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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Schutzrecht über den Moskitostaat auszudehnen gewillt sei, zu einer Verstän¬
digung zu gelangen. Erst im November 1849 wurde diese angebahnt. . Mr.
Lawrence war damals eben erst als Vertreter der Vereinigten Staaten in Eng¬
land angekommen und einer seiner ersten Schritte war, an Lord Palmerston
eine Note zu richten, in welcher er keineswegs das englische Protektorat in
Frage stellte, sondern anfragte, ob die englische Regierung geneigt sei, gemein¬
schaftlich mit den Vereinigten Staaten die Neutralität eines schiffbaren Kanals,
einer Eisenbahn oder jeder andern Verbindung zwischen dem atlantischen und
dem stillen Ocean zu gewährleisten und ob die englische Regierung beabsich¬
tige, Nicaragua, Costarica, die sogenannte Moskitoküste oder irgend einen andern
Theil Centralamerikas zu occupiren oder zu colonisiren. Darauf erwiderte Lord
Palmerston, daß England keineswegs beabsichtige, die genannten Staaten oder
Gebietstheile zu occupiren oder zu colonisiren und sprach die Bereitwilligkeit
seiner Regierung aus, gemeinschaftlich mit den Vereinigten Staaten die Arbei¬
ten einer Gesellschaft zu unterstützen, welche die Herstellung einer von allen
Völkern zu benutzenden Verkehrsstraße über die Landenge beabsichtige. Unter
der ausdrücklichen Bedingung, daß die Verbindungslinie zu allen Zeiten dem
Handel aller Nationen unter gleichen Bedingungen offen sei, zeigte sich die
englische Regierung bereitwillig, daS Zustandekommen derselben dadurch zu er¬
leichtern, daß sie die Sicherung der Arbeiten während der Ausführung und
nach ihrer Vollendung übernahm und sich damit einverstanden erklärte, die
Verkehrsstraße unter den Schutz internationaler Verträge zu stellen, damit die
Benutzung oder der Fortbestand derselben niemals durch einen Kriegszustand
gefährdet werde.

Diese beiden Depeschen bildeten den Ausgangspunkt der spätern Unter¬
handlungen über den sogenannten Clayton-Bulwerschen Vertrag vom 19. April
1830 und sind, wie sich später zeigen wird, diese Unterhandlungen in demselben
Geiste fortgeführt und abgeschlossen, wie sie begonnen worden.

In dem ersten Artikel dieses Vertrags, welcher den Kern desselben bildet,
und um dessen Bestimmungen sich der ganze Streit dreht, verpflichten sich die
beiden contrahirenden Regierungen nach dem Wortlaut: "Niemals Befesti¬
gungen, welche den Kanal beherrschen oder in seiner Nachbarschaft liegen, zu
errichten, niemals ein Hcrrschaftsrecht über Nicaragua, Costarica, die Mos¬
kitoküste oder irgend einen Theil von Centralamerika zu beanspruchen oder aus¬
zuüben und ebensowenig von einem Schutzrecht, welches einer der beiden Staa¬
ten gewährt oder in Zukunft gewähren könnte, oder von einem Bündniß, wel¬
ches einer derselben mit irgend einem Staat oder einem Volke abgeschlossen
hat oder noch, abschließen dürfte, Gebrauch zu machen, um derartige Befesti¬
gungen zu errichten oder zu erhalten, oder um Nicaragua, Costarica, die Mos-
kitoküste oder irgend einen andern Theil von Centralamerika zu occupiren, zu


Schutzrecht über den Moskitostaat auszudehnen gewillt sei, zu einer Verstän¬
digung zu gelangen. Erst im November 1849 wurde diese angebahnt. . Mr.
Lawrence war damals eben erst als Vertreter der Vereinigten Staaten in Eng¬
land angekommen und einer seiner ersten Schritte war, an Lord Palmerston
eine Note zu richten, in welcher er keineswegs das englische Protektorat in
Frage stellte, sondern anfragte, ob die englische Regierung geneigt sei, gemein¬
schaftlich mit den Vereinigten Staaten die Neutralität eines schiffbaren Kanals,
einer Eisenbahn oder jeder andern Verbindung zwischen dem atlantischen und
dem stillen Ocean zu gewährleisten und ob die englische Regierung beabsich¬
tige, Nicaragua, Costarica, die sogenannte Moskitoküste oder irgend einen andern
Theil Centralamerikas zu occupiren oder zu colonisiren. Darauf erwiderte Lord
Palmerston, daß England keineswegs beabsichtige, die genannten Staaten oder
Gebietstheile zu occupiren oder zu colonisiren und sprach die Bereitwilligkeit
seiner Regierung aus, gemeinschaftlich mit den Vereinigten Staaten die Arbei¬
ten einer Gesellschaft zu unterstützen, welche die Herstellung einer von allen
Völkern zu benutzenden Verkehrsstraße über die Landenge beabsichtige. Unter
der ausdrücklichen Bedingung, daß die Verbindungslinie zu allen Zeiten dem
Handel aller Nationen unter gleichen Bedingungen offen sei, zeigte sich die
englische Regierung bereitwillig, daS Zustandekommen derselben dadurch zu er¬
leichtern, daß sie die Sicherung der Arbeiten während der Ausführung und
nach ihrer Vollendung übernahm und sich damit einverstanden erklärte, die
Verkehrsstraße unter den Schutz internationaler Verträge zu stellen, damit die
Benutzung oder der Fortbestand derselben niemals durch einen Kriegszustand
gefährdet werde.

Diese beiden Depeschen bildeten den Ausgangspunkt der spätern Unter¬
handlungen über den sogenannten Clayton-Bulwerschen Vertrag vom 19. April
1830 und sind, wie sich später zeigen wird, diese Unterhandlungen in demselben
Geiste fortgeführt und abgeschlossen, wie sie begonnen worden.

In dem ersten Artikel dieses Vertrags, welcher den Kern desselben bildet,
und um dessen Bestimmungen sich der ganze Streit dreht, verpflichten sich die
beiden contrahirenden Regierungen nach dem Wortlaut: „Niemals Befesti¬
gungen, welche den Kanal beherrschen oder in seiner Nachbarschaft liegen, zu
errichten, niemals ein Hcrrschaftsrecht über Nicaragua, Costarica, die Mos¬
kitoküste oder irgend einen Theil von Centralamerika zu beanspruchen oder aus¬
zuüben und ebensowenig von einem Schutzrecht, welches einer der beiden Staa¬
ten gewährt oder in Zukunft gewähren könnte, oder von einem Bündniß, wel¬
ches einer derselben mit irgend einem Staat oder einem Volke abgeschlossen
hat oder noch, abschließen dürfte, Gebrauch zu machen, um derartige Befesti¬
gungen zu errichten oder zu erhalten, oder um Nicaragua, Costarica, die Mos-
kitoküste oder irgend einen andern Theil von Centralamerika zu occupiren, zu


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[0389] Schutzrecht über den Moskitostaat auszudehnen gewillt sei, zu einer Verstän¬ digung zu gelangen. Erst im November 1849 wurde diese angebahnt. . Mr. Lawrence war damals eben erst als Vertreter der Vereinigten Staaten in Eng¬ land angekommen und einer seiner ersten Schritte war, an Lord Palmerston eine Note zu richten, in welcher er keineswegs das englische Protektorat in Frage stellte, sondern anfragte, ob die englische Regierung geneigt sei, gemein¬ schaftlich mit den Vereinigten Staaten die Neutralität eines schiffbaren Kanals, einer Eisenbahn oder jeder andern Verbindung zwischen dem atlantischen und dem stillen Ocean zu gewährleisten und ob die englische Regierung beabsich¬ tige, Nicaragua, Costarica, die sogenannte Moskitoküste oder irgend einen andern Theil Centralamerikas zu occupiren oder zu colonisiren. Darauf erwiderte Lord Palmerston, daß England keineswegs beabsichtige, die genannten Staaten oder Gebietstheile zu occupiren oder zu colonisiren und sprach die Bereitwilligkeit seiner Regierung aus, gemeinschaftlich mit den Vereinigten Staaten die Arbei¬ ten einer Gesellschaft zu unterstützen, welche die Herstellung einer von allen Völkern zu benutzenden Verkehrsstraße über die Landenge beabsichtige. Unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die Verbindungslinie zu allen Zeiten dem Handel aller Nationen unter gleichen Bedingungen offen sei, zeigte sich die englische Regierung bereitwillig, daS Zustandekommen derselben dadurch zu er¬ leichtern, daß sie die Sicherung der Arbeiten während der Ausführung und nach ihrer Vollendung übernahm und sich damit einverstanden erklärte, die Verkehrsstraße unter den Schutz internationaler Verträge zu stellen, damit die Benutzung oder der Fortbestand derselben niemals durch einen Kriegszustand gefährdet werde. Diese beiden Depeschen bildeten den Ausgangspunkt der spätern Unter¬ handlungen über den sogenannten Clayton-Bulwerschen Vertrag vom 19. April 1830 und sind, wie sich später zeigen wird, diese Unterhandlungen in demselben Geiste fortgeführt und abgeschlossen, wie sie begonnen worden. In dem ersten Artikel dieses Vertrags, welcher den Kern desselben bildet, und um dessen Bestimmungen sich der ganze Streit dreht, verpflichten sich die beiden contrahirenden Regierungen nach dem Wortlaut: „Niemals Befesti¬ gungen, welche den Kanal beherrschen oder in seiner Nachbarschaft liegen, zu errichten, niemals ein Hcrrschaftsrecht über Nicaragua, Costarica, die Mos¬ kitoküste oder irgend einen Theil von Centralamerika zu beanspruchen oder aus¬ zuüben und ebensowenig von einem Schutzrecht, welches einer der beiden Staa¬ ten gewährt oder in Zukunft gewähren könnte, oder von einem Bündniß, wel¬ ches einer derselben mit irgend einem Staat oder einem Volke abgeschlossen hat oder noch, abschließen dürfte, Gebrauch zu machen, um derartige Befesti¬ gungen zu errichten oder zu erhalten, oder um Nicaragua, Costarica, die Mos- kitoküste oder irgend einen andern Theil von Centralamerika zu occupiren, zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/389>, abgerufen am 21.06.2024.