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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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sich aus Furcht vor den Stückkugeln niederstrecken lassen. -- Vor der Schlacht
von Pavia sehen wir das Kriegsvolk zur Beichte gehen, und Herr George von
Frundeberg hat gar eine Mönchskutte über die Rüstung gezogen, als ein
frommes Stcrbekleid,, indem er seine braven Knechte vor den Feind führt. --
Vom fußfälligen Gebete aufgestanden, warf nach uralter Kriegssitte das Re¬
giment Erdschollen hinter sich und schüttelte den Staub von Wams und Schu¬
hen, gleichsam als entledige eS sich alles Schlechten und weihe sich dem Schlach¬
tentode, damit es aber auch an irdischem Zuspruch nicht gebrechen möchte, so
riefen die Hciuptleute in freundlichen lind bittenden Worten ihre Knechte aus,
>des alten deutschen Waffenruhms eingedenk zu sein und sich tapfer zu schlagen,
ein Gebrauch, den würdigen mag, wem je in Feindes Angesicht Fleisch und
Bein erbebte und das Herz nach Muth rang. Also redete Herr Philipp von
Freiberg vor dem Sturme auf Brescia <-Isi2) seine deutschen Streiter an:
"Lieben Landsknechte und Brüder, die Franzosen haben beschlossen, Briren zu,
stürmen und hoffen es durch Eure Mannhaftigkeit zu zwingen, deshalb ermahne
ich euch denn, daß ihr eures alten Lobes und deutscher Tapferkeit ein.gedenk
seiet und euch festiglich und standhaft daran macht. Der Prinz und alle Edel¬
leute Frankreichs sind gewillt, entweder mit uns zu sterben oder den Sieg zu
erringen.- Wer also von euch dieses Sinnes und Vorsatzes ist, der hebe des
zum Zeichen die Hand auf, die übrigen aber treten aus dem Ringe." Da
'hoben alle Knechte freudig die Hand auf, schrien einmüthig: "sterben oder die
Stadt gewinnen!" und jeder schnitt mit dem Messer Kerben in den von langem
Gebrauch geglätteten Spieß, damit er ihn besser fassen könne. Und als darauf
gute Beute verheißen wurde, machte so ausdrückliche Vergünstigung die armen
Landsknechte noch freudiger und jeder hoffte an dem Tage reich zu werden.

Die Schlacht eröffnete das Krachen des schweren Geschützes und die vor¬
aneilender Läufer, von den Franzosen gar kläglich cmlAlUs perclus genannt,
dann stürzten Reiter auf Reiter, und wenn die Zeit gekommen, "druckte" in
mggeschränktem, undurchbrcchbarem Viereck durch die .Lücken der helle Haufe
"ach, indem die fünstaktig scharf abgesetzten Trommelschlägc: Hüt dich Baur,
ich komm" und der laute Schlachtruf: "Her, her" -- andern hatten die Deut¬
schen nicht -- das Gemüth zur Kühnheit stimmten. So ging es, die Herz¬
haftesten vordrängend, auf den Feind los zum blutigen Ringen Mann an
Mann; blutig wie allemal der persönliche Kampf, zumal mit rohen Waffen, ist
während das Schußgcfecht, wenn auch mit allem Graus sinnlicher Eindrücke
die Einbildungskraft erschütternd, viel weniger Menschen opfert. -- Aber noch
che die Schaaren aneinanderstießen, ereigneten sich vor der Front mitunter
Scenen, welche an die schönsten Tage des Römerthums und der Ritterblüte
"innern, die Einzelnkämpfe der Hauptleute auf den Tummelplätzen aller
kühnen Waghälse. So vor der Mordschlacht von Ravenna, für welche die


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sich aus Furcht vor den Stückkugeln niederstrecken lassen. — Vor der Schlacht
von Pavia sehen wir das Kriegsvolk zur Beichte gehen, und Herr George von
Frundeberg hat gar eine Mönchskutte über die Rüstung gezogen, als ein
frommes Stcrbekleid,, indem er seine braven Knechte vor den Feind führt. —
Vom fußfälligen Gebete aufgestanden, warf nach uralter Kriegssitte das Re¬
giment Erdschollen hinter sich und schüttelte den Staub von Wams und Schu¬
hen, gleichsam als entledige eS sich alles Schlechten und weihe sich dem Schlach¬
tentode, damit es aber auch an irdischem Zuspruch nicht gebrechen möchte, so
riefen die Hciuptleute in freundlichen lind bittenden Worten ihre Knechte aus,
>des alten deutschen Waffenruhms eingedenk zu sein und sich tapfer zu schlagen,
ein Gebrauch, den würdigen mag, wem je in Feindes Angesicht Fleisch und
Bein erbebte und das Herz nach Muth rang. Also redete Herr Philipp von
Freiberg vor dem Sturme auf Brescia <-Isi2) seine deutschen Streiter an:
„Lieben Landsknechte und Brüder, die Franzosen haben beschlossen, Briren zu,
stürmen und hoffen es durch Eure Mannhaftigkeit zu zwingen, deshalb ermahne
ich euch denn, daß ihr eures alten Lobes und deutscher Tapferkeit ein.gedenk
seiet und euch festiglich und standhaft daran macht. Der Prinz und alle Edel¬
leute Frankreichs sind gewillt, entweder mit uns zu sterben oder den Sieg zu
erringen.- Wer also von euch dieses Sinnes und Vorsatzes ist, der hebe des
zum Zeichen die Hand auf, die übrigen aber treten aus dem Ringe." Da
'hoben alle Knechte freudig die Hand auf, schrien einmüthig: „sterben oder die
Stadt gewinnen!" und jeder schnitt mit dem Messer Kerben in den von langem
Gebrauch geglätteten Spieß, damit er ihn besser fassen könne. Und als darauf
gute Beute verheißen wurde, machte so ausdrückliche Vergünstigung die armen
Landsknechte noch freudiger und jeder hoffte an dem Tage reich zu werden.

Die Schlacht eröffnete das Krachen des schweren Geschützes und die vor¬
aneilender Läufer, von den Franzosen gar kläglich cmlAlUs perclus genannt,
dann stürzten Reiter auf Reiter, und wenn die Zeit gekommen, „druckte" in
mggeschränktem, undurchbrcchbarem Viereck durch die .Lücken der helle Haufe
»ach, indem die fünstaktig scharf abgesetzten Trommelschlägc: Hüt dich Baur,
ich komm" und der laute Schlachtruf: „Her, her" — andern hatten die Deut¬
schen nicht — das Gemüth zur Kühnheit stimmten. So ging es, die Herz¬
haftesten vordrängend, auf den Feind los zum blutigen Ringen Mann an
Mann; blutig wie allemal der persönliche Kampf, zumal mit rohen Waffen, ist
während das Schußgcfecht, wenn auch mit allem Graus sinnlicher Eindrücke
die Einbildungskraft erschütternd, viel weniger Menschen opfert. — Aber noch
che die Schaaren aneinanderstießen, ereigneten sich vor der Front mitunter
Scenen, welche an die schönsten Tage des Römerthums und der Ritterblüte
"innern, die Einzelnkämpfe der Hauptleute auf den Tummelplätzen aller
kühnen Waghälse. So vor der Mordschlacht von Ravenna, für welche die


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[0465] sich aus Furcht vor den Stückkugeln niederstrecken lassen. — Vor der Schlacht von Pavia sehen wir das Kriegsvolk zur Beichte gehen, und Herr George von Frundeberg hat gar eine Mönchskutte über die Rüstung gezogen, als ein frommes Stcrbekleid,, indem er seine braven Knechte vor den Feind führt. — Vom fußfälligen Gebete aufgestanden, warf nach uralter Kriegssitte das Re¬ giment Erdschollen hinter sich und schüttelte den Staub von Wams und Schu¬ hen, gleichsam als entledige eS sich alles Schlechten und weihe sich dem Schlach¬ tentode, damit es aber auch an irdischem Zuspruch nicht gebrechen möchte, so riefen die Hciuptleute in freundlichen lind bittenden Worten ihre Knechte aus, >des alten deutschen Waffenruhms eingedenk zu sein und sich tapfer zu schlagen, ein Gebrauch, den würdigen mag, wem je in Feindes Angesicht Fleisch und Bein erbebte und das Herz nach Muth rang. Also redete Herr Philipp von Freiberg vor dem Sturme auf Brescia <-Isi2) seine deutschen Streiter an: „Lieben Landsknechte und Brüder, die Franzosen haben beschlossen, Briren zu, stürmen und hoffen es durch Eure Mannhaftigkeit zu zwingen, deshalb ermahne ich euch denn, daß ihr eures alten Lobes und deutscher Tapferkeit ein.gedenk seiet und euch festiglich und standhaft daran macht. Der Prinz und alle Edel¬ leute Frankreichs sind gewillt, entweder mit uns zu sterben oder den Sieg zu erringen.- Wer also von euch dieses Sinnes und Vorsatzes ist, der hebe des zum Zeichen die Hand auf, die übrigen aber treten aus dem Ringe." Da 'hoben alle Knechte freudig die Hand auf, schrien einmüthig: „sterben oder die Stadt gewinnen!" und jeder schnitt mit dem Messer Kerben in den von langem Gebrauch geglätteten Spieß, damit er ihn besser fassen könne. Und als darauf gute Beute verheißen wurde, machte so ausdrückliche Vergünstigung die armen Landsknechte noch freudiger und jeder hoffte an dem Tage reich zu werden. Die Schlacht eröffnete das Krachen des schweren Geschützes und die vor¬ aneilender Läufer, von den Franzosen gar kläglich cmlAlUs perclus genannt, dann stürzten Reiter auf Reiter, und wenn die Zeit gekommen, „druckte" in mggeschränktem, undurchbrcchbarem Viereck durch die .Lücken der helle Haufe »ach, indem die fünstaktig scharf abgesetzten Trommelschlägc: Hüt dich Baur, ich komm" und der laute Schlachtruf: „Her, her" — andern hatten die Deut¬ schen nicht — das Gemüth zur Kühnheit stimmten. So ging es, die Herz¬ haftesten vordrängend, auf den Feind los zum blutigen Ringen Mann an Mann; blutig wie allemal der persönliche Kampf, zumal mit rohen Waffen, ist während das Schußgcfecht, wenn auch mit allem Graus sinnlicher Eindrücke die Einbildungskraft erschütternd, viel weniger Menschen opfert. — Aber noch che die Schaaren aneinanderstießen, ereigneten sich vor der Front mitunter Scenen, welche an die schönsten Tage des Römerthums und der Ritterblüte "innern, die Einzelnkämpfe der Hauptleute auf den Tummelplätzen aller kühnen Waghälse. So vor der Mordschlacht von Ravenna, für welche die Grelizbor^l. it. >l8ü6. Ü8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/465>, abgerufen am 21.06.2024.