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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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als Staat in Frieden lebt. Beschwerden über solche Unternehmungen schenkt
die Centralregierung nur halb Gehör. Noch im vorigen Jahr durfte Oberst
Kinncy eine bewaffnete Expedition nach der Moskitoküste ausrüsten, und die
sich beschwerenden Minister von Nikaragua und Costarica erhielten zur Ant¬
wort, daß das Ganze nur eine Geschäftserpedition sei, und die Regierung keine
Veranlassung sehe, sich einzumischen. Zuletzt verbot sie allerdings die Abfahrt
der Erpedition, die aber dennoch eine günstige Gelegenheit zu finden wußte,
unter Segel zu gehen. Sie war nur die Vorläuferin der spätern Erpedition
Walkers, der gegenwärtig Centralamerika auf eigne Hand zu erobern versucht.
Will man dies nur als Privatunternehmen gelten lassen, für welche die Ne¬
gierung der Union keine Verantwortung trägt, so verweisen wir auf die Be¬
schießung von Greytown im Jahre 18Si als ein Beispiel, wie Beamte der
Regierung gegen Staaten verfahren, deren Unabhängigkeit die Staatsmänner
der Union gegen Angriffe von Seiten Englands mit so empfindlicher Eifersucht,;"
bewahren vorgeben. In Greytown war im Sommer vorigen Jahres ein Auflauf ge¬
wesen, wobei der bevollmächtigte Minister der Vereinigten Staaten in Centralame¬
rika einen des Mordes Angeklagten aus dem Gewahrsam der gesetzlichen Behörden
zu befreien versuchte. In dem Handgemenge wurde Mr. Borland geschlagen,
und verhaftet. Obgleich der amerikanische Gesandte selbst an den ihm wider¬
fahrenen Schaden Schuld war, indem er unbefugterweise in die amtliche
Thätigkeit der Ortsbehörden eingegriffen hatte, verlangte doch der mit dem
Kriegsschiff Cyane in dem Hafen erscheinende Capitän Hollins für diese
Beleidigung Genugthuung und gab der Behörde von Greytown eine Frist von
zwei Tagen vom 11. bis zum 13. Juli, ob sie um Verzeihung bitten oder sich
einer Beschießung aussetzen wolle. Ersteres weigerte sich die Behörde zu thun
und nun beschoß Copitän Hollins die kleine Stadt sechs Stunden lang und
setzte dann eine Anzahl Matrosen ans Land, welche die noch stehenden Trümmer
in Brand steckten. England, die Schntzmacht, beschränkte sich auf. eine Be¬
schwerde, woraus die.amerikanische Regierung den Capitän zwar abberief, ihm
aber durch den Marinesecretär versichern ließ, daß er das -Vertrauen des
Marinedepartements immer noch in demselben Grade genieße wie früher. Sie
durfte der öffentlichen Meinung gegenüber nicht mehr thun, denn diese fand das
.brutale Benehmen des Hollins nur energisch und höchst lobenswert!).

Während mit der Connivenz der amerikanischen Regierung neutrale Städte
bombavdirt werden und bewaffnete Freibeuterscharen ans Eroberungszüge gegen
befreundete Staaten ausgehen, erheben ihre Organe neuerdings wieder ein ge-
waltiges Geschrei, daß die englische Negierung angeblich der Negierung von
Costarica mit 200 Musketen aufzuhelfen versprochen hat. Sie wollen darin
eine Neutralitätsverletzung sehen, als ob die Vereinigten Staaten und nicht
blos Oberst Walker mit Costarica Krieg führte. Oder steht die Negierung


als Staat in Frieden lebt. Beschwerden über solche Unternehmungen schenkt
die Centralregierung nur halb Gehör. Noch im vorigen Jahr durfte Oberst
Kinncy eine bewaffnete Expedition nach der Moskitoküste ausrüsten, und die
sich beschwerenden Minister von Nikaragua und Costarica erhielten zur Ant¬
wort, daß das Ganze nur eine Geschäftserpedition sei, und die Regierung keine
Veranlassung sehe, sich einzumischen. Zuletzt verbot sie allerdings die Abfahrt
der Erpedition, die aber dennoch eine günstige Gelegenheit zu finden wußte,
unter Segel zu gehen. Sie war nur die Vorläuferin der spätern Erpedition
Walkers, der gegenwärtig Centralamerika auf eigne Hand zu erobern versucht.
Will man dies nur als Privatunternehmen gelten lassen, für welche die Ne¬
gierung der Union keine Verantwortung trägt, so verweisen wir auf die Be¬
schießung von Greytown im Jahre 18Si als ein Beispiel, wie Beamte der
Regierung gegen Staaten verfahren, deren Unabhängigkeit die Staatsmänner
der Union gegen Angriffe von Seiten Englands mit so empfindlicher Eifersucht,;»
bewahren vorgeben. In Greytown war im Sommer vorigen Jahres ein Auflauf ge¬
wesen, wobei der bevollmächtigte Minister der Vereinigten Staaten in Centralame¬
rika einen des Mordes Angeklagten aus dem Gewahrsam der gesetzlichen Behörden
zu befreien versuchte. In dem Handgemenge wurde Mr. Borland geschlagen,
und verhaftet. Obgleich der amerikanische Gesandte selbst an den ihm wider¬
fahrenen Schaden Schuld war, indem er unbefugterweise in die amtliche
Thätigkeit der Ortsbehörden eingegriffen hatte, verlangte doch der mit dem
Kriegsschiff Cyane in dem Hafen erscheinende Capitän Hollins für diese
Beleidigung Genugthuung und gab der Behörde von Greytown eine Frist von
zwei Tagen vom 11. bis zum 13. Juli, ob sie um Verzeihung bitten oder sich
einer Beschießung aussetzen wolle. Ersteres weigerte sich die Behörde zu thun
und nun beschoß Copitän Hollins die kleine Stadt sechs Stunden lang und
setzte dann eine Anzahl Matrosen ans Land, welche die noch stehenden Trümmer
in Brand steckten. England, die Schntzmacht, beschränkte sich auf. eine Be¬
schwerde, woraus die.amerikanische Regierung den Capitän zwar abberief, ihm
aber durch den Marinesecretär versichern ließ, daß er das -Vertrauen des
Marinedepartements immer noch in demselben Grade genieße wie früher. Sie
durfte der öffentlichen Meinung gegenüber nicht mehr thun, denn diese fand das
.brutale Benehmen des Hollins nur energisch und höchst lobenswert!).

Während mit der Connivenz der amerikanischen Regierung neutrale Städte
bombavdirt werden und bewaffnete Freibeuterscharen ans Eroberungszüge gegen
befreundete Staaten ausgehen, erheben ihre Organe neuerdings wieder ein ge-
waltiges Geschrei, daß die englische Negierung angeblich der Negierung von
Costarica mit 200 Musketen aufzuhelfen versprochen hat. Sie wollen darin
eine Neutralitätsverletzung sehen, als ob die Vereinigten Staaten und nicht
blos Oberst Walker mit Costarica Krieg führte. Oder steht die Negierung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/398>, abgerufen am 21.06.2024.