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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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der Mündung des Flusses San Juan im Süden bis zum Kap Gracias a Dios
im Norden hinzieht und zwischen diesen beiden Punkten die ganze Meeresfläche
östlich von Honduras in sich schließt. vertheidigten noch die Moskito¬
indianer die Unabhängigkeit ihres Gebiets gegen die damals in Amerika all¬
mächtigen Spanier, aber einige Zeit nach der Eroberung Jamaikas durch die
von Cromwell ausgehende Flotte stellte sich der König der Moskitos mit der
Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und seines Volks unter den Schutz
Englands, welches das Protectorat annahm und es seit jener Zeit nicht nur
ununterbrochen ausgeübt, sondern auch auf derr Hafen San Juan de Nikara¬
gua ausgedehnt hat, indem es behauptete, daß dieser Hafen, an dem äußersten
Ende des Staates Nicaragua gelegen, zum Moskitogebiet gehöre und ihn
am 1. Januar militärisch besetzte. Seit, der Zeit bildet er einen Theil
des Königreichs Moskitia und führt den Namen Gre^own. Die Könige
oder Häuptlinge dieses Staats sind gelegentlich in Jamaika gekrönt worden,
wie z. B. der gegenwärtige, welcher dabei die Namen Robert Karl Friedrich
empfangen hat.

Mit Ausnahme des Staates Nicaragua, der eine erfolglose Verwahrung
gegen die Einverleibung von San Juan de Nicaragua einlegte, bekümmerte
sich niemand um das Gebahren der Engländer in jenen vom Weltverkehr ent¬
legenen Gebieten. Anders jedoch wurde es, als die Vereinigten Staaten in
den Besitz von Kalifornien kamen und die Entdeckung der dortigen reichen Gold¬
lager dem Verkehr der atlantischen Staaten mit dem neuerworbenen Territorium
einen ungeahnten Aufschwung gab. Der Seeweg um das Cap Horn, die
einzige Verbindungsstraße nach der neuen Erwerbung, war zu lang und gefähr¬
lich, als daß sich nicht das Bedürfniß nach einer kürzeren Linie alsbald hätte
fühlbar machen sollen und die Blicke der Amerikaner sielen jetzt aus Central-
amerika, durch welches sich die kürzeste Verbindung zwischen dem atlantischen und
dem stillen Meere herstellen ließ, und wo der Fluß San Juan und der
Nicaraguasee die günstigste Gelegenheit zur Anlegung eines schon früher pro-
jectirten Kanals darboten. Die Regierung von Nicaragua trat bereitwillig
einer Gesellschaft amerikanischer Bürger alle Rechte ab, welche sie über die Ver¬
kehrlinie besaß. Aber die Mündung des San Juan wurde von der Stadt
Greytown beherrscht und diese war zwar nicht grade im Besitz der Engländer,
stand aber doch unter der Herrschaft eines ihrer Schutzverwandten, des halb¬
wilden Königs der MoSkitoindianer, der sich in ihren Händen leicht zu einem
blinden Werkzeug benutzen ließ. Damit nun England ^nicht seinen Einfluß
anwende, um den Bau des projectirten Kanals ganz zu vereiteln, oder wenig¬
stens über denselben durch sein Protectorat besondere Rechte oder eine un¬
bedingte Controle zu erlangen, wurde es von großer Wichtigkeit für die Ver¬
einigten Staaten, mit England über die Grenzen, bis zu welchen dasselbe sein


der Mündung des Flusses San Juan im Süden bis zum Kap Gracias a Dios
im Norden hinzieht und zwischen diesen beiden Punkten die ganze Meeresfläche
östlich von Honduras in sich schließt. vertheidigten noch die Moskito¬
indianer die Unabhängigkeit ihres Gebiets gegen die damals in Amerika all¬
mächtigen Spanier, aber einige Zeit nach der Eroberung Jamaikas durch die
von Cromwell ausgehende Flotte stellte sich der König der Moskitos mit der
Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und seines Volks unter den Schutz
Englands, welches das Protectorat annahm und es seit jener Zeit nicht nur
ununterbrochen ausgeübt, sondern auch auf derr Hafen San Juan de Nikara¬
gua ausgedehnt hat, indem es behauptete, daß dieser Hafen, an dem äußersten
Ende des Staates Nicaragua gelegen, zum Moskitogebiet gehöre und ihn
am 1. Januar militärisch besetzte. Seit, der Zeit bildet er einen Theil
des Königreichs Moskitia und führt den Namen Gre^own. Die Könige
oder Häuptlinge dieses Staats sind gelegentlich in Jamaika gekrönt worden,
wie z. B. der gegenwärtige, welcher dabei die Namen Robert Karl Friedrich
empfangen hat.

Mit Ausnahme des Staates Nicaragua, der eine erfolglose Verwahrung
gegen die Einverleibung von San Juan de Nicaragua einlegte, bekümmerte
sich niemand um das Gebahren der Engländer in jenen vom Weltverkehr ent¬
legenen Gebieten. Anders jedoch wurde es, als die Vereinigten Staaten in
den Besitz von Kalifornien kamen und die Entdeckung der dortigen reichen Gold¬
lager dem Verkehr der atlantischen Staaten mit dem neuerworbenen Territorium
einen ungeahnten Aufschwung gab. Der Seeweg um das Cap Horn, die
einzige Verbindungsstraße nach der neuen Erwerbung, war zu lang und gefähr¬
lich, als daß sich nicht das Bedürfniß nach einer kürzeren Linie alsbald hätte
fühlbar machen sollen und die Blicke der Amerikaner sielen jetzt aus Central-
amerika, durch welches sich die kürzeste Verbindung zwischen dem atlantischen und
dem stillen Meere herstellen ließ, und wo der Fluß San Juan und der
Nicaraguasee die günstigste Gelegenheit zur Anlegung eines schon früher pro-
jectirten Kanals darboten. Die Regierung von Nicaragua trat bereitwillig
einer Gesellschaft amerikanischer Bürger alle Rechte ab, welche sie über die Ver¬
kehrlinie besaß. Aber die Mündung des San Juan wurde von der Stadt
Greytown beherrscht und diese war zwar nicht grade im Besitz der Engländer,
stand aber doch unter der Herrschaft eines ihrer Schutzverwandten, des halb¬
wilden Königs der MoSkitoindianer, der sich in ihren Händen leicht zu einem
blinden Werkzeug benutzen ließ. Damit nun England ^nicht seinen Einfluß
anwende, um den Bau des projectirten Kanals ganz zu vereiteln, oder wenig¬
stens über denselben durch sein Protectorat besondere Rechte oder eine un¬
bedingte Controle zu erlangen, wurde es von großer Wichtigkeit für die Ver¬
einigten Staaten, mit England über die Grenzen, bis zu welchen dasselbe sein


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[0388] der Mündung des Flusses San Juan im Süden bis zum Kap Gracias a Dios im Norden hinzieht und zwischen diesen beiden Punkten die ganze Meeresfläche östlich von Honduras in sich schließt. vertheidigten noch die Moskito¬ indianer die Unabhängigkeit ihres Gebiets gegen die damals in Amerika all¬ mächtigen Spanier, aber einige Zeit nach der Eroberung Jamaikas durch die von Cromwell ausgehende Flotte stellte sich der König der Moskitos mit der Zustimmung der vornehmsten Häuptlinge und seines Volks unter den Schutz Englands, welches das Protectorat annahm und es seit jener Zeit nicht nur ununterbrochen ausgeübt, sondern auch auf derr Hafen San Juan de Nikara¬ gua ausgedehnt hat, indem es behauptete, daß dieser Hafen, an dem äußersten Ende des Staates Nicaragua gelegen, zum Moskitogebiet gehöre und ihn am 1. Januar militärisch besetzte. Seit, der Zeit bildet er einen Theil des Königreichs Moskitia und führt den Namen Gre^own. Die Könige oder Häuptlinge dieses Staats sind gelegentlich in Jamaika gekrönt worden, wie z. B. der gegenwärtige, welcher dabei die Namen Robert Karl Friedrich empfangen hat. Mit Ausnahme des Staates Nicaragua, der eine erfolglose Verwahrung gegen die Einverleibung von San Juan de Nicaragua einlegte, bekümmerte sich niemand um das Gebahren der Engländer in jenen vom Weltverkehr ent¬ legenen Gebieten. Anders jedoch wurde es, als die Vereinigten Staaten in den Besitz von Kalifornien kamen und die Entdeckung der dortigen reichen Gold¬ lager dem Verkehr der atlantischen Staaten mit dem neuerworbenen Territorium einen ungeahnten Aufschwung gab. Der Seeweg um das Cap Horn, die einzige Verbindungsstraße nach der neuen Erwerbung, war zu lang und gefähr¬ lich, als daß sich nicht das Bedürfniß nach einer kürzeren Linie alsbald hätte fühlbar machen sollen und die Blicke der Amerikaner sielen jetzt aus Central- amerika, durch welches sich die kürzeste Verbindung zwischen dem atlantischen und dem stillen Meere herstellen ließ, und wo der Fluß San Juan und der Nicaraguasee die günstigste Gelegenheit zur Anlegung eines schon früher pro- jectirten Kanals darboten. Die Regierung von Nicaragua trat bereitwillig einer Gesellschaft amerikanischer Bürger alle Rechte ab, welche sie über die Ver¬ kehrlinie besaß. Aber die Mündung des San Juan wurde von der Stadt Greytown beherrscht und diese war zwar nicht grade im Besitz der Engländer, stand aber doch unter der Herrschaft eines ihrer Schutzverwandten, des halb¬ wilden Königs der MoSkitoindianer, der sich in ihren Händen leicht zu einem blinden Werkzeug benutzen ließ. Damit nun England ^nicht seinen Einfluß anwende, um den Bau des projectirten Kanals ganz zu vereiteln, oder wenig¬ stens über denselben durch sein Protectorat besondere Rechte oder eine un¬ bedingte Controle zu erlangen, wurde es von großer Wichtigkeit für die Ver¬ einigten Staaten, mit England über die Grenzen, bis zu welchen dasselbe sein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/388>, abgerufen am 21.06.2024.