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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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fast ohne das Institut der Gastspiele zu kennen, Selten, daß einer unsrer
alten Meister ans fremden Bühnen in fremder Gesellschaft auftrat, Schröder
gastirte allerdings zur Zeit seines Engagements am damaligen Nationaltheater
zu Wien zweimal in Hamburg, allein sein Hauptzweck dabei war,' sein Andenken
in dem Ort, der die Wiege seines Ruhms gewesen, frisch zu erhalten und sich
die Möglichkeit einer einstigen Rückkehr zu bewahren, Schröder sah mit vor-
, ahnendem Blick, daß unter den, damaligen Verhältnissen seines Bleibens in
Wien nicht lange sein könne. Begannt ist aber, daß er auf einer andern
Kunstreise durch Deutschland alle und' jede Anerbietungen zu Gastspielen ab¬
wies. Späterhin suchte ihn Schiller für die erste Darstellung seines "Wallen¬
stein" in Weimar zu gewinnen, und forderte ihn sogar in dem Prolog zu
"Wallensteins Lager" öffentlich dazu auf--umsonst. Sicher wirkte bei diesem
ablehnenden Entschluß gegenüber einer so ehrenvollen Einladung Schröters
Einsicht mit, welche ihm die neu sich erhebende Periode der dramatischen Poesie
und darstellenden Kunst, die wir am besten als die "rhythmische" charakterisiren
können, als eine ihm fremde und unverständliche erscheinen ließ. Aber gewiß
sah Schröder auch mit seinem klaren Verständniß der Bedingungen einer wah¬
ren Kunst ein, daß zur Hebung derselben die Gastspiele niemals beitragen,' daß
in ihnen kein Heil liegt.

Iffland, ist eigentlich der erste, der die Unsitte begründete. Seine Zeit¬
genossen machten ihm den Vorwurf, daß er aus Eitelkeit und Sucht nach Bei¬
fall zu weit gehe, daß er durch, Vertheilung von Freibillets sich den, Beifall
erkaufe, und daß er sich auf seinen Gastspielreisen übermäßig anstrenge und
somit ruinire, Und doch schien das Publicum zu jener Zeit schon'sehr gnädig,
wenn es den Gast nach der ersten und letzten Vmstellung gleichsam zum Gruß
und zum Abschied -- hervorrief. Was würde Jffland wol in unsern Tagen
denken, in denen ein jeder Gast on)vie> gerufen, und der Enthusiasmus
vorsorglich uicht blos durch Freibillets, sondern anch durch sonstige reichliche
Spenden belebt und angefeuert werden muß? Eine jede Zeit hat freilich ihre
eigne Weise, nur ist es zu bedauern, daß man in diesem Fall der unsern nicht
den Vorzug geben kann.

ES wäre einseitig, wollten'wir mit einem Schlag alle Gastspiele verdammen,
und sie abgeschafft haben. Unser Kampf gilt nur der marktschreierischen Art,
mit der man diese Sitte mißbraucht, und bei der niemand 'weniger Vortheil hat,
als grade die Kunst, deren Princip man doch so großsprecherisch dabei an der
Stirne trägt.

Fühlt sich d.er Schauspieler nur einmal flügge, gleich kommt ihm auch die
Lust, in fremde Länder zu wandern. Die bedeutenderen Schauspieler haben ja
ohnehin contractlichen großen Urlaub,, und sind mehre Monate des Jahres
auf Gastspielreisen, um auch andern Unglücklichen die Wohlthat ihres Anblicks


fast ohne das Institut der Gastspiele zu kennen, Selten, daß einer unsrer
alten Meister ans fremden Bühnen in fremder Gesellschaft auftrat, Schröder
gastirte allerdings zur Zeit seines Engagements am damaligen Nationaltheater
zu Wien zweimal in Hamburg, allein sein Hauptzweck dabei war,' sein Andenken
in dem Ort, der die Wiege seines Ruhms gewesen, frisch zu erhalten und sich
die Möglichkeit einer einstigen Rückkehr zu bewahren, Schröder sah mit vor-
, ahnendem Blick, daß unter den, damaligen Verhältnissen seines Bleibens in
Wien nicht lange sein könne. Begannt ist aber, daß er auf einer andern
Kunstreise durch Deutschland alle und' jede Anerbietungen zu Gastspielen ab¬
wies. Späterhin suchte ihn Schiller für die erste Darstellung seines „Wallen¬
stein" in Weimar zu gewinnen, und forderte ihn sogar in dem Prolog zu
„Wallensteins Lager" öffentlich dazu auf—umsonst. Sicher wirkte bei diesem
ablehnenden Entschluß gegenüber einer so ehrenvollen Einladung Schröters
Einsicht mit, welche ihm die neu sich erhebende Periode der dramatischen Poesie
und darstellenden Kunst, die wir am besten als die „rhythmische" charakterisiren
können, als eine ihm fremde und unverständliche erscheinen ließ. Aber gewiß
sah Schröder auch mit seinem klaren Verständniß der Bedingungen einer wah¬
ren Kunst ein, daß zur Hebung derselben die Gastspiele niemals beitragen,' daß
in ihnen kein Heil liegt.

Iffland, ist eigentlich der erste, der die Unsitte begründete. Seine Zeit¬
genossen machten ihm den Vorwurf, daß er aus Eitelkeit und Sucht nach Bei¬
fall zu weit gehe, daß er durch, Vertheilung von Freibillets sich den, Beifall
erkaufe, und daß er sich auf seinen Gastspielreisen übermäßig anstrenge und
somit ruinire, Und doch schien das Publicum zu jener Zeit schon'sehr gnädig,
wenn es den Gast nach der ersten und letzten Vmstellung gleichsam zum Gruß
und zum Abschied — hervorrief. Was würde Jffland wol in unsern Tagen
denken, in denen ein jeder Gast on)vie> gerufen, und der Enthusiasmus
vorsorglich uicht blos durch Freibillets, sondern anch durch sonstige reichliche
Spenden belebt und angefeuert werden muß? Eine jede Zeit hat freilich ihre
eigne Weise, nur ist es zu bedauern, daß man in diesem Fall der unsern nicht
den Vorzug geben kann.

ES wäre einseitig, wollten'wir mit einem Schlag alle Gastspiele verdammen,
und sie abgeschafft haben. Unser Kampf gilt nur der marktschreierischen Art,
mit der man diese Sitte mißbraucht, und bei der niemand 'weniger Vortheil hat,
als grade die Kunst, deren Princip man doch so großsprecherisch dabei an der
Stirne trägt.

Fühlt sich d.er Schauspieler nur einmal flügge, gleich kommt ihm auch die
Lust, in fremde Länder zu wandern. Die bedeutenderen Schauspieler haben ja
ohnehin contractlichen großen Urlaub,, und sind mehre Monate des Jahres
auf Gastspielreisen, um auch andern Unglücklichen die Wohlthat ihres Anblicks


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/470>, abgerufen am 21.06.2024.