Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.von Rittern, Hauptleuten und Knechten aufbringen; dann ließ er, nachdem er Mit einem Zehrpfennig auf den Weg versehen, verliefen sich nach vor¬ von Rittern, Hauptleuten und Knechten aufbringen; dann ließ er, nachdem er Mit einem Zehrpfennig auf den Weg versehen, verliefen sich nach vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101929"/> <p xml:id="ID_1041" prev="#ID_1040"> von Rittern, Hauptleuten und Knechten aufbringen; dann ließ er, nachdem er<lb/> seinen Stellvertreter im Regiment und die Hauptleute über die Fähnlein mit<lb/> Vorsicht gewählt, auf Straßen und Märkten die Werbung umschlagen, und<lb/> gewöhnlich strömte es haufenweise zu, wie ein schwäbischer Chronist in seiner<lb/> derben Sprache sagt: „wenn der Teufel Sold ausschreibt, so fleugt und schneit<lb/> es zu, wie die Fliegen im Sommer, daß sich doch jemand zu Tode verwundern<lb/> möchte, wo dieser Schwarm nur alle her kam und sich den Winter erhalten<lb/> hat." Doch war eS darum keineswegs verlaufenes Gestndel oder schimpfliche<lb/> Gesellen, welchen die Fähnlein der frommen Gemeine Zuflucht bieten sollten.<lb/> Nur Leute von einer gewissen Wohlhabenheit konnten angenommen werden,<lb/> denn es mußte ein jeder Wams und Schuhe, Blechhaube, Harnisch, Schlacht¬<lb/> schwert, Hellebarde oder langen Spieß, obendrein wol gar ein Stück Geld<lb/> mitbringen, stark, rüstig und unbescholten sein, wollte er in des Hauptmanns<lb/> Musterrolle aufgenommen werden, wenn nicht dringende Kriegesnoth auch mit<lb/> armseligeren Knechten, die nur verzweifelten Muth im Herzen, vorlieb nahm. Aber<lb/> bei alledem hatte es keine Noth, kriegslustige Bursche, zerfallen mit geistlicher<lb/> und weltlicher Obrigkeit, überdrüssig des Landfriedens und nach fröhlichem Feld¬<lb/> leben verlangend, hatte Deutschland und vor allem Schwaben, die gepriesene<lb/> Mut-ter frommer Landsknechte, allzeit genug; auch wessen Handwerk grade nicht<lb/> ging, mochte der Trommel folgen, wie der Waiblinger, Maler und Schnitzer<lb/> von Heiligenbildern, ein riesiger Bursche und brotlos, seitdem man daheim den<lb/> Glauben geändert. Es ist ja überdies zu allen Zeiten und besonders., wann die<lb/> Gemüther aufgeregt, kein Mangel gewesen an den ruhelosen, überreichen<lb/> Naturen, welche bei einförmiger Tagesarbeit zu Taugenichtsen übersprudelnd<lb/> durch freien Spielraum ihrer Kräfte in Kampf und Gefahr zu Helden werden.<lb/> Es waren allerdings unter den Reihen ^des deutschen Fußvolks größtentheils<lb/> städtische Handwerker, aber es fochten auch Adel und vornehme Kriegsmänner,<lb/> Söhne wohlhabender Patricier und ein tüchtiger gemüthvoller Bürgerstand,<lb/> empfänglich für jeden edleren Aufschwung des Geistes, sangreich, fromm und<lb/> ehrbar in der Landsknechte Mitte. Wehe der hochmüthigen Chevalerie von<lb/> Frankreich, wenn sie in den heißen Schlachttagen Italiens nicht Hufschmiede<lb/> und Schuster gehabt hätte, die sür die Bayards sich wagten und ein doppelt<lb/> Wehe, als sie bei Pavia den Spießen der Verachteten gegenüberstanden!</p><lb/> <p xml:id="ID_1042" next="#ID_1043"> Mit einem Zehrpfennig auf den Weg versehen, verliefen sich nach vor¬<lb/> läufiger Bekanntmachung deS Artikelsbriefes die gewordenen Haufen wieder bis<lb/> zum Stelldichein. Hier wurde genaue Musterung gehalten durch den fürstlichen<lb/> Musterherrn, einen gar vornehmen und erfahrenen Kriegsmann und Land¬<lb/> knechtsbrauches wohl kundig, ob nicht etwa nach wohlbeliebter Art die Haupt¬<lb/> leute mehr Namen in der Liste, als Knechte auf den Beinen hätten, „Finan-<lb/> zirenö halber", ob ein jeder mit eigen Wehr und Waffen versehen, auch alle</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0402]
von Rittern, Hauptleuten und Knechten aufbringen; dann ließ er, nachdem er
seinen Stellvertreter im Regiment und die Hauptleute über die Fähnlein mit
Vorsicht gewählt, auf Straßen und Märkten die Werbung umschlagen, und
gewöhnlich strömte es haufenweise zu, wie ein schwäbischer Chronist in seiner
derben Sprache sagt: „wenn der Teufel Sold ausschreibt, so fleugt und schneit
es zu, wie die Fliegen im Sommer, daß sich doch jemand zu Tode verwundern
möchte, wo dieser Schwarm nur alle her kam und sich den Winter erhalten
hat." Doch war eS darum keineswegs verlaufenes Gestndel oder schimpfliche
Gesellen, welchen die Fähnlein der frommen Gemeine Zuflucht bieten sollten.
Nur Leute von einer gewissen Wohlhabenheit konnten angenommen werden,
denn es mußte ein jeder Wams und Schuhe, Blechhaube, Harnisch, Schlacht¬
schwert, Hellebarde oder langen Spieß, obendrein wol gar ein Stück Geld
mitbringen, stark, rüstig und unbescholten sein, wollte er in des Hauptmanns
Musterrolle aufgenommen werden, wenn nicht dringende Kriegesnoth auch mit
armseligeren Knechten, die nur verzweifelten Muth im Herzen, vorlieb nahm. Aber
bei alledem hatte es keine Noth, kriegslustige Bursche, zerfallen mit geistlicher
und weltlicher Obrigkeit, überdrüssig des Landfriedens und nach fröhlichem Feld¬
leben verlangend, hatte Deutschland und vor allem Schwaben, die gepriesene
Mut-ter frommer Landsknechte, allzeit genug; auch wessen Handwerk grade nicht
ging, mochte der Trommel folgen, wie der Waiblinger, Maler und Schnitzer
von Heiligenbildern, ein riesiger Bursche und brotlos, seitdem man daheim den
Glauben geändert. Es ist ja überdies zu allen Zeiten und besonders., wann die
Gemüther aufgeregt, kein Mangel gewesen an den ruhelosen, überreichen
Naturen, welche bei einförmiger Tagesarbeit zu Taugenichtsen übersprudelnd
durch freien Spielraum ihrer Kräfte in Kampf und Gefahr zu Helden werden.
Es waren allerdings unter den Reihen ^des deutschen Fußvolks größtentheils
städtische Handwerker, aber es fochten auch Adel und vornehme Kriegsmänner,
Söhne wohlhabender Patricier und ein tüchtiger gemüthvoller Bürgerstand,
empfänglich für jeden edleren Aufschwung des Geistes, sangreich, fromm und
ehrbar in der Landsknechte Mitte. Wehe der hochmüthigen Chevalerie von
Frankreich, wenn sie in den heißen Schlachttagen Italiens nicht Hufschmiede
und Schuster gehabt hätte, die sür die Bayards sich wagten und ein doppelt
Wehe, als sie bei Pavia den Spießen der Verachteten gegenüberstanden!
Mit einem Zehrpfennig auf den Weg versehen, verliefen sich nach vor¬
läufiger Bekanntmachung deS Artikelsbriefes die gewordenen Haufen wieder bis
zum Stelldichein. Hier wurde genaue Musterung gehalten durch den fürstlichen
Musterherrn, einen gar vornehmen und erfahrenen Kriegsmann und Land¬
knechtsbrauches wohl kundig, ob nicht etwa nach wohlbeliebter Art die Haupt¬
leute mehr Namen in der Liste, als Knechte auf den Beinen hätten, „Finan-
zirenö halber", ob ein jeder mit eigen Wehr und Waffen versehen, auch alle
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