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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Vorkommnisse nicht zu den Seltenheiten gehörten, doch mochte zu jener Zeit
auch der Kriegsmann mehr Veranlassung haben, für Verstümmlung und Alter
dnrch einen Beutepfennig zu sorgen. Aber gewöhnlich wards schnell wieder
durchgel'rächt in Spiel und Trunk, welche schon Tacitus als Erbübel der
Deutschen geschildert hat. Die Spielsucht, im noblen Leichtsinn der "geschwinden
Spieler in Karten und Würfeln" als böses Beispiel von "oben gegeben,
herrschte als ein ganz allgemeines Laster, mit Todtschlag und Aberglauben ver¬
mischt, ganzer Monatssold wurde in wenigen Wurfen auf der Trommel gewonnen
und verloren und fromme Gemüther haben sich mit Recht empört auch über
Kirchenschänderei und Gotteslästerung, w/lebe letztere überdies in dem abscheu¬
lichen Fluchen nicht wenig verübt und Gegenstand strafender Verordnungen
wurde.

Ein gar bequemes und liederliches Lagerleben, von dem knappen Feld-
hausbalt heutiger Soldaten sehr abstechend, brachte der altgermanische gemüth¬
liche Gebrauch mit sich, Weib und Kind und jegliches Leibesbedürsniß auch auf
Heerzügen mitzuschleppen, welcher in das damalige Kriegswesen als handwerks¬
mäßige Bethätigung bürgerlichen Lebens vollen Eingang fand. Schnell ein¬
gerichtete Märkte und ein ungeheurer Troß sorgten für alle Bequemlichkeit,
die bei damaligen Verkehrsverhältnissen auf der Wegfahrt nicht überall zu sin^
den sein mochte, und wenn auch das anziehende Gesinde! von Hurenweibeln
und "Numormeistern" gar hart behandelt und arg geschlagen ward, damit der
"faulen Schwengel und ^>um" nicht zu viele würden, so mag die Wirth¬
schaft doch toll genug gewesen sein. Bei keinem Lager durfte der Galgen feh¬
len, vor welchem Gerechtigkeitssymbvl selbst Kaiser Karl V. im Vorbeireiten
den Hut abzuziehen pflegte.

Bösartige Treulosigkeit, zur Ehre deutschen Namens sei es gesagt, kannten
- die Landsknechte nicht und wo sie rebelliren, ist ihre Widerspenstigkeit meisten-
theils -- aus dem Magen gekommen, welchen die Naivetät eines Märchen¬
buches überhaupt die Quelle alles Treibens und Uebels auf dieser Welt
nennt* 'Ohne Geld gab es keine Schweizer, ohne Geld keine Landsknechte,
und hungrigen Magen ist nirgend gut predigen. Charakterisier doch zwei
Jahrhunderte später Berenhorst den deutschen Soldaten so richtig, indem er
sagt: "Mir Reden ist beim deutschen Soldaten nichts auszurichten, noch weniger
ist er mit. Ambition zu kitzeln. Man gebe ihm gut Brot, Bier und Rind¬
fleisch in den Magen, Tabak in den kurzen Stummel, auf den Leib ein wohl¬
gefüttert Wams, an die Schenkel eine Tracht, die ihn nicht am Gehen hindert,
und auf den Kopf irgend etwas, das kein neumodischer Hut ist, - baun fühlt
er sich wohl in seiner Haut und thut, wie ihm geheißen wird." Und wen"
die eisern disciplintrten Truppen seiner Zeit dem geistreichen Beobachter diese
Aphorismen entlockten und man selbst mit der hungrigen Verdrossenheit der


Vorkommnisse nicht zu den Seltenheiten gehörten, doch mochte zu jener Zeit
auch der Kriegsmann mehr Veranlassung haben, für Verstümmlung und Alter
dnrch einen Beutepfennig zu sorgen. Aber gewöhnlich wards schnell wieder
durchgel'rächt in Spiel und Trunk, welche schon Tacitus als Erbübel der
Deutschen geschildert hat. Die Spielsucht, im noblen Leichtsinn der „geschwinden
Spieler in Karten und Würfeln" als böses Beispiel von "oben gegeben,
herrschte als ein ganz allgemeines Laster, mit Todtschlag und Aberglauben ver¬
mischt, ganzer Monatssold wurde in wenigen Wurfen auf der Trommel gewonnen
und verloren und fromme Gemüther haben sich mit Recht empört auch über
Kirchenschänderei und Gotteslästerung, w/lebe letztere überdies in dem abscheu¬
lichen Fluchen nicht wenig verübt und Gegenstand strafender Verordnungen
wurde.

Ein gar bequemes und liederliches Lagerleben, von dem knappen Feld-
hausbalt heutiger Soldaten sehr abstechend, brachte der altgermanische gemüth¬
liche Gebrauch mit sich, Weib und Kind und jegliches Leibesbedürsniß auch auf
Heerzügen mitzuschleppen, welcher in das damalige Kriegswesen als handwerks¬
mäßige Bethätigung bürgerlichen Lebens vollen Eingang fand. Schnell ein¬
gerichtete Märkte und ein ungeheurer Troß sorgten für alle Bequemlichkeit,
die bei damaligen Verkehrsverhältnissen auf der Wegfahrt nicht überall zu sin^
den sein mochte, und wenn auch das anziehende Gesinde! von Hurenweibeln
und „Numormeistern" gar hart behandelt und arg geschlagen ward, damit der
„faulen Schwengel und ^>um" nicht zu viele würden, so mag die Wirth¬
schaft doch toll genug gewesen sein. Bei keinem Lager durfte der Galgen feh¬
len, vor welchem Gerechtigkeitssymbvl selbst Kaiser Karl V. im Vorbeireiten
den Hut abzuziehen pflegte.

Bösartige Treulosigkeit, zur Ehre deutschen Namens sei es gesagt, kannten
- die Landsknechte nicht und wo sie rebelliren, ist ihre Widerspenstigkeit meisten-
theils — aus dem Magen gekommen, welchen die Naivetät eines Märchen¬
buches überhaupt die Quelle alles Treibens und Uebels auf dieser Welt
nennt* 'Ohne Geld gab es keine Schweizer, ohne Geld keine Landsknechte,
und hungrigen Magen ist nirgend gut predigen. Charakterisier doch zwei
Jahrhunderte später Berenhorst den deutschen Soldaten so richtig, indem er
sagt: „Mir Reden ist beim deutschen Soldaten nichts auszurichten, noch weniger
ist er mit. Ambition zu kitzeln. Man gebe ihm gut Brot, Bier und Rind¬
fleisch in den Magen, Tabak in den kurzen Stummel, auf den Leib ein wohl¬
gefüttert Wams, an die Schenkel eine Tracht, die ihn nicht am Gehen hindert,
und auf den Kopf irgend etwas, das kein neumodischer Hut ist, - baun fühlt
er sich wohl in seiner Haut und thut, wie ihm geheißen wird." Und wen»
die eisern disciplintrten Truppen seiner Zeit dem geistreichen Beobachter diese
Aphorismen entlockten und man selbst mit der hungrigen Verdrossenheit der


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[0468] Vorkommnisse nicht zu den Seltenheiten gehörten, doch mochte zu jener Zeit auch der Kriegsmann mehr Veranlassung haben, für Verstümmlung und Alter dnrch einen Beutepfennig zu sorgen. Aber gewöhnlich wards schnell wieder durchgel'rächt in Spiel und Trunk, welche schon Tacitus als Erbübel der Deutschen geschildert hat. Die Spielsucht, im noblen Leichtsinn der „geschwinden Spieler in Karten und Würfeln" als böses Beispiel von "oben gegeben, herrschte als ein ganz allgemeines Laster, mit Todtschlag und Aberglauben ver¬ mischt, ganzer Monatssold wurde in wenigen Wurfen auf der Trommel gewonnen und verloren und fromme Gemüther haben sich mit Recht empört auch über Kirchenschänderei und Gotteslästerung, w/lebe letztere überdies in dem abscheu¬ lichen Fluchen nicht wenig verübt und Gegenstand strafender Verordnungen wurde. Ein gar bequemes und liederliches Lagerleben, von dem knappen Feld- hausbalt heutiger Soldaten sehr abstechend, brachte der altgermanische gemüth¬ liche Gebrauch mit sich, Weib und Kind und jegliches Leibesbedürsniß auch auf Heerzügen mitzuschleppen, welcher in das damalige Kriegswesen als handwerks¬ mäßige Bethätigung bürgerlichen Lebens vollen Eingang fand. Schnell ein¬ gerichtete Märkte und ein ungeheurer Troß sorgten für alle Bequemlichkeit, die bei damaligen Verkehrsverhältnissen auf der Wegfahrt nicht überall zu sin^ den sein mochte, und wenn auch das anziehende Gesinde! von Hurenweibeln und „Numormeistern" gar hart behandelt und arg geschlagen ward, damit der „faulen Schwengel und ^>um" nicht zu viele würden, so mag die Wirth¬ schaft doch toll genug gewesen sein. Bei keinem Lager durfte der Galgen feh¬ len, vor welchem Gerechtigkeitssymbvl selbst Kaiser Karl V. im Vorbeireiten den Hut abzuziehen pflegte. Bösartige Treulosigkeit, zur Ehre deutschen Namens sei es gesagt, kannten - die Landsknechte nicht und wo sie rebelliren, ist ihre Widerspenstigkeit meisten- theils — aus dem Magen gekommen, welchen die Naivetät eines Märchen¬ buches überhaupt die Quelle alles Treibens und Uebels auf dieser Welt nennt* 'Ohne Geld gab es keine Schweizer, ohne Geld keine Landsknechte, und hungrigen Magen ist nirgend gut predigen. Charakterisier doch zwei Jahrhunderte später Berenhorst den deutschen Soldaten so richtig, indem er sagt: „Mir Reden ist beim deutschen Soldaten nichts auszurichten, noch weniger ist er mit. Ambition zu kitzeln. Man gebe ihm gut Brot, Bier und Rind¬ fleisch in den Magen, Tabak in den kurzen Stummel, auf den Leib ein wohl¬ gefüttert Wams, an die Schenkel eine Tracht, die ihn nicht am Gehen hindert, und auf den Kopf irgend etwas, das kein neumodischer Hut ist, - baun fühlt er sich wohl in seiner Haut und thut, wie ihm geheißen wird." Und wen» die eisern disciplintrten Truppen seiner Zeit dem geistreichen Beobachter diese Aphorismen entlockten und man selbst mit der hungrigen Verdrossenheit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/468>, abgerufen am 21.06.2024.