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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Werkzeuge und Kleider in Petticoat Lane Zungen hätten, sie würden manche
Geschichte unbekannten Leidens und manches Verbrechen erzählen. Wer da
weiß, was ein Handwerker aushält, ehe er sich von seinen Werkzeugen trennt,
die ihm gleichsam ein anderes Paar Hände sind, wird daran nicht zweifeln,
sich diese Geschichte vielleicht selbst erzählen. Er wird sich auch die von jenen
Kinderschuhen und von dem Herzeleid erzählen, das die Mutter empfand, als
sie von den kleinen Füßen gezogen wurden, um für den Erlös eine Mahlzeit
für die hungernde Familie oder ein Glas Gin für den durstigen Bater zu
kaufen. Und er ahnt vielleicht auch die Geschichte jenes seidnen Taschentuchs,
dessen da, aus dessen Ecke soeben Zeichen und Nummer getrennt worden ist.
Ist der Bursche, der es gestohlen und an den Juden für ein Viertel des
Werths verkauft hat, den jetzt der darauf gesteckte Zettel angibt, etwa aus
einer der unglücklichen Familien, die zu diesem Haufen alter Möbel ihren
Beitrag lieferten? Oder war er von Natur ein Taugenichts -- 'einer von
denen, welche Carlyle todtschießen und in die Kehrichtgruben kehren lassen
möchte?

Dort an der Ecke eines der Höfe, weiter oben in der Gasse, steht eine
Gruppe von Knaben, die begierig einem Kameraden über die Schulter schauen,
welcher einige silberne Löffel vorzeigt. Der Jude, welcher sie kauft, ist ein
regelmäßiger Besucher.der Synagoge und trägt die Gesetze Mosis auf bloßem
Leibe. Aber er fragt nicht, woher, und hat stets einen SchMelztiegel auf dem
Feuer stehen. Seine Töchter sehen wie indianische Götzen, ganz Gold und
Schmuz aus, aber nächsten Sabbath wird man sie im Stil der neuesten Mode
durch Aldgate paradiren sehen. Der Alte wird Null) und Rachel Tonnen
Goldes hinterlassen, wenn er stirbt, um sich, wie er hofft, in Abrahams Schoß
zu setzen.

Und jetzt wird der Leser sich klar sein, wer in Petticoat Lane die gebra¬
tenen Fische, die künstlichen Blumen und die Juwelen kauft, die außer dein
Gerümpel und Trödel zum Verkauf ausgestellt sind.




Die frommen deutsche" Landsknechte.

(Schluß ans Ur. 23.)

Die Vorbereitung zur Schlacht war der frommen Landsknechte würdig,
denn unverbrüchlich beobachtete das deutsche Fußvolk die Sitte, niederzufallen,
um-das Gebet zu verrichte", auch wol ein geistliches Lied anzustimmen, eine
fromme Gewohnheit, welche den Ausländern so seltsam erschien, daß sie >"
ihren Schriften die Deutschen bald einen willen Schlachrgesang anheben, halv


Werkzeuge und Kleider in Petticoat Lane Zungen hätten, sie würden manche
Geschichte unbekannten Leidens und manches Verbrechen erzählen. Wer da
weiß, was ein Handwerker aushält, ehe er sich von seinen Werkzeugen trennt,
die ihm gleichsam ein anderes Paar Hände sind, wird daran nicht zweifeln,
sich diese Geschichte vielleicht selbst erzählen. Er wird sich auch die von jenen
Kinderschuhen und von dem Herzeleid erzählen, das die Mutter empfand, als
sie von den kleinen Füßen gezogen wurden, um für den Erlös eine Mahlzeit
für die hungernde Familie oder ein Glas Gin für den durstigen Bater zu
kaufen. Und er ahnt vielleicht auch die Geschichte jenes seidnen Taschentuchs,
dessen da, aus dessen Ecke soeben Zeichen und Nummer getrennt worden ist.
Ist der Bursche, der es gestohlen und an den Juden für ein Viertel des
Werths verkauft hat, den jetzt der darauf gesteckte Zettel angibt, etwa aus
einer der unglücklichen Familien, die zu diesem Haufen alter Möbel ihren
Beitrag lieferten? Oder war er von Natur ein Taugenichts — 'einer von
denen, welche Carlyle todtschießen und in die Kehrichtgruben kehren lassen
möchte?

Dort an der Ecke eines der Höfe, weiter oben in der Gasse, steht eine
Gruppe von Knaben, die begierig einem Kameraden über die Schulter schauen,
welcher einige silberne Löffel vorzeigt. Der Jude, welcher sie kauft, ist ein
regelmäßiger Besucher.der Synagoge und trägt die Gesetze Mosis auf bloßem
Leibe. Aber er fragt nicht, woher, und hat stets einen SchMelztiegel auf dem
Feuer stehen. Seine Töchter sehen wie indianische Götzen, ganz Gold und
Schmuz aus, aber nächsten Sabbath wird man sie im Stil der neuesten Mode
durch Aldgate paradiren sehen. Der Alte wird Null) und Rachel Tonnen
Goldes hinterlassen, wenn er stirbt, um sich, wie er hofft, in Abrahams Schoß
zu setzen.

Und jetzt wird der Leser sich klar sein, wer in Petticoat Lane die gebra¬
tenen Fische, die künstlichen Blumen und die Juwelen kauft, die außer dein
Gerümpel und Trödel zum Verkauf ausgestellt sind.




Die frommen deutsche» Landsknechte.

(Schluß ans Ur. 23.)

Die Vorbereitung zur Schlacht war der frommen Landsknechte würdig,
denn unverbrüchlich beobachtete das deutsche Fußvolk die Sitte, niederzufallen,
um-das Gebet zu verrichte«, auch wol ein geistliches Lied anzustimmen, eine
fromme Gewohnheit, welche den Ausländern so seltsam erschien, daß sie >"
ihren Schriften die Deutschen bald einen willen Schlachrgesang anheben, halv


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[0464] Werkzeuge und Kleider in Petticoat Lane Zungen hätten, sie würden manche Geschichte unbekannten Leidens und manches Verbrechen erzählen. Wer da weiß, was ein Handwerker aushält, ehe er sich von seinen Werkzeugen trennt, die ihm gleichsam ein anderes Paar Hände sind, wird daran nicht zweifeln, sich diese Geschichte vielleicht selbst erzählen. Er wird sich auch die von jenen Kinderschuhen und von dem Herzeleid erzählen, das die Mutter empfand, als sie von den kleinen Füßen gezogen wurden, um für den Erlös eine Mahlzeit für die hungernde Familie oder ein Glas Gin für den durstigen Bater zu kaufen. Und er ahnt vielleicht auch die Geschichte jenes seidnen Taschentuchs, dessen da, aus dessen Ecke soeben Zeichen und Nummer getrennt worden ist. Ist der Bursche, der es gestohlen und an den Juden für ein Viertel des Werths verkauft hat, den jetzt der darauf gesteckte Zettel angibt, etwa aus einer der unglücklichen Familien, die zu diesem Haufen alter Möbel ihren Beitrag lieferten? Oder war er von Natur ein Taugenichts — 'einer von denen, welche Carlyle todtschießen und in die Kehrichtgruben kehren lassen möchte? Dort an der Ecke eines der Höfe, weiter oben in der Gasse, steht eine Gruppe von Knaben, die begierig einem Kameraden über die Schulter schauen, welcher einige silberne Löffel vorzeigt. Der Jude, welcher sie kauft, ist ein regelmäßiger Besucher.der Synagoge und trägt die Gesetze Mosis auf bloßem Leibe. Aber er fragt nicht, woher, und hat stets einen SchMelztiegel auf dem Feuer stehen. Seine Töchter sehen wie indianische Götzen, ganz Gold und Schmuz aus, aber nächsten Sabbath wird man sie im Stil der neuesten Mode durch Aldgate paradiren sehen. Der Alte wird Null) und Rachel Tonnen Goldes hinterlassen, wenn er stirbt, um sich, wie er hofft, in Abrahams Schoß zu setzen. Und jetzt wird der Leser sich klar sein, wer in Petticoat Lane die gebra¬ tenen Fische, die künstlichen Blumen und die Juwelen kauft, die außer dein Gerümpel und Trödel zum Verkauf ausgestellt sind. Die frommen deutsche» Landsknechte. (Schluß ans Ur. 23.) Die Vorbereitung zur Schlacht war der frommen Landsknechte würdig, denn unverbrüchlich beobachtete das deutsche Fußvolk die Sitte, niederzufallen, um-das Gebet zu verrichte«, auch wol ein geistliches Lied anzustimmen, eine fromme Gewohnheit, welche den Ausländern so seltsam erschien, daß sie >" ihren Schriften die Deutschen bald einen willen Schlachrgesang anheben, halv

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/464>, abgerufen am 21.06.2024.