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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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befestigen oder zu colonisiren, oder ein Herrschaftsrecht über diese Staaten und
Gebiete zu beanspruchen oder auszuüben."

So wenig waren beide Regierungen der Meinung, daß dieser Vertrag ein
Aufhören des englischen Protectorats über die Möskitoküste oder eine Rückgabe
der Stadt Greytown oder San Juan de Nicaragua nach sich ziehe, daß Web¬
ster, damals amerikanischer Staatssekretär, gegen den englischen Gesandten,
Mr. Crcimpton, ausdrücklich erklärte: "Er sei keineswegs der Meinung, daß die
Vereinigten Staaten dafür hielten, von dem Augenblick des Abschlusses deS
Vertrags vom -I9.^April -I8S0 habe Großbritannien jedem Recht der Ein¬
mischung in die Angelegenheiten Greytowns oder der Moskitoküste entsagt."
Andrerseits erklärte Lord Palmerston beim Abschlüsse des Vertrags, daß die
englische Regierung die Moskitoküste weder zu occupiren, noch zu befestigen
und colonisiren oder Herrschaftsrechte darüber auszuüben gedenke, ließ aber aus¬
drücklich die Frage über die politischen Beziehungen zwischen England und der
Moskitoküste unberührt. Was die Rückgabe von Greytown an den Staat
Nicaragua betrifft, so dachte die damalige amerikanische Regierung so wenig
daran, auf ihr,' als auf einer natürlichen Folge des Clayton-Bulwerschen Ver¬
trags zu bestehen, daß sie nach dem Abschluß desselben noch besondere Unter¬
handlungen mit England über die Abtretung von Greytown und des angren¬
zenden Gebiets an einen der centralamerikanischen Staaten fortführte und da¬
bei nicht etwa von den Bestimmungen des Clayton-Bulwerschen Vertrags
ausging, sondern von den Bedingungen, die England aufstellte Und die mit
dem Vertrag nicht das mindeste zu thun hatten, indem es nämlich die Abtretung
abhängig machte von der Tilgung einer Entschädigungsfvrderung, die es
an Costarica hatte und von der von diesem Staat zu übernehmenden Ver¬
pflichtung, die Moskitoindianer auf gewissen Punkten des von ihnen bewohnten
Gebiets, welche niemals anders als nominell unter spanischer Herrschaft ge¬
standen haben, unbehelligt zu lassen. Auch hierbei erkannte Mr. Webster das
Schutzrecht Englands über die Moskitoküste und die Stadt Nicaragua indirect
an, indem er bemerkte, daß die Vereinigten Staaten kein directes Interesse an
irgend einer Nicaragua und die Moskitoküste betreffenden Frage hätten, so weit
dieselbe nicht die Erbauung eines Kanals und die freie Schiffahrt auf dem¬
selben berühre.

Die Einigkeit zwischen den Vereinigten Staaten blieb ungestört, bis die
schwache Negierung des Präsidenten Pierce den Annerationsbestrebungen der
demokratischen Partei freieren Lauf ließ als je zuvor. In Mittelamerika machte
sich der amerikanische Gesandte bei der Republik Nicaragua, Mr. Borland, zu
ihrem Sprecher. Als er am -Is. September 1833 von dem Präsidenten der
Republik feierlich empfangen wurde, hielt er eine Rede, welche man wol als
Programm der Politik, welche die jetzt in den Vereinigten Staaten Herr-


befestigen oder zu colonisiren, oder ein Herrschaftsrecht über diese Staaten und
Gebiete zu beanspruchen oder auszuüben."

So wenig waren beide Regierungen der Meinung, daß dieser Vertrag ein
Aufhören des englischen Protectorats über die Möskitoküste oder eine Rückgabe
der Stadt Greytown oder San Juan de Nicaragua nach sich ziehe, daß Web¬
ster, damals amerikanischer Staatssekretär, gegen den englischen Gesandten,
Mr. Crcimpton, ausdrücklich erklärte: „Er sei keineswegs der Meinung, daß die
Vereinigten Staaten dafür hielten, von dem Augenblick des Abschlusses deS
Vertrags vom -I9.^April -I8S0 habe Großbritannien jedem Recht der Ein¬
mischung in die Angelegenheiten Greytowns oder der Moskitoküste entsagt."
Andrerseits erklärte Lord Palmerston beim Abschlüsse des Vertrags, daß die
englische Regierung die Moskitoküste weder zu occupiren, noch zu befestigen
und colonisiren oder Herrschaftsrechte darüber auszuüben gedenke, ließ aber aus¬
drücklich die Frage über die politischen Beziehungen zwischen England und der
Moskitoküste unberührt. Was die Rückgabe von Greytown an den Staat
Nicaragua betrifft, so dachte die damalige amerikanische Regierung so wenig
daran, auf ihr,' als auf einer natürlichen Folge des Clayton-Bulwerschen Ver¬
trags zu bestehen, daß sie nach dem Abschluß desselben noch besondere Unter¬
handlungen mit England über die Abtretung von Greytown und des angren¬
zenden Gebiets an einen der centralamerikanischen Staaten fortführte und da¬
bei nicht etwa von den Bestimmungen des Clayton-Bulwerschen Vertrags
ausging, sondern von den Bedingungen, die England aufstellte Und die mit
dem Vertrag nicht das mindeste zu thun hatten, indem es nämlich die Abtretung
abhängig machte von der Tilgung einer Entschädigungsfvrderung, die es
an Costarica hatte und von der von diesem Staat zu übernehmenden Ver¬
pflichtung, die Moskitoindianer auf gewissen Punkten des von ihnen bewohnten
Gebiets, welche niemals anders als nominell unter spanischer Herrschaft ge¬
standen haben, unbehelligt zu lassen. Auch hierbei erkannte Mr. Webster das
Schutzrecht Englands über die Moskitoküste und die Stadt Nicaragua indirect
an, indem er bemerkte, daß die Vereinigten Staaten kein directes Interesse an
irgend einer Nicaragua und die Moskitoküste betreffenden Frage hätten, so weit
dieselbe nicht die Erbauung eines Kanals und die freie Schiffahrt auf dem¬
selben berühre.

Die Einigkeit zwischen den Vereinigten Staaten blieb ungestört, bis die
schwache Negierung des Präsidenten Pierce den Annerationsbestrebungen der
demokratischen Partei freieren Lauf ließ als je zuvor. In Mittelamerika machte
sich der amerikanische Gesandte bei der Republik Nicaragua, Mr. Borland, zu
ihrem Sprecher. Als er am -Is. September 1833 von dem Präsidenten der
Republik feierlich empfangen wurde, hielt er eine Rede, welche man wol als
Programm der Politik, welche die jetzt in den Vereinigten Staaten Herr-


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[0390] befestigen oder zu colonisiren, oder ein Herrschaftsrecht über diese Staaten und Gebiete zu beanspruchen oder auszuüben." So wenig waren beide Regierungen der Meinung, daß dieser Vertrag ein Aufhören des englischen Protectorats über die Möskitoküste oder eine Rückgabe der Stadt Greytown oder San Juan de Nicaragua nach sich ziehe, daß Web¬ ster, damals amerikanischer Staatssekretär, gegen den englischen Gesandten, Mr. Crcimpton, ausdrücklich erklärte: „Er sei keineswegs der Meinung, daß die Vereinigten Staaten dafür hielten, von dem Augenblick des Abschlusses deS Vertrags vom -I9.^April -I8S0 habe Großbritannien jedem Recht der Ein¬ mischung in die Angelegenheiten Greytowns oder der Moskitoküste entsagt." Andrerseits erklärte Lord Palmerston beim Abschlüsse des Vertrags, daß die englische Regierung die Moskitoküste weder zu occupiren, noch zu befestigen und colonisiren oder Herrschaftsrechte darüber auszuüben gedenke, ließ aber aus¬ drücklich die Frage über die politischen Beziehungen zwischen England und der Moskitoküste unberührt. Was die Rückgabe von Greytown an den Staat Nicaragua betrifft, so dachte die damalige amerikanische Regierung so wenig daran, auf ihr,' als auf einer natürlichen Folge des Clayton-Bulwerschen Ver¬ trags zu bestehen, daß sie nach dem Abschluß desselben noch besondere Unter¬ handlungen mit England über die Abtretung von Greytown und des angren¬ zenden Gebiets an einen der centralamerikanischen Staaten fortführte und da¬ bei nicht etwa von den Bestimmungen des Clayton-Bulwerschen Vertrags ausging, sondern von den Bedingungen, die England aufstellte Und die mit dem Vertrag nicht das mindeste zu thun hatten, indem es nämlich die Abtretung abhängig machte von der Tilgung einer Entschädigungsfvrderung, die es an Costarica hatte und von der von diesem Staat zu übernehmenden Ver¬ pflichtung, die Moskitoindianer auf gewissen Punkten des von ihnen bewohnten Gebiets, welche niemals anders als nominell unter spanischer Herrschaft ge¬ standen haben, unbehelligt zu lassen. Auch hierbei erkannte Mr. Webster das Schutzrecht Englands über die Moskitoküste und die Stadt Nicaragua indirect an, indem er bemerkte, daß die Vereinigten Staaten kein directes Interesse an irgend einer Nicaragua und die Moskitoküste betreffenden Frage hätten, so weit dieselbe nicht die Erbauung eines Kanals und die freie Schiffahrt auf dem¬ selben berühre. Die Einigkeit zwischen den Vereinigten Staaten blieb ungestört, bis die schwache Negierung des Präsidenten Pierce den Annerationsbestrebungen der demokratischen Partei freieren Lauf ließ als je zuvor. In Mittelamerika machte sich der amerikanische Gesandte bei der Republik Nicaragua, Mr. Borland, zu ihrem Sprecher. Als er am -Is. September 1833 von dem Präsidenten der Republik feierlich empfangen wurde, hielt er eine Rede, welche man wol als Programm der Politik, welche die jetzt in den Vereinigten Staaten Herr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/390>, abgerufen am 21.06.2024.