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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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der Vereinigten Staaten etwa bereits im Begriff, Walker als einen unter
ihrer Fahne und mit ihrer Vollmacht kriegführenden Heerführer anzuerkennen?

Auf dieser Entwicklungsstufe ist die centralamerikanische Differenz jetzt an¬
gelangt. In den Verhandlungen zeigt sich von Seiten der Amerikaner durch¬
weg der Geist jener demokratischen Politik, die alles, was nicht zu dem Kreise
ihrer Gesinnungs- und Staatsgenossen gehört, für rechtlos erklärt, und für
ihre Ansprüche keine andere Grenze kennt, als das eigne Belieben. Derselbe
Mr. Buchanan, der sich so ängstlich besorgt zeigt, daß die Uebergriffe Englands
die Selbstständigkeit der mittelamerikanischen Staaten gefährden könnten, stellt
in einer Depesche vom 18. October -I8S6 folgende Grundsätze über das gegen
Spanien hinsichtlich Cubas zu beobachtende Verfahren auf, Grundsatze, die
nicht etwa blos seine Privatmeinung, sondern das Resultat einer 18Si abge¬
haltenen Conferenz sämmtlicher Vertreter der Vereinigten Staaten in Europa sind.

"Nachdem wir Spanien für Cuba einen seinen gegenwärtigen Werth
übersteigenden Preis angeboten haben und dieser nicht angenommen worden
ist, haben wir die Frage zu überlegen: gefährdet Cuba, so lange es im Besitz
von Spanien bleibt, ernstlich unsern innern Frieden und das Fortbestehen uns¬
rer geliebten Union? Wird diese Frage mit Ja beantwortet, so sind wir durch
jedes göttliche uno menschliche Gesetz gerechtfertigt, es Spanien zu entreißen,
wenn wir die Macht dazu haben; und zwar nach demselben Princip, welches
einen Einzelnen rechtfertigen würde, das brennende Haus seines Nachbars
niederzureißen, wenn durch dasselbe seiner eignen Wohnung die Gefahr der
Verbrennung drohte. Unter diesen Umständen dürfen wir uns weder vor den
Kosten, noch vorder Uebermacht scheuen, welche Spanien gegen uns ins Feld
führen könnte. Wir enthalten uns des Eingehens auf die Frage, ob der
gegenwärtige Zustand der Insel eine solche Maßregel rechtfertigt. Wir würden
jedoch*untreu unsrer Pflicht, unwürdig unsrer tapfern Ahnen sein und nie¬
drigen Verrath an unsern Nachkommen begehen, wenn wir duldeten, daß Cuba
afrikanisirt und zu einem zweiten Se. Domingo mit allen davon unzertrennlichen
Schrecken für Vie Weißen würde, und wenn wir duldeten, daß sich der Brand
auf unsre heimische Küsten ausdehnte und das schöne Gebäude unsrer ge¬
liebten Union gefährdete und zerstörte."

Dies sind die Principien, nach welchen die Vereinigten Staaten gegen¬
wärtig ihre auswärtige Politik regeln und eS muß dem Europäer einleuchten,
daß bei solchen Principien die Berufung auf das Völkerrecht einen ganz be¬
sondern Nachdruck haben muß!




der Vereinigten Staaten etwa bereits im Begriff, Walker als einen unter
ihrer Fahne und mit ihrer Vollmacht kriegführenden Heerführer anzuerkennen?

Auf dieser Entwicklungsstufe ist die centralamerikanische Differenz jetzt an¬
gelangt. In den Verhandlungen zeigt sich von Seiten der Amerikaner durch¬
weg der Geist jener demokratischen Politik, die alles, was nicht zu dem Kreise
ihrer Gesinnungs- und Staatsgenossen gehört, für rechtlos erklärt, und für
ihre Ansprüche keine andere Grenze kennt, als das eigne Belieben. Derselbe
Mr. Buchanan, der sich so ängstlich besorgt zeigt, daß die Uebergriffe Englands
die Selbstständigkeit der mittelamerikanischen Staaten gefährden könnten, stellt
in einer Depesche vom 18. October -I8S6 folgende Grundsätze über das gegen
Spanien hinsichtlich Cubas zu beobachtende Verfahren auf, Grundsatze, die
nicht etwa blos seine Privatmeinung, sondern das Resultat einer 18Si abge¬
haltenen Conferenz sämmtlicher Vertreter der Vereinigten Staaten in Europa sind.

„Nachdem wir Spanien für Cuba einen seinen gegenwärtigen Werth
übersteigenden Preis angeboten haben und dieser nicht angenommen worden
ist, haben wir die Frage zu überlegen: gefährdet Cuba, so lange es im Besitz
von Spanien bleibt, ernstlich unsern innern Frieden und das Fortbestehen uns¬
rer geliebten Union? Wird diese Frage mit Ja beantwortet, so sind wir durch
jedes göttliche uno menschliche Gesetz gerechtfertigt, es Spanien zu entreißen,
wenn wir die Macht dazu haben; und zwar nach demselben Princip, welches
einen Einzelnen rechtfertigen würde, das brennende Haus seines Nachbars
niederzureißen, wenn durch dasselbe seiner eignen Wohnung die Gefahr der
Verbrennung drohte. Unter diesen Umständen dürfen wir uns weder vor den
Kosten, noch vorder Uebermacht scheuen, welche Spanien gegen uns ins Feld
führen könnte. Wir enthalten uns des Eingehens auf die Frage, ob der
gegenwärtige Zustand der Insel eine solche Maßregel rechtfertigt. Wir würden
jedoch*untreu unsrer Pflicht, unwürdig unsrer tapfern Ahnen sein und nie¬
drigen Verrath an unsern Nachkommen begehen, wenn wir duldeten, daß Cuba
afrikanisirt und zu einem zweiten Se. Domingo mit allen davon unzertrennlichen
Schrecken für Vie Weißen würde, und wenn wir duldeten, daß sich der Brand
auf unsre heimische Küsten ausdehnte und das schöne Gebäude unsrer ge¬
liebten Union gefährdete und zerstörte."

Dies sind die Principien, nach welchen die Vereinigten Staaten gegen¬
wärtig ihre auswärtige Politik regeln und eS muß dem Europäer einleuchten,
daß bei solchen Principien die Berufung auf das Völkerrecht einen ganz be¬
sondern Nachdruck haben muß!




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[0399] der Vereinigten Staaten etwa bereits im Begriff, Walker als einen unter ihrer Fahne und mit ihrer Vollmacht kriegführenden Heerführer anzuerkennen? Auf dieser Entwicklungsstufe ist die centralamerikanische Differenz jetzt an¬ gelangt. In den Verhandlungen zeigt sich von Seiten der Amerikaner durch¬ weg der Geist jener demokratischen Politik, die alles, was nicht zu dem Kreise ihrer Gesinnungs- und Staatsgenossen gehört, für rechtlos erklärt, und für ihre Ansprüche keine andere Grenze kennt, als das eigne Belieben. Derselbe Mr. Buchanan, der sich so ängstlich besorgt zeigt, daß die Uebergriffe Englands die Selbstständigkeit der mittelamerikanischen Staaten gefährden könnten, stellt in einer Depesche vom 18. October -I8S6 folgende Grundsätze über das gegen Spanien hinsichtlich Cubas zu beobachtende Verfahren auf, Grundsatze, die nicht etwa blos seine Privatmeinung, sondern das Resultat einer 18Si abge¬ haltenen Conferenz sämmtlicher Vertreter der Vereinigten Staaten in Europa sind. „Nachdem wir Spanien für Cuba einen seinen gegenwärtigen Werth übersteigenden Preis angeboten haben und dieser nicht angenommen worden ist, haben wir die Frage zu überlegen: gefährdet Cuba, so lange es im Besitz von Spanien bleibt, ernstlich unsern innern Frieden und das Fortbestehen uns¬ rer geliebten Union? Wird diese Frage mit Ja beantwortet, so sind wir durch jedes göttliche uno menschliche Gesetz gerechtfertigt, es Spanien zu entreißen, wenn wir die Macht dazu haben; und zwar nach demselben Princip, welches einen Einzelnen rechtfertigen würde, das brennende Haus seines Nachbars niederzureißen, wenn durch dasselbe seiner eignen Wohnung die Gefahr der Verbrennung drohte. Unter diesen Umständen dürfen wir uns weder vor den Kosten, noch vorder Uebermacht scheuen, welche Spanien gegen uns ins Feld führen könnte. Wir enthalten uns des Eingehens auf die Frage, ob der gegenwärtige Zustand der Insel eine solche Maßregel rechtfertigt. Wir würden jedoch*untreu unsrer Pflicht, unwürdig unsrer tapfern Ahnen sein und nie¬ drigen Verrath an unsern Nachkommen begehen, wenn wir duldeten, daß Cuba afrikanisirt und zu einem zweiten Se. Domingo mit allen davon unzertrennlichen Schrecken für Vie Weißen würde, und wenn wir duldeten, daß sich der Brand auf unsre heimische Küsten ausdehnte und das schöne Gebäude unsrer ge¬ liebten Union gefährdete und zerstörte." Dies sind die Principien, nach welchen die Vereinigten Staaten gegen¬ wärtig ihre auswärtige Politik regeln und eS muß dem Europäer einleuchten, daß bei solchen Principien die Berufung auf das Völkerrecht einen ganz be¬ sondern Nachdruck haben muß!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/399>, abgerufen am 21.06.2024.