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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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sinnen erstaunt sein, während das amerikanische Volk es nicht mit der Würde
und Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten verträglich halten würde, eine
derartige Erklärung abzugeben. Hinsichtlich des zweiten und dritten Punktes
bemerkte die englische Regierung: "In Betreff der Behauptung, daß die Re¬
gierung von Altspanicn in Bezug auf das Moskitoprotectorat einen Anspruch
oder ein Einmischungsrecht habe, ist hervorzuheben, daß seit dem Frieden
von 1813 diese Regierung niemals dieses Protectorat in Frage gestellt hat;
und was die Behauptung betrifft, daß Großbritannien durch seinen Vertrag
mit Mexico als ein Princip anerkenne, daß die mit Spanien seinerseits ein¬
gegangenen Verpflichtungen nothwendigerweise aus jeden Bruchtheil der spani¬
schen Monarchie übergingen, der später zum selbstständigen Staate geworden, so
weise die Negierung diese Annahme mit aller Entschiedenheit zurück. In seinem
Vertrag mit Mexico habe England einfach stipulirt, daß englische Unterthanen
im unabhängigen Mexico nicht schlimmer gestellt sein sollten, als in Mexico,
so lange es eine spanische Provinz war. Daß die Rechte, welche englische
Unterthanen unter spanischer Herrschaft genossen, jetzt wieder durch besondern
Vertrag mit der Republik festgestellt werden, beweist eben, daß die Bestimmungen
früherer Verträge nicht selbstverständlich auf daS neue Verhältniß übertragen
würden, da sonst eine neue Verpflichtung überflüssig gewesen wäre. Aber selbst
wenn die mittelamerikanischen Republiken von Spanien das Recht ererbt hätten,
gegen das Protectorat Englands über die Moökitoküste Einwand zu erheben,
so hatten sie sich doch Jahre lang aller Einwendungen enthalten und als sie
dieselben erhoben, geschah es unter ähnlichen Rechtsansprüchen von mehren zu
gleicher Zeit, so daß es nach Aufgeben des Protectorats von Seiten Englands
zweifelhaft blieb, wem die Herrschaft über das aufgegebene Gebiet zufallen
würde -- eine Ungewißheit, welche nur zu Zwistigkeiten führen konnte, die
dem Interesse aller dabei betheiligten Staaten schädlich sein mußten. Die Ver¬
einigten Staaten selbst hatten früher das britische Protectorat und sogar die Be¬
setzung von San Juan de Nicaragua stillschweigend anerkannt. Bis Ende 1849
ist das ganze Verhältniß niemals in Verhandlung mit der englischen Regierung
berührt worden. Als 1830 der Präsident der Vereinigten Staaten dem Congreß
verschiedene Papiere über die centralamerikanischen Angelegenheiten vorlegte,
erklärte der Staatssecretär ausdrücklich, daß sich die Negierung von Nikaragua
1847 wegen der beabsichtigten und 1848 wegen der stattgefundenen Besetzung
von San Juan de Nicaragua durch die Engländer an die nordamerikanische
Regierung gewendet, aber keine Antwort empfangen habe; daß ebenso das
Verlangen des Generals Castellon. des Gesandten von Nicaragua, die Ver¬
einigten Staaten möchten wegen der Ansprüche, welche England im Namen
des Königs der Moskitoindianer auf Greytown erhoben, interveniren, wiederholt
zurückgewiesen worden sei. Daß, wenn auch die centralamerikanischen Staaten


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sinnen erstaunt sein, während das amerikanische Volk es nicht mit der Würde
und Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten verträglich halten würde, eine
derartige Erklärung abzugeben. Hinsichtlich des zweiten und dritten Punktes
bemerkte die englische Regierung: „In Betreff der Behauptung, daß die Re¬
gierung von Altspanicn in Bezug auf das Moskitoprotectorat einen Anspruch
oder ein Einmischungsrecht habe, ist hervorzuheben, daß seit dem Frieden
von 1813 diese Regierung niemals dieses Protectorat in Frage gestellt hat;
und was die Behauptung betrifft, daß Großbritannien durch seinen Vertrag
mit Mexico als ein Princip anerkenne, daß die mit Spanien seinerseits ein¬
gegangenen Verpflichtungen nothwendigerweise aus jeden Bruchtheil der spani¬
schen Monarchie übergingen, der später zum selbstständigen Staate geworden, so
weise die Negierung diese Annahme mit aller Entschiedenheit zurück. In seinem
Vertrag mit Mexico habe England einfach stipulirt, daß englische Unterthanen
im unabhängigen Mexico nicht schlimmer gestellt sein sollten, als in Mexico,
so lange es eine spanische Provinz war. Daß die Rechte, welche englische
Unterthanen unter spanischer Herrschaft genossen, jetzt wieder durch besondern
Vertrag mit der Republik festgestellt werden, beweist eben, daß die Bestimmungen
früherer Verträge nicht selbstverständlich auf daS neue Verhältniß übertragen
würden, da sonst eine neue Verpflichtung überflüssig gewesen wäre. Aber selbst
wenn die mittelamerikanischen Republiken von Spanien das Recht ererbt hätten,
gegen das Protectorat Englands über die Moökitoküste Einwand zu erheben,
so hatten sie sich doch Jahre lang aller Einwendungen enthalten und als sie
dieselben erhoben, geschah es unter ähnlichen Rechtsansprüchen von mehren zu
gleicher Zeit, so daß es nach Aufgeben des Protectorats von Seiten Englands
zweifelhaft blieb, wem die Herrschaft über das aufgegebene Gebiet zufallen
würde — eine Ungewißheit, welche nur zu Zwistigkeiten führen konnte, die
dem Interesse aller dabei betheiligten Staaten schädlich sein mußten. Die Ver¬
einigten Staaten selbst hatten früher das britische Protectorat und sogar die Be¬
setzung von San Juan de Nicaragua stillschweigend anerkannt. Bis Ende 1849
ist das ganze Verhältniß niemals in Verhandlung mit der englischen Regierung
berührt worden. Als 1830 der Präsident der Vereinigten Staaten dem Congreß
verschiedene Papiere über die centralamerikanischen Angelegenheiten vorlegte,
erklärte der Staatssecretär ausdrücklich, daß sich die Negierung von Nikaragua
1847 wegen der beabsichtigten und 1848 wegen der stattgefundenen Besetzung
von San Juan de Nicaragua durch die Engländer an die nordamerikanische
Regierung gewendet, aber keine Antwort empfangen habe; daß ebenso das
Verlangen des Generals Castellon. des Gesandten von Nicaragua, die Ver¬
einigten Staaten möchten wegen der Ansprüche, welche England im Namen
des Königs der Moskitoindianer auf Greytown erhoben, interveniren, wiederholt
zurückgewiesen worden sei. Daß, wenn auch die centralamerikanischen Staaten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/395>, abgerufen am 21.06.2024.