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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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te.n dänischen Gesammtstaats zusammenzuhalten, noch lange'in Wirksamkeit zu
bleiben vermag. Bricht diese Maschine aber zusammen, so ist eine Selbstfolge,
daß die einzelnen Theile des Gesammtstaats dorthin fallen, wohin sie zufolge
ihrer naturgemäßen Entwicklung fallen müssen, wohin sie durch nationale
Sympathien und materielle Interessen unwiderstehlich hingezogen werden und
wohin sie im europäischen Interesse, zufolge einer gesunden Politik, ge-
hören, nämlich Dänemark an Skandinavien, die Herzogtümer an Deutsch¬
land. - .

Der Kampf, der zwischen Dänemark und den Herzogthümern geführt wurde,
und den man durch das londoner Protokoll und die dänische GesammlstaatS-
einrichtung beizulegen meinte, ist kein Kampf von gestern oder heute. Von
Dänemark und Rußland getäuscht, meinten die Unterzeichner des londoner
Protokolls, es handle sich hier nur um dynastische Interessen und eine so¬
genannte Volksfreiheit im Gegensatz einer unumschränkten Regierungsform.
Man glaubte durch Ordnung der Thronfolge und Einführung einer durch
Verfassungen eingeschränkten Regierungsform alle .Bedürfnisse und Wünsche
befriedigt zu haben. Die eigentliche Ursache jenes Kampfes, der schon
seit 600 Jahren, nämlich seit der Zeit des dänischen Königs Waldemars des
Siegers bestanden hat und seit der Zeit mit den verschiedenartigsten Waffen
und abwechselndem Erfolge geführt wurde, erkannte wol keiner jener Unter¬
zeichner des londoner Protokolls. Dieser Kampf ist kein anderer, als der
Kampf des skandinavischen Elements mit dem deutschen Elemente
an den nördlichen Grenzen Deutschlands. Das Dänenthum will nach Süden
vordringen, sein skandinavisches Sprach- und Nationalilätsgeluet dorthin er¬
weitern und will deshalb das deutsche Element theils zurückdrängen, theils
gänzlich unterjochen. Das deutsche Element jenseits der Elbe will sich weder
zurückdrängen, noch von dem Dänenthum unterjochen lassen; und so muß ein
Kampf zwischen beiden entstehen und fortgeführt werden, bis entweder der eine
Theil den andern gänzlich unterjocht und in sich aufgenommen hat, oder beide
Theile dergestalt voneinander getrennt.werden, daß alle Berührungspunkte
und daraus entstehende Conflicte von selbst wegfallen.

Da ersteres nun nicht möglich ist, denn weder wird es den Dänen ge¬
lingen, den niedersächsischen Volksstamm der Südschleswiger, Holsteiner und^
Lauenburger in Skandinavier, noch jenen, die Jnselvänen in Deutsche zu
verwandeln, so bleibt nur letzteres übrig, nämlich Dänemarks Vereinigung
mit den beiden Schwesterreichen, Schweden und Norwegen, und der deutschen
Herzogthümer Vereinigung mit Deutschland.

Das Königreich Dänemark, unter eigner Verfassung, in Union mit de'n
beiden andern skandinavischen Königreichen, ist wie gesagt schon seit lange der
Wunsch einer mächtigen Partei in Dänemark, der Partei, die sich selbst den


te.n dänischen Gesammtstaats zusammenzuhalten, noch lange'in Wirksamkeit zu
bleiben vermag. Bricht diese Maschine aber zusammen, so ist eine Selbstfolge,
daß die einzelnen Theile des Gesammtstaats dorthin fallen, wohin sie zufolge
ihrer naturgemäßen Entwicklung fallen müssen, wohin sie durch nationale
Sympathien und materielle Interessen unwiderstehlich hingezogen werden und
wohin sie im europäischen Interesse, zufolge einer gesunden Politik, ge-
hören, nämlich Dänemark an Skandinavien, die Herzogtümer an Deutsch¬
land. - .

Der Kampf, der zwischen Dänemark und den Herzogthümern geführt wurde,
und den man durch das londoner Protokoll und die dänische GesammlstaatS-
einrichtung beizulegen meinte, ist kein Kampf von gestern oder heute. Von
Dänemark und Rußland getäuscht, meinten die Unterzeichner des londoner
Protokolls, es handle sich hier nur um dynastische Interessen und eine so¬
genannte Volksfreiheit im Gegensatz einer unumschränkten Regierungsform.
Man glaubte durch Ordnung der Thronfolge und Einführung einer durch
Verfassungen eingeschränkten Regierungsform alle .Bedürfnisse und Wünsche
befriedigt zu haben. Die eigentliche Ursache jenes Kampfes, der schon
seit 600 Jahren, nämlich seit der Zeit des dänischen Königs Waldemars des
Siegers bestanden hat und seit der Zeit mit den verschiedenartigsten Waffen
und abwechselndem Erfolge geführt wurde, erkannte wol keiner jener Unter¬
zeichner des londoner Protokolls. Dieser Kampf ist kein anderer, als der
Kampf des skandinavischen Elements mit dem deutschen Elemente
an den nördlichen Grenzen Deutschlands. Das Dänenthum will nach Süden
vordringen, sein skandinavisches Sprach- und Nationalilätsgeluet dorthin er¬
weitern und will deshalb das deutsche Element theils zurückdrängen, theils
gänzlich unterjochen. Das deutsche Element jenseits der Elbe will sich weder
zurückdrängen, noch von dem Dänenthum unterjochen lassen; und so muß ein
Kampf zwischen beiden entstehen und fortgeführt werden, bis entweder der eine
Theil den andern gänzlich unterjocht und in sich aufgenommen hat, oder beide
Theile dergestalt voneinander getrennt.werden, daß alle Berührungspunkte
und daraus entstehende Conflicte von selbst wegfallen.

Da ersteres nun nicht möglich ist, denn weder wird es den Dänen ge¬
lingen, den niedersächsischen Volksstamm der Südschleswiger, Holsteiner und^
Lauenburger in Skandinavier, noch jenen, die Jnselvänen in Deutsche zu
verwandeln, so bleibt nur letzteres übrig, nämlich Dänemarks Vereinigung
mit den beiden Schwesterreichen, Schweden und Norwegen, und der deutschen
Herzogthümer Vereinigung mit Deutschland.

Das Königreich Dänemark, unter eigner Verfassung, in Union mit de'n
beiden andern skandinavischen Königreichen, ist wie gesagt schon seit lange der
Wunsch einer mächtigen Partei in Dänemark, der Partei, die sich selbst den


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[0052] te.n dänischen Gesammtstaats zusammenzuhalten, noch lange'in Wirksamkeit zu bleiben vermag. Bricht diese Maschine aber zusammen, so ist eine Selbstfolge, daß die einzelnen Theile des Gesammtstaats dorthin fallen, wohin sie zufolge ihrer naturgemäßen Entwicklung fallen müssen, wohin sie durch nationale Sympathien und materielle Interessen unwiderstehlich hingezogen werden und wohin sie im europäischen Interesse, zufolge einer gesunden Politik, ge- hören, nämlich Dänemark an Skandinavien, die Herzogtümer an Deutsch¬ land. - . Der Kampf, der zwischen Dänemark und den Herzogthümern geführt wurde, und den man durch das londoner Protokoll und die dänische GesammlstaatS- einrichtung beizulegen meinte, ist kein Kampf von gestern oder heute. Von Dänemark und Rußland getäuscht, meinten die Unterzeichner des londoner Protokolls, es handle sich hier nur um dynastische Interessen und eine so¬ genannte Volksfreiheit im Gegensatz einer unumschränkten Regierungsform. Man glaubte durch Ordnung der Thronfolge und Einführung einer durch Verfassungen eingeschränkten Regierungsform alle .Bedürfnisse und Wünsche befriedigt zu haben. Die eigentliche Ursache jenes Kampfes, der schon seit 600 Jahren, nämlich seit der Zeit des dänischen Königs Waldemars des Siegers bestanden hat und seit der Zeit mit den verschiedenartigsten Waffen und abwechselndem Erfolge geführt wurde, erkannte wol keiner jener Unter¬ zeichner des londoner Protokolls. Dieser Kampf ist kein anderer, als der Kampf des skandinavischen Elements mit dem deutschen Elemente an den nördlichen Grenzen Deutschlands. Das Dänenthum will nach Süden vordringen, sein skandinavisches Sprach- und Nationalilätsgeluet dorthin er¬ weitern und will deshalb das deutsche Element theils zurückdrängen, theils gänzlich unterjochen. Das deutsche Element jenseits der Elbe will sich weder zurückdrängen, noch von dem Dänenthum unterjochen lassen; und so muß ein Kampf zwischen beiden entstehen und fortgeführt werden, bis entweder der eine Theil den andern gänzlich unterjocht und in sich aufgenommen hat, oder beide Theile dergestalt voneinander getrennt.werden, daß alle Berührungspunkte und daraus entstehende Conflicte von selbst wegfallen. Da ersteres nun nicht möglich ist, denn weder wird es den Dänen ge¬ lingen, den niedersächsischen Volksstamm der Südschleswiger, Holsteiner und^ Lauenburger in Skandinavier, noch jenen, die Jnselvänen in Deutsche zu verwandeln, so bleibt nur letzteres übrig, nämlich Dänemarks Vereinigung mit den beiden Schwesterreichen, Schweden und Norwegen, und der deutschen Herzogthümer Vereinigung mit Deutschland. Das Königreich Dänemark, unter eigner Verfassung, in Union mit de'n beiden andern skandinavischen Königreichen, ist wie gesagt schon seit lange der Wunsch einer mächtigen Partei in Dänemark, der Partei, die sich selbst den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/52>, abgerufen am 05.07.2024.