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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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meinen Mann erhoben waren, keine gesetzliche Autorität ihre Personen heiligte,
und nur die allerentschiedensten Persönlichkeiten so tüchtigen, aber auch so
schwierigen und keine Willkür leidenden Untergebenen gewachsen waren. Erst
in späterer Zeit trennen sich in scharfer Ständesonderung Offizier und Soldat,
in den gemißhandelten Werbeheeren des vorigen Jahrhunderts erreicht sie ihren
höchsten Grad, bis humanere Systeme auf das ursprünglich deutsche Verhält¬
niß zurückgelenkt haben und es in den erhöhten Stimmungen froher oder ge¬
fahrvoller Momente zeitweise in sein volles Recht eintritt.

Angebundene Freiheit des Costüms und persönliche Erscheinung jedes
Einzelnen nach Geschmack und Vermögen bezeichnen unsren Kriegsmann jener
Zeit, wo man noch wenig von gleicher Kleidung und Abrichten wußte. Die
Heere waren viel zu theuer zum wohlgefälligen Augendienst jener Zeit, auch
mochte man noch Mannigfaltigkeit leiden und jedermann schwur bei seinem
Barte. Die Trachten ?er Landsknechte in den überkommenen Abbildungen
sind ergötzlich anzuschauen, möchte sich auch der heutige Militärgeschmack darob
entsetzt haben! -- Da hat jeder an und um, wie es ihm eigen und gefällt,
der mit Pickelhaube, jener mit Helm, ein dritter mit Hut oder kleidsamen Feder-
baret, da steht man ein geschlitztes und enggeknöpftes Wams, hier hat einer eine
weite Pluderhose, jener sich enges rothes Beinkleid zugelegt und nach glücklicher
Schlacht, oder wenn sie bei ergiebiger Plünderung mit "längster Elle" gemessen,
stolzieren viele gar wohl im Ritterkleid oder mit Sammet und Seide behängen
geckenhaft einher. Die Waffen sind noch mannigfaltiger; wie sie grade einer in
seiner Werkstätte aus Väterzeit aufgehangen fand oder dem Feinde abnahm,
von dem langen Spieß, Fausthammer und Morgenstern bis zum breiten Lands¬
knechtsdegen. Besonders gute Waffnung aber erhielt doppelten Sold, wie auch
die Hakenschützen, adeligen Knechte und kleinen Aemter, wofür sie in erster Reihe
fochten; auch der einfache Sold war schon hoch genng, reichlicher als ein
spärliches Soldatentractament, wofür denn sonst hätte man Leben und Glieder
wagen sollen? -- Denken wir uns nun zehn- bis funfzehntausend solche
grillenhaft und phantastisch aufgeputzte Gesellen in alle Farben des Regen¬
bogens gekleidet, jede Art von Wehr und Waffen tragend, wie sie als Selt¬
samkeiten unsere Sammlungen bewahren, vornweg ein hoher Kriegsmann zu
Roß, von Kopf bis zu Füßen geharnischt, von Trabanten und Hunden um¬
sprungen, auch wol auf einem Maulthier schlichter einherziehend; dann die
Fähndriche mit ihren farbigen Fähnlein, wie sie weithin noch über die erhobenen
Spieße stolz im Winde flattern, die Trommler mit Trommeln so groß wie die
Weinfässer und kaum zu erschleppen, dahinterdrein der "helle Haufe" in will¬
kürlichem Behagen, fluchend und singend einherziehend; die ernsthafte, fast geist¬
liche Gestalt des Schultheißen mit seinen Schreibern, die vermummte Gestalt
deS Profoßen, neben ihm Stockknechte und der schreckliche Freimaur mit rother


meinen Mann erhoben waren, keine gesetzliche Autorität ihre Personen heiligte,
und nur die allerentschiedensten Persönlichkeiten so tüchtigen, aber auch so
schwierigen und keine Willkür leidenden Untergebenen gewachsen waren. Erst
in späterer Zeit trennen sich in scharfer Ständesonderung Offizier und Soldat,
in den gemißhandelten Werbeheeren des vorigen Jahrhunderts erreicht sie ihren
höchsten Grad, bis humanere Systeme auf das ursprünglich deutsche Verhält¬
niß zurückgelenkt haben und es in den erhöhten Stimmungen froher oder ge¬
fahrvoller Momente zeitweise in sein volles Recht eintritt.

Angebundene Freiheit des Costüms und persönliche Erscheinung jedes
Einzelnen nach Geschmack und Vermögen bezeichnen unsren Kriegsmann jener
Zeit, wo man noch wenig von gleicher Kleidung und Abrichten wußte. Die
Heere waren viel zu theuer zum wohlgefälligen Augendienst jener Zeit, auch
mochte man noch Mannigfaltigkeit leiden und jedermann schwur bei seinem
Barte. Die Trachten ?er Landsknechte in den überkommenen Abbildungen
sind ergötzlich anzuschauen, möchte sich auch der heutige Militärgeschmack darob
entsetzt haben! — Da hat jeder an und um, wie es ihm eigen und gefällt,
der mit Pickelhaube, jener mit Helm, ein dritter mit Hut oder kleidsamen Feder-
baret, da steht man ein geschlitztes und enggeknöpftes Wams, hier hat einer eine
weite Pluderhose, jener sich enges rothes Beinkleid zugelegt und nach glücklicher
Schlacht, oder wenn sie bei ergiebiger Plünderung mit „längster Elle" gemessen,
stolzieren viele gar wohl im Ritterkleid oder mit Sammet und Seide behängen
geckenhaft einher. Die Waffen sind noch mannigfaltiger; wie sie grade einer in
seiner Werkstätte aus Väterzeit aufgehangen fand oder dem Feinde abnahm,
von dem langen Spieß, Fausthammer und Morgenstern bis zum breiten Lands¬
knechtsdegen. Besonders gute Waffnung aber erhielt doppelten Sold, wie auch
die Hakenschützen, adeligen Knechte und kleinen Aemter, wofür sie in erster Reihe
fochten; auch der einfache Sold war schon hoch genng, reichlicher als ein
spärliches Soldatentractament, wofür denn sonst hätte man Leben und Glieder
wagen sollen? — Denken wir uns nun zehn- bis funfzehntausend solche
grillenhaft und phantastisch aufgeputzte Gesellen in alle Farben des Regen¬
bogens gekleidet, jede Art von Wehr und Waffen tragend, wie sie als Selt¬
samkeiten unsere Sammlungen bewahren, vornweg ein hoher Kriegsmann zu
Roß, von Kopf bis zu Füßen geharnischt, von Trabanten und Hunden um¬
sprungen, auch wol auf einem Maulthier schlichter einherziehend; dann die
Fähndriche mit ihren farbigen Fähnlein, wie sie weithin noch über die erhobenen
Spieße stolz im Winde flattern, die Trommler mit Trommeln so groß wie die
Weinfässer und kaum zu erschleppen, dahinterdrein der „helle Haufe" in will¬
kürlichem Behagen, fluchend und singend einherziehend; die ernsthafte, fast geist¬
liche Gestalt des Schultheißen mit seinen Schreibern, die vermummte Gestalt
deS Profoßen, neben ihm Stockknechte und der schreckliche Freimaur mit rother


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/404>, abgerufen am 28.07.2024.