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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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läuft zu beiden Seiten herunter, während ein Knabe neben ihm, der "Un¬
bändig große Birnen, acht, für einen Penny" aufschreit, sein Kerzchen mit
einer dicken Rolle Löschpapier umgeben hat, welches im Winde aufflackert.
Einige Verkaufsstände sind dunkelroth beschienen von dem Kohlenfeuer, welches
durch die Löcher eines eisernen Ofen scheint, in dem Maronen geröstet werden,
andere beleuchtet eine hübsche achteckige Laterne, wieder in andern scheint das
Licht durch^ ein Sieb. Diese und die hellstrahlenden Glaskugeln in den L^aber
der Theehändler und die Gaslichter der Fleischerladen, die im Winde wie
feurige Flaggen wehen, strömen eine solche Fülle von Licht aus, daß in ei¬
niger Entfernung die Atmosphäre unmittelbar über der Stelle aussieht, als ob
die'Straße in Feuer stünde.

' Trottoir und Pflaster sind mit Menschenmassen bedeckt. Die Hausfrau
mit dem dicken Umschlagtuch und dem Marktkorb am Arme schreitet langsam
dahin, und sieht sich hier an einem Tische mit Mützen um und feilscht dort
um ein Bündel Grünwaare. Kleine Knaben mit'drei oder vier Zwiebeln in der.
Hand kriechen zwischen den Leuten durch, schlüpfen durch jede Lücke im Ge¬
dränge und bitten in winselnden Tone, als ob sie ein Almosen haben wollten,
ihnen etwas abzukaufen.

Überwältigend ist der Tumult der tausend Stimmen, die alle zugleich
ihre Waaren ausbieien. "Wieder was verkauft!" brüllt der eine. "Gebratene
Kastanien, ganz heiß!" blöke ein.andrer. "Einen Halfpenny die Schachtel!
Wichse!" kreischt ein Knabe. Kauft, kauft, kauft --ka--a--use!" ruft der
Fleischer. "Ein halbes Buch Papier für 'neu Penny!" schreit der Papier¬
händler der Straße. "Zwei Pence daS Pfund Trauben!" -- "Drei für 'neu
Perro, Aarmouther Windbeutel!" -- "Wer will 'nen Damenhut für vier
Pence kaufen?" -- "Hier wird billig gekauft, drei paar für 'neu Halfpenny,
Schnürsenkel!" -- "Jetzt ist gute Gelegenheit zu kaufen, wunderschöne Trom¬
petenschnecken, das Dutzend 'nen Penny!" "Hier gibts Törtchen!" schreit
der wandernde Konditor. Und so geht das babylonische Stimmengewirr weiter-

Da steht e^mer, dem über den Rücken und die Brust Matten mit rothen
Rändern hängen, wie das Oberkleid eines Herolds. Neben ihm schreit el"
Mädchen mit braungebeizten Händen: "Wallnüsse, schöne Wallnüsse, sechzehn
für 'nen Penny" aus. Einen der benachbarten Läden hat sein Besitzer, ein
Schuhmacher, um Kunden herbeizulocken, mit einem Dutzend Gasflammen illu-
minirt, und. in deren vollem Glänze lehnt ein blinder Bettler, der nnr das
Weiße von den Augen sehen läßt und einige Bettelreime.murmelt, die in den
schrillen Klängen eines Musikanten verloren gehn, der neben ihm die Bambus-
stöte bläst. Das scharfe Gekreisch der Knaben, das heisere Schreien der
Weiber, das Gebrüll der Männer mischen sich alle in ein wüstes Durchein¬
ander. Bisweilen läßt ein irischer Höker seinen Schrei "do'v' ittinss "Mich!"


läuft zu beiden Seiten herunter, während ein Knabe neben ihm, der „Un¬
bändig große Birnen, acht, für einen Penny" aufschreit, sein Kerzchen mit
einer dicken Rolle Löschpapier umgeben hat, welches im Winde aufflackert.
Einige Verkaufsstände sind dunkelroth beschienen von dem Kohlenfeuer, welches
durch die Löcher eines eisernen Ofen scheint, in dem Maronen geröstet werden,
andere beleuchtet eine hübsche achteckige Laterne, wieder in andern scheint das
Licht durch^ ein Sieb. Diese und die hellstrahlenden Glaskugeln in den L^aber
der Theehändler und die Gaslichter der Fleischerladen, die im Winde wie
feurige Flaggen wehen, strömen eine solche Fülle von Licht aus, daß in ei¬
niger Entfernung die Atmosphäre unmittelbar über der Stelle aussieht, als ob
die'Straße in Feuer stünde.

' Trottoir und Pflaster sind mit Menschenmassen bedeckt. Die Hausfrau
mit dem dicken Umschlagtuch und dem Marktkorb am Arme schreitet langsam
dahin, und sieht sich hier an einem Tische mit Mützen um und feilscht dort
um ein Bündel Grünwaare. Kleine Knaben mit'drei oder vier Zwiebeln in der.
Hand kriechen zwischen den Leuten durch, schlüpfen durch jede Lücke im Ge¬
dränge und bitten in winselnden Tone, als ob sie ein Almosen haben wollten,
ihnen etwas abzukaufen.

Überwältigend ist der Tumult der tausend Stimmen, die alle zugleich
ihre Waaren ausbieien. „Wieder was verkauft!" brüllt der eine. „Gebratene
Kastanien, ganz heiß!" blöke ein.andrer. „Einen Halfpenny die Schachtel!
Wichse!" kreischt ein Knabe. Kauft, kauft, kauft —ka—a—use!" ruft der
Fleischer. „Ein halbes Buch Papier für 'neu Penny!" schreit der Papier¬
händler der Straße. „Zwei Pence daS Pfund Trauben!" — „Drei für 'neu
Perro, Aarmouther Windbeutel!" — „Wer will 'nen Damenhut für vier
Pence kaufen?" — „Hier wird billig gekauft, drei paar für 'neu Halfpenny,
Schnürsenkel!" — „Jetzt ist gute Gelegenheit zu kaufen, wunderschöne Trom¬
petenschnecken, das Dutzend 'nen Penny!" „Hier gibts Törtchen!" schreit
der wandernde Konditor. Und so geht das babylonische Stimmengewirr weiter-

Da steht e^mer, dem über den Rücken und die Brust Matten mit rothen
Rändern hängen, wie das Oberkleid eines Herolds. Neben ihm schreit el»
Mädchen mit braungebeizten Händen: „Wallnüsse, schöne Wallnüsse, sechzehn
für 'nen Penny" aus. Einen der benachbarten Läden hat sein Besitzer, ein
Schuhmacher, um Kunden herbeizulocken, mit einem Dutzend Gasflammen illu-
minirt, und. in deren vollem Glänze lehnt ein blinder Bettler, der nnr das
Weiße von den Augen sehen läßt und einige Bettelreime.murmelt, die in den
schrillen Klängen eines Musikanten verloren gehn, der neben ihm die Bambus-
stöte bläst. Das scharfe Gekreisch der Knaben, das heisere Schreien der
Weiber, das Gebrüll der Männer mischen sich alle in ein wüstes Durchein¬
ander. Bisweilen läßt ein irischer Höker seinen Schrei „do'v' ittinss »Mich!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/460>, abgerufen am 21.06.2024.