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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Bei der Besetzung des Orchesters war man bemüht gewesen, die Blas-
instrumente, welche voriges Jahr den Saiteninstrumenten nicht ganz eben¬
bürtig erschienen, zu verbessern,, auch war dies nicht ohne Erfolg geblieben.
Die Saiteninstrumente dagegen standen dies Mal etwas zurück, ..wobei man
freilich nicht vergessen darf, daß eine so überaus schone, in Kraft und Zartheit
gleich wohlthuende Wirkung der Saiteninstrumente, wie man sie voriges Jahr
in Düsseldorf hörte, in aller Welt selten vernommen wird und nur unter be¬
sonders günstigen Umständen erreicht werden konnte. Die Zahl der Geigen
und Bratschen war etwas geringer, die Bässe waren -- wol mit Rücksicht auf
die Symphonie -- verstärkt (27 Violvncelle und 16 Contrabässe). '

Nach einem, wie mir scheint, sehr richtigen Grundsatz wechselt man bei den
Musikfesteu, wenn auch nicht regelmäßig, mit dem Dirigenten. Schwerlich aus
der Ansicht, die bei dem Engagement der Solisten und Virtuosen maßgebend
sein mag, daß neue Namen und Personen auf das Publicum eine erhöhete An¬
ziehungskraft ausüben, sondern weil die eigenthümliche geistige Anregung und
belebende Kraft, welche von dem Dirigenten ausgeht, solchen Massen gegen¬
über von ungewöhnlicher Frische und Energie sein müssen. So wohlthätig,
ja nothwendig bei musikalischen Instituten von regelmäßig fortlaufender Wirk¬
samkeit die stetige Tradition einer einheitlichen Direction sich erweist, so heilsam
ist für eine außerordentliche Veranlassung, bei der es auf eine rasche Ver¬
schmelzung großer Massen ankommt, die kräftigere Anregung, welche von einem
Dirigenten ausgeht, dem Achtung und Vertrauen der Mitwirkenden entgegen¬
kommen, ohne daß eine beiderseitige Gewöhnung ein bequemes Sichgehenlassen
zugibt. Die Wahl war auf Julius Nietz gefallen, der, früher während einer
Reihe von Jahren Musikdirector in Düsseldorf, dort und im Rheinland be¬
kannt und heimisch, ebenso gern der gastlichen Einladung zu diesem Ehrenposten
folgte, als man ihn dort freudig und herzlich empfing. Daß es für Ihren
Referenten eine besondere Genugthuung war, den befreundeten Meister, dessen
sichere Leitung er so oft mit Theilnahme und Befriedigung beobachtet hat,
einmal wieder am Dirigentenpult zu sehen, wissen Sie, und in einem Bericht,
der sich zunächst nach Leipzig wendet, ist eS überflüssig, sich weiter darüber aus¬
zulassen, wie sehr geeignet Rietz durch sein hervorragendes Directionsralent und
seine große Erfahrung und Sicherheit für die Leitung eines Musikfestes sei.
Er hat sich als Dirigent anch hier bewährt und an dem, was so erfreulich ge¬
lang, hat die energische Festigkeit und die anregende Frische seiner Direction den
wesentlichsten Antheil, während das meiste von dem, was minder befriedigend
auffiel, einer Sphäre angehört, in welcher sein Einfluß nicht maßgebend
sein konnte.

Den größten Schwierigkeiten ist immer das Engagement der Solisten un¬
terworfen; die Aufgabe, Sänger und Sängerinnen zu gewinnen, die durch
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Bei der Besetzung des Orchesters war man bemüht gewesen, die Blas-
instrumente, welche voriges Jahr den Saiteninstrumenten nicht ganz eben¬
bürtig erschienen, zu verbessern,, auch war dies nicht ohne Erfolg geblieben.
Die Saiteninstrumente dagegen standen dies Mal etwas zurück, ..wobei man
freilich nicht vergessen darf, daß eine so überaus schone, in Kraft und Zartheit
gleich wohlthuende Wirkung der Saiteninstrumente, wie man sie voriges Jahr
in Düsseldorf hörte, in aller Welt selten vernommen wird und nur unter be¬
sonders günstigen Umständen erreicht werden konnte. Die Zahl der Geigen
und Bratschen war etwas geringer, die Bässe waren — wol mit Rücksicht auf
die Symphonie — verstärkt (27 Violvncelle und 16 Contrabässe). '

Nach einem, wie mir scheint, sehr richtigen Grundsatz wechselt man bei den
Musikfesteu, wenn auch nicht regelmäßig, mit dem Dirigenten. Schwerlich aus
der Ansicht, die bei dem Engagement der Solisten und Virtuosen maßgebend
sein mag, daß neue Namen und Personen auf das Publicum eine erhöhete An¬
ziehungskraft ausüben, sondern weil die eigenthümliche geistige Anregung und
belebende Kraft, welche von dem Dirigenten ausgeht, solchen Massen gegen¬
über von ungewöhnlicher Frische und Energie sein müssen. So wohlthätig,
ja nothwendig bei musikalischen Instituten von regelmäßig fortlaufender Wirk¬
samkeit die stetige Tradition einer einheitlichen Direction sich erweist, so heilsam
ist für eine außerordentliche Veranlassung, bei der es auf eine rasche Ver¬
schmelzung großer Massen ankommt, die kräftigere Anregung, welche von einem
Dirigenten ausgeht, dem Achtung und Vertrauen der Mitwirkenden entgegen¬
kommen, ohne daß eine beiderseitige Gewöhnung ein bequemes Sichgehenlassen
zugibt. Die Wahl war auf Julius Nietz gefallen, der, früher während einer
Reihe von Jahren Musikdirector in Düsseldorf, dort und im Rheinland be¬
kannt und heimisch, ebenso gern der gastlichen Einladung zu diesem Ehrenposten
folgte, als man ihn dort freudig und herzlich empfing. Daß es für Ihren
Referenten eine besondere Genugthuung war, den befreundeten Meister, dessen
sichere Leitung er so oft mit Theilnahme und Befriedigung beobachtet hat,
einmal wieder am Dirigentenpult zu sehen, wissen Sie, und in einem Bericht,
der sich zunächst nach Leipzig wendet, ist eS überflüssig, sich weiter darüber aus¬
zulassen, wie sehr geeignet Rietz durch sein hervorragendes Directionsralent und
seine große Erfahrung und Sicherheit für die Leitung eines Musikfestes sei.
Er hat sich als Dirigent anch hier bewährt und an dem, was so erfreulich ge¬
lang, hat die energische Festigkeit und die anregende Frische seiner Direction den
wesentlichsten Antheil, während das meiste von dem, was minder befriedigend
auffiel, einer Sphäre angehört, in welcher sein Einfluß nicht maßgebend
sein konnte.

Den größten Schwierigkeiten ist immer das Engagement der Solisten un¬
terworfen; die Aufgabe, Sänger und Sängerinnen zu gewinnen, die durch
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[0491] Bei der Besetzung des Orchesters war man bemüht gewesen, die Blas- instrumente, welche voriges Jahr den Saiteninstrumenten nicht ganz eben¬ bürtig erschienen, zu verbessern,, auch war dies nicht ohne Erfolg geblieben. Die Saiteninstrumente dagegen standen dies Mal etwas zurück, ..wobei man freilich nicht vergessen darf, daß eine so überaus schone, in Kraft und Zartheit gleich wohlthuende Wirkung der Saiteninstrumente, wie man sie voriges Jahr in Düsseldorf hörte, in aller Welt selten vernommen wird und nur unter be¬ sonders günstigen Umständen erreicht werden konnte. Die Zahl der Geigen und Bratschen war etwas geringer, die Bässe waren — wol mit Rücksicht auf die Symphonie — verstärkt (27 Violvncelle und 16 Contrabässe). ' Nach einem, wie mir scheint, sehr richtigen Grundsatz wechselt man bei den Musikfesteu, wenn auch nicht regelmäßig, mit dem Dirigenten. Schwerlich aus der Ansicht, die bei dem Engagement der Solisten und Virtuosen maßgebend sein mag, daß neue Namen und Personen auf das Publicum eine erhöhete An¬ ziehungskraft ausüben, sondern weil die eigenthümliche geistige Anregung und belebende Kraft, welche von dem Dirigenten ausgeht, solchen Massen gegen¬ über von ungewöhnlicher Frische und Energie sein müssen. So wohlthätig, ja nothwendig bei musikalischen Instituten von regelmäßig fortlaufender Wirk¬ samkeit die stetige Tradition einer einheitlichen Direction sich erweist, so heilsam ist für eine außerordentliche Veranlassung, bei der es auf eine rasche Ver¬ schmelzung großer Massen ankommt, die kräftigere Anregung, welche von einem Dirigenten ausgeht, dem Achtung und Vertrauen der Mitwirkenden entgegen¬ kommen, ohne daß eine beiderseitige Gewöhnung ein bequemes Sichgehenlassen zugibt. Die Wahl war auf Julius Nietz gefallen, der, früher während einer Reihe von Jahren Musikdirector in Düsseldorf, dort und im Rheinland be¬ kannt und heimisch, ebenso gern der gastlichen Einladung zu diesem Ehrenposten folgte, als man ihn dort freudig und herzlich empfing. Daß es für Ihren Referenten eine besondere Genugthuung war, den befreundeten Meister, dessen sichere Leitung er so oft mit Theilnahme und Befriedigung beobachtet hat, einmal wieder am Dirigentenpult zu sehen, wissen Sie, und in einem Bericht, der sich zunächst nach Leipzig wendet, ist eS überflüssig, sich weiter darüber aus¬ zulassen, wie sehr geeignet Rietz durch sein hervorragendes Directionsralent und seine große Erfahrung und Sicherheit für die Leitung eines Musikfestes sei. Er hat sich als Dirigent anch hier bewährt und an dem, was so erfreulich ge¬ lang, hat die energische Festigkeit und die anregende Frische seiner Direction den wesentlichsten Antheil, während das meiste von dem, was minder befriedigend auffiel, einer Sphäre angehört, in welcher sein Einfluß nicht maßgebend sein konnte. Den größten Schwierigkeiten ist immer das Engagement der Solisten un¬ terworfen; die Aufgabe, Sänger und Sängerinnen zu gewinnen, die durch ' 61"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/491>, abgerufen am 21.06.2024.