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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Kämpfer für Pflicht und Baterland seine liebe Noth hat, wer möchte es den
Landsknechten verdenken, wenn sie für schwere Kriegsarbeit allzeit vollauf an
Essen und Trinken haben wollten? Sonst unerschrockene Regimenter verweiger¬
ten häufig Dienst und Zucht, wo Schmalhans Küchenmeister war; so konnten
die Deutschen in dem umlagerten Pavia nur mit List und Mühe bezähmt
werden und vergeblich zerbiß der Graf von Mansfeld sich die Nägel in Uvry:
hätte auch die geschossene Mauerlücke nicht so weit geklafft, er mußte die Grenz-'
feste von Lurembnrg dem Connetable von Frankreich öffnen, weil seine daheim
an derbe Kost gewöhnten Schwaben und Niedersachsen nicht Lust zeigten, sich
mit fastenden Magen vor der Bresche todtschießen zu lassen. -- In williger
Entbehrung haben andere Nationen Vorzüge, dafür läßt sich der Deutsche ehr¬
lich todtschlagen, so lange man Zusage hält und ihm wohl sein läßt.

Uebelstände schlimmer Natur zog sehr häufig die -Entlassung der Kriegs-
völker im fremden Sold nach sich, wenn Nichtbefolgung des kaiserlichen Ab-
berufungömandateS, das mit Acht und Galgen drohte, sie heimathlos gemacht
hatte; war Sold und Beute verzehrt und lief nicht neues Kriegsgeschrei um,
dann wehe Landstraße und Bauersmann! Die komische Seite dieser Erscheinung
hat Hans Sachs, in seinen Jugendjahren vielleicht selbst frommer Landsknecht,
in dem Schwank dargestellt, wie neun Landsknechte sich in den.Himmel
"hineingcgartet" haben, aber flugs zu spielen und gottlos zu lästern anfangen,
so daß Se. Petrus ihrer nur durch falschen Waffenlärm listig mietet los wer¬
den kann und seitdem keinen mehr hineingelassen hat. --

Aber wenn wir auch kein Gebrechen deutscher Natur und jener Zeit unserm
Auge entziehen wollen, immerhin können wir mit Freude und Stolz auf die
gmmthvolle Treuherzigkeit und mannhafte Streitbarkeit der frommen Lands¬
knechte zurückschauen! --




Das GnstsMunivchn.

Sei es uns vergönnt, in folgenden Zeilen eine Seite unsrer Bühnen-
zustände zu berühren, welche die gewöhnliche Ansicht als eine Glanzseite derselben
5U betrachten pflegt,' während sie doch Nähersehenden und Ernsterdenkcnden
in'abe als eine der schlimmsten Schattenseiten erscheinen muß. Wir meinen
d>> Sitte oder vielmehr Unsitte der endlosen Gastspiele. Unsre Betrachtungen
litten hier hauptsächlich dem Schauspiel, obwol sie auch in vielem aus die
^per angewandt werden könnten, wo dieser Krebsschaden kaum weniger zu
Tage tritt.

Lange und glanzvolle Zeiten hat unsre deutsche Schauspielkunst durchlebt,


Kämpfer für Pflicht und Baterland seine liebe Noth hat, wer möchte es den
Landsknechten verdenken, wenn sie für schwere Kriegsarbeit allzeit vollauf an
Essen und Trinken haben wollten? Sonst unerschrockene Regimenter verweiger¬
ten häufig Dienst und Zucht, wo Schmalhans Küchenmeister war; so konnten
die Deutschen in dem umlagerten Pavia nur mit List und Mühe bezähmt
werden und vergeblich zerbiß der Graf von Mansfeld sich die Nägel in Uvry:
hätte auch die geschossene Mauerlücke nicht so weit geklafft, er mußte die Grenz-'
feste von Lurembnrg dem Connetable von Frankreich öffnen, weil seine daheim
an derbe Kost gewöhnten Schwaben und Niedersachsen nicht Lust zeigten, sich
mit fastenden Magen vor der Bresche todtschießen zu lassen. — In williger
Entbehrung haben andere Nationen Vorzüge, dafür läßt sich der Deutsche ehr¬
lich todtschlagen, so lange man Zusage hält und ihm wohl sein läßt.

Uebelstände schlimmer Natur zog sehr häufig die -Entlassung der Kriegs-
völker im fremden Sold nach sich, wenn Nichtbefolgung des kaiserlichen Ab-
berufungömandateS, das mit Acht und Galgen drohte, sie heimathlos gemacht
hatte; war Sold und Beute verzehrt und lief nicht neues Kriegsgeschrei um,
dann wehe Landstraße und Bauersmann! Die komische Seite dieser Erscheinung
hat Hans Sachs, in seinen Jugendjahren vielleicht selbst frommer Landsknecht,
in dem Schwank dargestellt, wie neun Landsknechte sich in den.Himmel
„hineingcgartet" haben, aber flugs zu spielen und gottlos zu lästern anfangen,
so daß Se. Petrus ihrer nur durch falschen Waffenlärm listig mietet los wer¬
den kann und seitdem keinen mehr hineingelassen hat. —

Aber wenn wir auch kein Gebrechen deutscher Natur und jener Zeit unserm
Auge entziehen wollen, immerhin können wir mit Freude und Stolz auf die
gmmthvolle Treuherzigkeit und mannhafte Streitbarkeit der frommen Lands¬
knechte zurückschauen! —




Das GnstsMunivchn.

Sei es uns vergönnt, in folgenden Zeilen eine Seite unsrer Bühnen-
zustände zu berühren, welche die gewöhnliche Ansicht als eine Glanzseite derselben
5U betrachten pflegt,' während sie doch Nähersehenden und Ernsterdenkcnden
in'abe als eine der schlimmsten Schattenseiten erscheinen muß. Wir meinen
d>> Sitte oder vielmehr Unsitte der endlosen Gastspiele. Unsre Betrachtungen
litten hier hauptsächlich dem Schauspiel, obwol sie auch in vielem aus die
^per angewandt werden könnten, wo dieser Krebsschaden kaum weniger zu
Tage tritt.

Lange und glanzvolle Zeiten hat unsre deutsche Schauspielkunst durchlebt,


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[0469] Kämpfer für Pflicht und Baterland seine liebe Noth hat, wer möchte es den Landsknechten verdenken, wenn sie für schwere Kriegsarbeit allzeit vollauf an Essen und Trinken haben wollten? Sonst unerschrockene Regimenter verweiger¬ ten häufig Dienst und Zucht, wo Schmalhans Küchenmeister war; so konnten die Deutschen in dem umlagerten Pavia nur mit List und Mühe bezähmt werden und vergeblich zerbiß der Graf von Mansfeld sich die Nägel in Uvry: hätte auch die geschossene Mauerlücke nicht so weit geklafft, er mußte die Grenz-' feste von Lurembnrg dem Connetable von Frankreich öffnen, weil seine daheim an derbe Kost gewöhnten Schwaben und Niedersachsen nicht Lust zeigten, sich mit fastenden Magen vor der Bresche todtschießen zu lassen. — In williger Entbehrung haben andere Nationen Vorzüge, dafür läßt sich der Deutsche ehr¬ lich todtschlagen, so lange man Zusage hält und ihm wohl sein läßt. Uebelstände schlimmer Natur zog sehr häufig die -Entlassung der Kriegs- völker im fremden Sold nach sich, wenn Nichtbefolgung des kaiserlichen Ab- berufungömandateS, das mit Acht und Galgen drohte, sie heimathlos gemacht hatte; war Sold und Beute verzehrt und lief nicht neues Kriegsgeschrei um, dann wehe Landstraße und Bauersmann! Die komische Seite dieser Erscheinung hat Hans Sachs, in seinen Jugendjahren vielleicht selbst frommer Landsknecht, in dem Schwank dargestellt, wie neun Landsknechte sich in den.Himmel „hineingcgartet" haben, aber flugs zu spielen und gottlos zu lästern anfangen, so daß Se. Petrus ihrer nur durch falschen Waffenlärm listig mietet los wer¬ den kann und seitdem keinen mehr hineingelassen hat. — Aber wenn wir auch kein Gebrechen deutscher Natur und jener Zeit unserm Auge entziehen wollen, immerhin können wir mit Freude und Stolz auf die gmmthvolle Treuherzigkeit und mannhafte Streitbarkeit der frommen Lands¬ knechte zurückschauen! — Das GnstsMunivchn. Sei es uns vergönnt, in folgenden Zeilen eine Seite unsrer Bühnen- zustände zu berühren, welche die gewöhnliche Ansicht als eine Glanzseite derselben 5U betrachten pflegt,' während sie doch Nähersehenden und Ernsterdenkcnden in'abe als eine der schlimmsten Schattenseiten erscheinen muß. Wir meinen d>> Sitte oder vielmehr Unsitte der endlosen Gastspiele. Unsre Betrachtungen litten hier hauptsächlich dem Schauspiel, obwol sie auch in vielem aus die ^per angewandt werden könnten, wo dieser Krebsschaden kaum weniger zu Tage tritt. Lange und glanzvolle Zeiten hat unsre deutsche Schauspielkunst durchlebt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/469>, abgerufen am 21.06.2024.