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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Rolle spielen. "Das war" sagt ein geistreicher neuerer Geschichtschreiber "das
Zeitalter, wo die Truppen, auf welche Wasiljowitsch traute, wenn er seine
Moscoviter wider die Polen führte; welche Schweden der Union unterwarfen;
welche in England wider die Sache der Aorks auf derselben Stelle starben,
wo sie die Schlacht erwartet; welche sowohl Bretagne für die Krone Frank¬
reichs zweifelhaft machten, als sie es eroberten; sowohl die Vertheidiger, als
die Besieger von Neapel, die Ueberwinder von Ungarn, so lang sie wollten
und die es retteten, da sie mit der Beute "ach Haus gingen -- diese Kriegs¬
führer und Entscheider in aller Welt sämmtlich Deutsche waren."

Dieses Zeitalter endigt mit dem bunten Völkergemisch des dreißigjährigen
Krieges, und dann nimmt das Kriegswesen abermals eine neue Gestalt an. Das
bauschige Wams schwindet zur knappen Uniform, statt der Spieße kommen
Feuergewehre auf, einem Herrn schwort fortan der Soldat, verkauft er seine
Treue für immer: in den stehenden Heeren der gekräftigten Fürstenmachl. --

Geist, Einrichtungen und Sitten der Landsknechte sind durch ihre Auf¬
fassung des Waffendienstes so eigenthümlich, daß wir sie weder früher noch
später in irgend einem Heere wieder finden: ein militärisches Gemeinwesen, in
welches der Kriegslustige nach Lust und Neigung eintritt, frei von Zwang¬
gesetz und Pflichten, in welchem er Leib und Leben gegen Sold und Beute in
sorgfältig stipulirter Uebereinkunft auf so und so viel Zeit feil zu bieten kommt.
Keine Werbekünste bringen den ungebundenen Bürger und Bauern von Werk¬
statt und Pflug als einen geängsteten Recruten zu fürstlichen Fahnen, wie die
Aufrichtung der Regimenter in anschaulichen Bilde zeigen soll. Dieser ge¬
denken wir die Schilderungen der Gerichtsverfassung und der Kampfesart folgen
zu lassen, um endlich in der Zügellostgkeit und Ausartung der Landsknechte
auch dem Schatten als unzertrennlichem Begleiter aller menschlichen Erscheinungen
gerecht zu werden. --

Sobald ein Kriegsherr sich veranlaßt fand, ein Heer aufzubringen, mußte
er sich zunächst an einen geeigneten Vermittler wenden, in der Person eines
schon berühmten Kriegsmannes, gleichviel, ob adeligen oder bürgerlichen Her¬
kommens. Er bestellte ihn zu seinem Feldobersten mit dem Patent, ein Regiment
Knechte aufzurichten und übersandte zugleich den Artikelbrief, wie es mit Sold
und Verfassung zu halten. Auf solchen Bescheid eröffnete in Aussicht reichen
Erwerbs der Oberst, falls er nicht von dem Fürsten die benöthigten Summen
erhalten, seinen Credit bei Freunden und Kaufleuten, zur Noth verpfändete und
versetzte er Hab und Gut, Frauenschmuck und Silbergeschirr, (wie Herr George
von Frundsberg zu seinem rühmlichen Zuge nach Italien 1326.) ein Heer
ZU werben. -- Zugleich beschickte der Oberst seine Kundschaft an rüstigen
Kriegsleuten, und hatte sein Name guten Klang, so konnte er wol gar, wie
dieser deutsche Held, mit einem Schlage die ganze abenteuerliche Brüderschaft
'


Grenzboten. II. 486S. SV

Rolle spielen. „Das war" sagt ein geistreicher neuerer Geschichtschreiber „das
Zeitalter, wo die Truppen, auf welche Wasiljowitsch traute, wenn er seine
Moscoviter wider die Polen führte; welche Schweden der Union unterwarfen;
welche in England wider die Sache der Aorks auf derselben Stelle starben,
wo sie die Schlacht erwartet; welche sowohl Bretagne für die Krone Frank¬
reichs zweifelhaft machten, als sie es eroberten; sowohl die Vertheidiger, als
die Besieger von Neapel, die Ueberwinder von Ungarn, so lang sie wollten
und die es retteten, da sie mit der Beute »ach Haus gingen — diese Kriegs¬
führer und Entscheider in aller Welt sämmtlich Deutsche waren."

Dieses Zeitalter endigt mit dem bunten Völkergemisch des dreißigjährigen
Krieges, und dann nimmt das Kriegswesen abermals eine neue Gestalt an. Das
bauschige Wams schwindet zur knappen Uniform, statt der Spieße kommen
Feuergewehre auf, einem Herrn schwort fortan der Soldat, verkauft er seine
Treue für immer: in den stehenden Heeren der gekräftigten Fürstenmachl. —

Geist, Einrichtungen und Sitten der Landsknechte sind durch ihre Auf¬
fassung des Waffendienstes so eigenthümlich, daß wir sie weder früher noch
später in irgend einem Heere wieder finden: ein militärisches Gemeinwesen, in
welches der Kriegslustige nach Lust und Neigung eintritt, frei von Zwang¬
gesetz und Pflichten, in welchem er Leib und Leben gegen Sold und Beute in
sorgfältig stipulirter Uebereinkunft auf so und so viel Zeit feil zu bieten kommt.
Keine Werbekünste bringen den ungebundenen Bürger und Bauern von Werk¬
statt und Pflug als einen geängsteten Recruten zu fürstlichen Fahnen, wie die
Aufrichtung der Regimenter in anschaulichen Bilde zeigen soll. Dieser ge¬
denken wir die Schilderungen der Gerichtsverfassung und der Kampfesart folgen
zu lassen, um endlich in der Zügellostgkeit und Ausartung der Landsknechte
auch dem Schatten als unzertrennlichem Begleiter aller menschlichen Erscheinungen
gerecht zu werden. —

Sobald ein Kriegsherr sich veranlaßt fand, ein Heer aufzubringen, mußte
er sich zunächst an einen geeigneten Vermittler wenden, in der Person eines
schon berühmten Kriegsmannes, gleichviel, ob adeligen oder bürgerlichen Her¬
kommens. Er bestellte ihn zu seinem Feldobersten mit dem Patent, ein Regiment
Knechte aufzurichten und übersandte zugleich den Artikelbrief, wie es mit Sold
und Verfassung zu halten. Auf solchen Bescheid eröffnete in Aussicht reichen
Erwerbs der Oberst, falls er nicht von dem Fürsten die benöthigten Summen
erhalten, seinen Credit bei Freunden und Kaufleuten, zur Noth verpfändete und
versetzte er Hab und Gut, Frauenschmuck und Silbergeschirr, (wie Herr George
von Frundsberg zu seinem rühmlichen Zuge nach Italien 1326.) ein Heer
ZU werben. — Zugleich beschickte der Oberst seine Kundschaft an rüstigen
Kriegsleuten, und hatte sein Name guten Klang, so konnte er wol gar, wie
dieser deutsche Held, mit einem Schlage die ganze abenteuerliche Brüderschaft
'


Grenzboten. II. 486S. SV
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/401>, abgerufen am 27.06.2024.