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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Machen wir uns dann nach Chancery Lane auf und haben wir dort auf
die schwarzbefrackte Welt Acht, die mit Actenbündeln zusammengebunden mit
rothem Bande in den Händen sich hin und her bewegt. Beobachten wir die
mit einem kleinen Katalog von Namen versehenen weit offenstehenden Haus¬
thüren, die Individuen, die in Priesterröckcn und gepuderten Perücken
-- ein Mittelding von Pfarrer und Kutscher im Aeußern -- ,nach den Ge¬
richtshöfen eilen, die Papierladen, in welchen juristische Kalender, Stücken
Pergament, von Aussehen so fettig wie Papier zum Durchzeichnen und mit
den Worten "klüh inclcmlurc:" in der Ecke versehen und Gesetzcslisten in hell-
rothes Leder gebunden hängen; beobachten wir die Möbelmagazine, die hier
vorzüglich Schreibepulte mit Lederüberzug und zahllosen, taubenschlagartigen
Fächern, gewaltige eiserne Geld- und Documentenschränke, Papierkörbe und
dergleichen enthalten, so wissen wir auch von diesem Quartier, wie der Ge¬
nius heißt, der eS bewohnt.

Dann wie verschieden sind die Squares in den verschiedenen Theilen
Londons -- diese Squares, die so rein national, so völlig unähnlich dem
französischen pluce und dem deutschen Markt oder Platz sind, der nichts als
ein großes Stück Pflaster oder ein mit Kies bestreuter Raum mit einem
Standbilde, einer Säule oder einem Brunnen in der Mille ist. Es ist wahr,
die Bäume werden hier in London so schwarz wie die Menschen unter der
tropischen Sonne, aber dennoch nimmt sich der breite Teppich grünen Rasens
und das gelegentlich eingestreute Blumenbeet, welches die Liebe des englischen
Volks zur Gärtnerei und die Sehnsucht der Londoner nach dem Landleben'be¬
zeichnet, äußerst anmuthig aus. Wie stattlich und geräumig sind die alten
Gebäude um Grosvenor Square mit ihren steinernen Simsen, Fenstergewänden
und Thürpfosten in Mitten der düsterrothen geglätteten Ziegelfronten. In
Frankreich und Deutschland würde in jeder Etage dieser; Paläste eine ver¬
schiedene adelige Familie wohnen. Der Raum, den sie einschließen, ist ge¬
wöhnlich ebenfalls ein kleiner Park oder Garten, was sich ebenfalls besser
ausnimmt, als der nüchterne gepflasterte Borhvf fremder Schlösser.

Dann ist Grosvenor Sauares Zwillingsbruder, . Portmans Square, wo
die Häuser ganz so wie dort, nur nicht so imposant sind. Ebenfalls in diese
Kategorie gehören Se. James-, Berkeley-, Cavendish-, Hanover-, Manchester-
und das noch prächtigere und stattlichere Belgrave- so wie das Eaton Square.

Zunächst im Range nach diesen kommen die Squares, welchen der Eng¬
länder das Prüdicat "respevl.ab1o" ertheilt, im West End: Montague, Bryan-
sivne, Cadogan und Connaught, während die andern, von denen nur Bedford-,
Torrington-, Queeus-, und Flinsbury-Squcire erwähnt werden mögen, sämmt¬
lich in jenem Bezirke östlich von der Tottenham Court Road liegen, welcher
die berühmte wri-g, inevKuila John Wilson Crokers war.


Gre"zbr.ten. II. ->8sei. 57 .

Machen wir uns dann nach Chancery Lane auf und haben wir dort auf
die schwarzbefrackte Welt Acht, die mit Actenbündeln zusammengebunden mit
rothem Bande in den Händen sich hin und her bewegt. Beobachten wir die
mit einem kleinen Katalog von Namen versehenen weit offenstehenden Haus¬
thüren, die Individuen, die in Priesterröckcn und gepuderten Perücken
— ein Mittelding von Pfarrer und Kutscher im Aeußern — ,nach den Ge¬
richtshöfen eilen, die Papierladen, in welchen juristische Kalender, Stücken
Pergament, von Aussehen so fettig wie Papier zum Durchzeichnen und mit
den Worten „klüh inclcmlurc:" in der Ecke versehen und Gesetzcslisten in hell-
rothes Leder gebunden hängen; beobachten wir die Möbelmagazine, die hier
vorzüglich Schreibepulte mit Lederüberzug und zahllosen, taubenschlagartigen
Fächern, gewaltige eiserne Geld- und Documentenschränke, Papierkörbe und
dergleichen enthalten, so wissen wir auch von diesem Quartier, wie der Ge¬
nius heißt, der eS bewohnt.

Dann wie verschieden sind die Squares in den verschiedenen Theilen
Londons — diese Squares, die so rein national, so völlig unähnlich dem
französischen pluce und dem deutschen Markt oder Platz sind, der nichts als
ein großes Stück Pflaster oder ein mit Kies bestreuter Raum mit einem
Standbilde, einer Säule oder einem Brunnen in der Mille ist. Es ist wahr,
die Bäume werden hier in London so schwarz wie die Menschen unter der
tropischen Sonne, aber dennoch nimmt sich der breite Teppich grünen Rasens
und das gelegentlich eingestreute Blumenbeet, welches die Liebe des englischen
Volks zur Gärtnerei und die Sehnsucht der Londoner nach dem Landleben'be¬
zeichnet, äußerst anmuthig aus. Wie stattlich und geräumig sind die alten
Gebäude um Grosvenor Square mit ihren steinernen Simsen, Fenstergewänden
und Thürpfosten in Mitten der düsterrothen geglätteten Ziegelfronten. In
Frankreich und Deutschland würde in jeder Etage dieser; Paläste eine ver¬
schiedene adelige Familie wohnen. Der Raum, den sie einschließen, ist ge¬
wöhnlich ebenfalls ein kleiner Park oder Garten, was sich ebenfalls besser
ausnimmt, als der nüchterne gepflasterte Borhvf fremder Schlösser.

Dann ist Grosvenor Sauares Zwillingsbruder, . Portmans Square, wo
die Häuser ganz so wie dort, nur nicht so imposant sind. Ebenfalls in diese
Kategorie gehören Se. James-, Berkeley-, Cavendish-, Hanover-, Manchester-
und das noch prächtigere und stattlichere Belgrave- so wie das Eaton Square.

Zunächst im Range nach diesen kommen die Squares, welchen der Eng¬
länder das Prüdicat „respevl.ab1o" ertheilt, im West End: Montague, Bryan-
sivne, Cadogan und Connaught, während die andern, von denen nur Bedford-,
Torrington-, Queeus-, und Flinsbury-Squcire erwähnt werden mögen, sämmt¬
lich in jenem Bezirke östlich von der Tottenham Court Road liegen, welcher
die berühmte wri-g, inevKuila John Wilson Crokers war.


Gre»zbr.ten. II. ->8sei. 57 .
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[0457] Machen wir uns dann nach Chancery Lane auf und haben wir dort auf die schwarzbefrackte Welt Acht, die mit Actenbündeln zusammengebunden mit rothem Bande in den Händen sich hin und her bewegt. Beobachten wir die mit einem kleinen Katalog von Namen versehenen weit offenstehenden Haus¬ thüren, die Individuen, die in Priesterröckcn und gepuderten Perücken — ein Mittelding von Pfarrer und Kutscher im Aeußern — ,nach den Ge¬ richtshöfen eilen, die Papierladen, in welchen juristische Kalender, Stücken Pergament, von Aussehen so fettig wie Papier zum Durchzeichnen und mit den Worten „klüh inclcmlurc:" in der Ecke versehen und Gesetzcslisten in hell- rothes Leder gebunden hängen; beobachten wir die Möbelmagazine, die hier vorzüglich Schreibepulte mit Lederüberzug und zahllosen, taubenschlagartigen Fächern, gewaltige eiserne Geld- und Documentenschränke, Papierkörbe und dergleichen enthalten, so wissen wir auch von diesem Quartier, wie der Ge¬ nius heißt, der eS bewohnt. Dann wie verschieden sind die Squares in den verschiedenen Theilen Londons — diese Squares, die so rein national, so völlig unähnlich dem französischen pluce und dem deutschen Markt oder Platz sind, der nichts als ein großes Stück Pflaster oder ein mit Kies bestreuter Raum mit einem Standbilde, einer Säule oder einem Brunnen in der Mille ist. Es ist wahr, die Bäume werden hier in London so schwarz wie die Menschen unter der tropischen Sonne, aber dennoch nimmt sich der breite Teppich grünen Rasens und das gelegentlich eingestreute Blumenbeet, welches die Liebe des englischen Volks zur Gärtnerei und die Sehnsucht der Londoner nach dem Landleben'be¬ zeichnet, äußerst anmuthig aus. Wie stattlich und geräumig sind die alten Gebäude um Grosvenor Square mit ihren steinernen Simsen, Fenstergewänden und Thürpfosten in Mitten der düsterrothen geglätteten Ziegelfronten. In Frankreich und Deutschland würde in jeder Etage dieser; Paläste eine ver¬ schiedene adelige Familie wohnen. Der Raum, den sie einschließen, ist ge¬ wöhnlich ebenfalls ein kleiner Park oder Garten, was sich ebenfalls besser ausnimmt, als der nüchterne gepflasterte Borhvf fremder Schlösser. Dann ist Grosvenor Sauares Zwillingsbruder, . Portmans Square, wo die Häuser ganz so wie dort, nur nicht so imposant sind. Ebenfalls in diese Kategorie gehören Se. James-, Berkeley-, Cavendish-, Hanover-, Manchester- und das noch prächtigere und stattlichere Belgrave- so wie das Eaton Square. Zunächst im Range nach diesen kommen die Squares, welchen der Eng¬ länder das Prüdicat „respevl.ab1o" ertheilt, im West End: Montague, Bryan- sivne, Cadogan und Connaught, während die andern, von denen nur Bedford-, Torrington-, Queeus-, und Flinsbury-Squcire erwähnt werden mögen, sämmt¬ lich in jenem Bezirke östlich von der Tottenham Court Road liegen, welcher die berühmte wri-g, inevKuila John Wilson Crokers war. Gre»zbr.ten. II. ->8sei. 57 .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/457>, abgerufen am 21.06.2024.