schon in vollem Aufruhr
g^egen die neue Verfassung, «„d ^ Reiches alte Feinde treten schon sogleich
>e er dreister auf, als vor 1848. gesichert und gestärkt in ihrer Widerstands-
"<M durch die neue Separatverfassung :c. :c. :c."r

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/51>, abgerufen am 27.06.2024.