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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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sein eigen nennt. Die Poesie der Landsknechts in ihrer treuen und gemüth¬
lichen Verfassung, mit ihren guten Schwanken und fröhlichen Sängern, schuf
in unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Was erlebt, ward zum Lied und der Freund
echter deutscher Reimgedichte wird unter der dichterischen Hinterlassenschaft der
Landsknechte auch die "von der stat Pavia" zu finden wissen,

Krieg überhaupt aber ist ein leidenschaftliches, verwilderndes Element und der
Soldat allein, der, ein Held in der Schlacht, im Herzen Gott um Frieden bittet,
ist vor Ausartung bewahrt, welche uns darum bei den Landsknechten, die
ihn in nach Zeitbegriffen christlich erlaubtem Handwerk führten, nicht befremden
mag. Je lockender die Bedingungen," welche die Kriegsfürsten stellen mußten,
um so mehr nahm Gewinnsucht, Frechheit, Meuterei und Prasser zu, am
allerwenigsten bei den Anführern stand das Gelübde der Armuth im kriege¬
rischen Glaubensbekenntniß. Besonnene Berechnung, ob bei einem Unter¬
nehmen auch etwas Ansehnliches "hinter sich zu schlagen sei" war häufiger als
hochherzige Begeisterung, und wenn auch der edle Fnindsberg, zur Ehre seiner
Nation in den Krieg ziehend, über solchen Krämergeist erhaben war, so be-
sannew sich doch viele andre schon und nannten es eine glückliche Heimkehr,
wenn sie mit gefülltem Säckel und sonst guter Beute nach Hause zogen.
Ohne Scheu und Makel wurde'das "Finanzircn" geübt, dem darum die Für¬
sten eine schimpfliche Controle entgegenstellten, und die schmachvollen Betrü¬
gereien eidgenössischer Bandenchefs, den König täuschend, haben nicht wenig
Zur Niederlage von Pavia beigetragen. Solche Speculation würde uns an¬
widern als eine Ehrenrührigkeit, hätte nicht die Offenheit des Geständnisses
sie als einen, ganz unanstößigen Zeitbegriff festgestellt. Habgieriger Eigenwille
des' Kriegsvolks brach nicht selten schönen Unternehmen die Spitze ab/ wie bei
dem Sturm auf ein Schloß bei Vampelona die schwarzen Knechte den Ritter
Bayard zu schwerer Entrüstung gereizt haben sollen. Altes? Herkommen an¬
gebend, verweigerten'sie zu den Waffen zu greifen, ehe ihnen nicht .doppelter
Sold gezahlt würde, darauf ihnen der Ritter sagen ließ, daß er sich niemals
um ihren Brauch gekümmert, wenn sie aber ihre Sache br.av machten, sie an-
ständig zu belohnen wissen werde. Darauf machten sie -sich denn höchst ver¬
gossen ans Werk, richteten aber wenig aus, so daß die Homines d'armes nur
durch Kriegslist den Platz gewinnen konnten, hatten aber nichtsdestoweniger
d>'e Unverschämtheit, um Sturmsold anhalten zu lassen, darob der Chevalier in
schrecklichem Zorn entbrannte und jedem der Schufte einen Strick zum Hängen
^'sprechen ließ . . . Mag dieses Factum hinterdrein auch durch französische Ge-
^ichtschreiber entstellt und das arme Fußvolk zu entschuldigen sein, daß es
"'Hi ohne guten Lohn sein Leben zum nachherigen Ruhm der stolzen Ritter in
d'e Schanze schlagen wollte, so beweisen andrerseits die sehr ausdrücklichen Be-
Uünmungen der Artikelbriefe wegen Beute und Sturmsold, daß dergleichen'


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sein eigen nennt. Die Poesie der Landsknechts in ihrer treuen und gemüth¬
lichen Verfassung, mit ihren guten Schwanken und fröhlichen Sängern, schuf
in unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Was erlebt, ward zum Lied und der Freund
echter deutscher Reimgedichte wird unter der dichterischen Hinterlassenschaft der
Landsknechte auch die „von der stat Pavia" zu finden wissen,

Krieg überhaupt aber ist ein leidenschaftliches, verwilderndes Element und der
Soldat allein, der, ein Held in der Schlacht, im Herzen Gott um Frieden bittet,
ist vor Ausartung bewahrt, welche uns darum bei den Landsknechten, die
ihn in nach Zeitbegriffen christlich erlaubtem Handwerk führten, nicht befremden
mag. Je lockender die Bedingungen,» welche die Kriegsfürsten stellen mußten,
um so mehr nahm Gewinnsucht, Frechheit, Meuterei und Prasser zu, am
allerwenigsten bei den Anführern stand das Gelübde der Armuth im kriege¬
rischen Glaubensbekenntniß. Besonnene Berechnung, ob bei einem Unter¬
nehmen auch etwas Ansehnliches „hinter sich zu schlagen sei" war häufiger als
hochherzige Begeisterung, und wenn auch der edle Fnindsberg, zur Ehre seiner
Nation in den Krieg ziehend, über solchen Krämergeist erhaben war, so be-
sannew sich doch viele andre schon und nannten es eine glückliche Heimkehr,
wenn sie mit gefülltem Säckel und sonst guter Beute nach Hause zogen.
Ohne Scheu und Makel wurde'das „Finanzircn" geübt, dem darum die Für¬
sten eine schimpfliche Controle entgegenstellten, und die schmachvollen Betrü¬
gereien eidgenössischer Bandenchefs, den König täuschend, haben nicht wenig
Zur Niederlage von Pavia beigetragen. Solche Speculation würde uns an¬
widern als eine Ehrenrührigkeit, hätte nicht die Offenheit des Geständnisses
sie als einen, ganz unanstößigen Zeitbegriff festgestellt. Habgieriger Eigenwille
des' Kriegsvolks brach nicht selten schönen Unternehmen die Spitze ab/ wie bei
dem Sturm auf ein Schloß bei Vampelona die schwarzen Knechte den Ritter
Bayard zu schwerer Entrüstung gereizt haben sollen. Altes? Herkommen an¬
gebend, verweigerten'sie zu den Waffen zu greifen, ehe ihnen nicht .doppelter
Sold gezahlt würde, darauf ihnen der Ritter sagen ließ, daß er sich niemals
um ihren Brauch gekümmert, wenn sie aber ihre Sache br.av machten, sie an-
ständig zu belohnen wissen werde. Darauf machten sie -sich denn höchst ver¬
gossen ans Werk, richteten aber wenig aus, so daß die Homines d'armes nur
durch Kriegslist den Platz gewinnen konnten, hatten aber nichtsdestoweniger
d>'e Unverschämtheit, um Sturmsold anhalten zu lassen, darob der Chevalier in
schrecklichem Zorn entbrannte und jedem der Schufte einen Strick zum Hängen
^'sprechen ließ . . . Mag dieses Factum hinterdrein auch durch französische Ge-
^ichtschreiber entstellt und das arme Fußvolk zu entschuldigen sein, daß es
"'Hi ohne guten Lohn sein Leben zum nachherigen Ruhm der stolzen Ritter in
d'e Schanze schlagen wollte, so beweisen andrerseits die sehr ausdrücklichen Be-
Uünmungen der Artikelbriefe wegen Beute und Sturmsold, daß dergleichen'


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[0467] sein eigen nennt. Die Poesie der Landsknechts in ihrer treuen und gemüth¬ lichen Verfassung, mit ihren guten Schwanken und fröhlichen Sängern, schuf in unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Was erlebt, ward zum Lied und der Freund echter deutscher Reimgedichte wird unter der dichterischen Hinterlassenschaft der Landsknechte auch die „von der stat Pavia" zu finden wissen, Krieg überhaupt aber ist ein leidenschaftliches, verwilderndes Element und der Soldat allein, der, ein Held in der Schlacht, im Herzen Gott um Frieden bittet, ist vor Ausartung bewahrt, welche uns darum bei den Landsknechten, die ihn in nach Zeitbegriffen christlich erlaubtem Handwerk führten, nicht befremden mag. Je lockender die Bedingungen,» welche die Kriegsfürsten stellen mußten, um so mehr nahm Gewinnsucht, Frechheit, Meuterei und Prasser zu, am allerwenigsten bei den Anführern stand das Gelübde der Armuth im kriege¬ rischen Glaubensbekenntniß. Besonnene Berechnung, ob bei einem Unter¬ nehmen auch etwas Ansehnliches „hinter sich zu schlagen sei" war häufiger als hochherzige Begeisterung, und wenn auch der edle Fnindsberg, zur Ehre seiner Nation in den Krieg ziehend, über solchen Krämergeist erhaben war, so be- sannew sich doch viele andre schon und nannten es eine glückliche Heimkehr, wenn sie mit gefülltem Säckel und sonst guter Beute nach Hause zogen. Ohne Scheu und Makel wurde'das „Finanzircn" geübt, dem darum die Für¬ sten eine schimpfliche Controle entgegenstellten, und die schmachvollen Betrü¬ gereien eidgenössischer Bandenchefs, den König täuschend, haben nicht wenig Zur Niederlage von Pavia beigetragen. Solche Speculation würde uns an¬ widern als eine Ehrenrührigkeit, hätte nicht die Offenheit des Geständnisses sie als einen, ganz unanstößigen Zeitbegriff festgestellt. Habgieriger Eigenwille des' Kriegsvolks brach nicht selten schönen Unternehmen die Spitze ab/ wie bei dem Sturm auf ein Schloß bei Vampelona die schwarzen Knechte den Ritter Bayard zu schwerer Entrüstung gereizt haben sollen. Altes? Herkommen an¬ gebend, verweigerten'sie zu den Waffen zu greifen, ehe ihnen nicht .doppelter Sold gezahlt würde, darauf ihnen der Ritter sagen ließ, daß er sich niemals um ihren Brauch gekümmert, wenn sie aber ihre Sache br.av machten, sie an- ständig zu belohnen wissen werde. Darauf machten sie -sich denn höchst ver¬ gossen ans Werk, richteten aber wenig aus, so daß die Homines d'armes nur durch Kriegslist den Platz gewinnen konnten, hatten aber nichtsdestoweniger d>'e Unverschämtheit, um Sturmsold anhalten zu lassen, darob der Chevalier in schrecklichem Zorn entbrannte und jedem der Schufte einen Strick zum Hängen ^'sprechen ließ . . . Mag dieses Factum hinterdrein auch durch französische Ge- ^ichtschreiber entstellt und das arme Fußvolk zu entschuldigen sein, daß es "'Hi ohne guten Lohn sein Leben zum nachherigen Ruhm der stolzen Ritter in d'e Schanze schlagen wollte, so beweisen andrerseits die sehr ausdrücklichen Be- Uünmungen der Artikelbriefe wegen Beute und Sturmsold, daß dergleichen' S8 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/467>, abgerufen am 21.06.2024.