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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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rüstig und wohlgemuth, keine Krummen und Lahmen darunter. Wer aber für
einen andern oder mit entliehener Waffe unter dem Joch durchginge, sollte für einen
Schelmen erachtet werden. War alles in Ordnung befunden worden, so wurde
das Regiment versammelt, nicht wie ein Regiment im heutigen Sinne, ein nach
Anzahlverhältnissen bestimmter Heerestheil, sondern der Inbegriff sämmtlicher
Fähnlein, so viel'da waren, zur frommen Gemeine. Auf Trommelschlag stießen
die Fähnlein im Ringe zusammen, und hoch zu Roß mitten darinnen haltend
begrüßte mit abgezogenem Baret der Oberst in kurzer und herzlicher Rede seine
lieben, ehrlichen Kriegsleute. Darauf wurde mit lauter Stimme der Artikel¬
brief verlesen, wie ein jeder gegen Gott und Kriegsherrn, Oberst, Hauptleute
und alle Kriegsämter, vor Feind und Waffenbrüdern, gegen Frauen, Priester und
Eigenthum sich als tapfrer und frommer Landsknecht zu verhalten, und was er
dagegen auch an Sold und Rechten zu empfangen habe, worauf die verlesenen
Punkte in die Hände des Amtmanns vom Regiment, des Schultheißen zur Stelle
feierlich beschworen wurden. Dann stellte der Oberst der Reihe nach die hohen
Aemter vor, als seinen Lieutenant im Regiment, den Proviant- und den Quartier-
meister und endlich die seltsamste Figur des ganzen Haufens, den öffentlichen
Ankläger, die tausendäugige, überall gegenwärtige Fehmgewalt: den furchtbaren
Profoß, der halb ernst, halb gutmüthig und komisch sich dann auch wol mit warnen¬
dem Sprüchlein einzuführen pflegte. Zugleich ward den Fähndrichen, bewähr¬
ten, großgewachsenen Kriegsleuten in voller Mannesblüte, ihr wichtiges Amt
vertraut, daß sie Leib und Leben bei dem Fähnlein lassen, in Schlacht und
Sturmallzeit tapfer voranschreiten, auch auf Ehr und gute Haltung des ganzen
Haufens fleißig Acht haben sollten.

Nach Erledigung alles dessen, was zur Gemeinsamkeit deS ganzen Regi¬
ments gehörte, zog jedes Fähnlein., unter seinen Hauptleuten auf einen be¬
stimmten Platz, damit nun die kleinen Republiken sich im Innern gliederten,
und mit einer Achtung vor dem gemeinen Manne, wie sie dem Führer ehrlichen
Kriegsvolks so wohl ansteht, eröffnete auch der Hauptmann sein wichtiges Amt in
einer Ansprache, indem er sich durch Entbietung alles Rechts oder Fugs und Ver¬
heißung frommer, tapferer, vorsichtiger Führung des Wohlwollens der Mannschaft
versicherte und allen ein gleicher Hauptmann und Mitbruder in Freud und Leid
zu sein versprach, auch gegen die andern Aemter des Fabricius zu Gehorsam
und Gefälligkeit entbot, und wenn endlich auch deren Vorstellung und eigne
Empfehlung geschehen, so schickte der versammelte Ring sich an, aus seiner Mitte
die niederen Aemter und Befehlsstellen aufzuschießen, wie es zum Recht und
Brauch seines freien Gemeinwesens gehörte.

In dem Verhältniß der Obern zum Kriegsvolk waltete waffenbrüderliche
Gleichstellung, nicht mit der falschen Popularität der Schwäche zu verwechseln
und erklärlich, wo jene noch durch keine besondere Standesehre über den ge-


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rüstig und wohlgemuth, keine Krummen und Lahmen darunter. Wer aber für
einen andern oder mit entliehener Waffe unter dem Joch durchginge, sollte für einen
Schelmen erachtet werden. War alles in Ordnung befunden worden, so wurde
das Regiment versammelt, nicht wie ein Regiment im heutigen Sinne, ein nach
Anzahlverhältnissen bestimmter Heerestheil, sondern der Inbegriff sämmtlicher
Fähnlein, so viel'da waren, zur frommen Gemeine. Auf Trommelschlag stießen
die Fähnlein im Ringe zusammen, und hoch zu Roß mitten darinnen haltend
begrüßte mit abgezogenem Baret der Oberst in kurzer und herzlicher Rede seine
lieben, ehrlichen Kriegsleute. Darauf wurde mit lauter Stimme der Artikel¬
brief verlesen, wie ein jeder gegen Gott und Kriegsherrn, Oberst, Hauptleute
und alle Kriegsämter, vor Feind und Waffenbrüdern, gegen Frauen, Priester und
Eigenthum sich als tapfrer und frommer Landsknecht zu verhalten, und was er
dagegen auch an Sold und Rechten zu empfangen habe, worauf die verlesenen
Punkte in die Hände des Amtmanns vom Regiment, des Schultheißen zur Stelle
feierlich beschworen wurden. Dann stellte der Oberst der Reihe nach die hohen
Aemter vor, als seinen Lieutenant im Regiment, den Proviant- und den Quartier-
meister und endlich die seltsamste Figur des ganzen Haufens, den öffentlichen
Ankläger, die tausendäugige, überall gegenwärtige Fehmgewalt: den furchtbaren
Profoß, der halb ernst, halb gutmüthig und komisch sich dann auch wol mit warnen¬
dem Sprüchlein einzuführen pflegte. Zugleich ward den Fähndrichen, bewähr¬
ten, großgewachsenen Kriegsleuten in voller Mannesblüte, ihr wichtiges Amt
vertraut, daß sie Leib und Leben bei dem Fähnlein lassen, in Schlacht und
Sturmallzeit tapfer voranschreiten, auch auf Ehr und gute Haltung des ganzen
Haufens fleißig Acht haben sollten.

Nach Erledigung alles dessen, was zur Gemeinsamkeit deS ganzen Regi¬
ments gehörte, zog jedes Fähnlein., unter seinen Hauptleuten auf einen be¬
stimmten Platz, damit nun die kleinen Republiken sich im Innern gliederten,
und mit einer Achtung vor dem gemeinen Manne, wie sie dem Führer ehrlichen
Kriegsvolks so wohl ansteht, eröffnete auch der Hauptmann sein wichtiges Amt in
einer Ansprache, indem er sich durch Entbietung alles Rechts oder Fugs und Ver¬
heißung frommer, tapferer, vorsichtiger Führung des Wohlwollens der Mannschaft
versicherte und allen ein gleicher Hauptmann und Mitbruder in Freud und Leid
zu sein versprach, auch gegen die andern Aemter des Fabricius zu Gehorsam
und Gefälligkeit entbot, und wenn endlich auch deren Vorstellung und eigne
Empfehlung geschehen, so schickte der versammelte Ring sich an, aus seiner Mitte
die niederen Aemter und Befehlsstellen aufzuschießen, wie es zum Recht und
Brauch seines freien Gemeinwesens gehörte.

In dem Verhältniß der Obern zum Kriegsvolk waltete waffenbrüderliche
Gleichstellung, nicht mit der falschen Popularität der Schwäche zu verwechseln
und erklärlich, wo jene noch durch keine besondere Standesehre über den ge-


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[0403] rüstig und wohlgemuth, keine Krummen und Lahmen darunter. Wer aber für einen andern oder mit entliehener Waffe unter dem Joch durchginge, sollte für einen Schelmen erachtet werden. War alles in Ordnung befunden worden, so wurde das Regiment versammelt, nicht wie ein Regiment im heutigen Sinne, ein nach Anzahlverhältnissen bestimmter Heerestheil, sondern der Inbegriff sämmtlicher Fähnlein, so viel'da waren, zur frommen Gemeine. Auf Trommelschlag stießen die Fähnlein im Ringe zusammen, und hoch zu Roß mitten darinnen haltend begrüßte mit abgezogenem Baret der Oberst in kurzer und herzlicher Rede seine lieben, ehrlichen Kriegsleute. Darauf wurde mit lauter Stimme der Artikel¬ brief verlesen, wie ein jeder gegen Gott und Kriegsherrn, Oberst, Hauptleute und alle Kriegsämter, vor Feind und Waffenbrüdern, gegen Frauen, Priester und Eigenthum sich als tapfrer und frommer Landsknecht zu verhalten, und was er dagegen auch an Sold und Rechten zu empfangen habe, worauf die verlesenen Punkte in die Hände des Amtmanns vom Regiment, des Schultheißen zur Stelle feierlich beschworen wurden. Dann stellte der Oberst der Reihe nach die hohen Aemter vor, als seinen Lieutenant im Regiment, den Proviant- und den Quartier- meister und endlich die seltsamste Figur des ganzen Haufens, den öffentlichen Ankläger, die tausendäugige, überall gegenwärtige Fehmgewalt: den furchtbaren Profoß, der halb ernst, halb gutmüthig und komisch sich dann auch wol mit warnen¬ dem Sprüchlein einzuführen pflegte. Zugleich ward den Fähndrichen, bewähr¬ ten, großgewachsenen Kriegsleuten in voller Mannesblüte, ihr wichtiges Amt vertraut, daß sie Leib und Leben bei dem Fähnlein lassen, in Schlacht und Sturmallzeit tapfer voranschreiten, auch auf Ehr und gute Haltung des ganzen Haufens fleißig Acht haben sollten. Nach Erledigung alles dessen, was zur Gemeinsamkeit deS ganzen Regi¬ ments gehörte, zog jedes Fähnlein., unter seinen Hauptleuten auf einen be¬ stimmten Platz, damit nun die kleinen Republiken sich im Innern gliederten, und mit einer Achtung vor dem gemeinen Manne, wie sie dem Führer ehrlichen Kriegsvolks so wohl ansteht, eröffnete auch der Hauptmann sein wichtiges Amt in einer Ansprache, indem er sich durch Entbietung alles Rechts oder Fugs und Ver¬ heißung frommer, tapferer, vorsichtiger Führung des Wohlwollens der Mannschaft versicherte und allen ein gleicher Hauptmann und Mitbruder in Freud und Leid zu sein versprach, auch gegen die andern Aemter des Fabricius zu Gehorsam und Gefälligkeit entbot, und wenn endlich auch deren Vorstellung und eigne Empfehlung geschehen, so schickte der versammelte Ring sich an, aus seiner Mitte die niederen Aemter und Befehlsstellen aufzuschießen, wie es zum Recht und Brauch seines freien Gemeinwesens gehörte. In dem Verhältniß der Obern zum Kriegsvolk waltete waffenbrüderliche Gleichstellung, nicht mit der falschen Popularität der Schwäche zu verwechseln und erklärlich, wo jene noch durch keine besondere Standesehre über den ge- 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/403>, abgerufen am 27.06.2024.