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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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deutet habe, immer mehr und mehr in Abstellung kommt, hat die Gesetzgebung
um so mehr dieMflicht, ein genügendes Surrogat an dessen Stelle zusetzen, was
den Anforderungen der öffentlichen Meinung entspricht, da das Ehrgefühl eben
auf dieser.Meinung, namentlich der der Standesgenossen beruht, da eS ein
geistiges Princip ist, welches nicht durch Bestrafung des Beleidigers, sofern eS
verletzt war, wieder hergestellt werden kann, und um so viel weniger, wenn die
Strafen rein polizeilicher Natur, nicht aber Ehrenstrasen sind.

Noch ist die Frage zu untersuchen, ob die Ehrenrichter unter Umständen
das Duell für zulässig erklären können, oder nicht. In jenem Falle hat man
gesagt, wenn dem Ehrengericht die Befugniß beigelegt werde, den Zweikampf
unter Umständen zuzulassen, so werde dadurch das Duell legalisirt und der
Ehrenrichter über den Gesetzgeber gestellt. Dieser Einwand^ ist an sich gerecht¬
fertigt, man vergißt jedoch dabei, daß eS in der That wol Fälle geben kann,
wo nach den persönlichen Ansichten der Parteien und den sonstigen Umständen
allerdings ein solches äußeres Mittel erforderlich scheint, um die gewünschte
Genugthuung zu gewähren, auch wird dies bei einem Gerichte, welches seine
Pflicht erfüllt, nur selten vorkommen; sodann trifft dieser Einwand nicht das
ganze Institut, sondern nur die Art und Weise der Einrichtung und Befug¬
niß derselben, womit das ganze Institut noch nicht beseitigt ist; die Ehren¬
gerichte werden vielmehr sehr wohlthätig wirken, wie bereits die mitgetheilte
französische Gesetzgebung gezeigt hat und sie werden es dann um so mehr, je
mehr sie die öffentliche Meinung für sich haben und durch dieselbe ihr Ansehn
vermehren und befestigen.

Schließlich will ich noch die Worte des Entwurfes des allgemeinen Ge^
setzbuchs Theil I. Abschnitt III. S- 311 anführen, in welchem ebenfalls auf die
Einführung des Ehrengerichts angetragen ist, ohne daß sie jedoch angenommen
und eingeführt wurde: daß die Meinung, so heißt eS daselbst, als ob die
Ehre eines. Offiziers oder Edelmanns gege.n eine wider sie unternommene Be¬
leidigung nicht anders, als durch Zweikampf gerettet werden könne, auf einem
bloßen Vorurtheile beruhe, weil es nicht in der Gewalt irgend eines Privat¬
manns steht, dem andern seine Ehre zu nehmen oder zu schmälern, daß dieses
Vorurtheil höchst widersinnig sei, weil der Beleidigte, indem er wegen der ein¬
gebildeten Kränkung Satisfaction sucht, es in die Gewalt des Beleidigers
stellt, ihm eine wirkliche zuzufügen; daß dieses Vorurtheil zugleich einen uner¬
laubten Eingriff in die Majcstätsrechte des Staats und des dem Landesherrn
allein zukommenden M8 vitsc- et reels enthalte; daß es ein Ueberbleibsel aus
den Zeiten der Ordalien und des Faustrechts sei; darüber sind Philosophen
und Geschichte längst einig. Es gibt aber Vorurtheile, die aller Macht der
Legislation trotzen und so allgemein verbreitet und begünstigt sind, daß, je mehr
die Gesetzgebung die Strafen der daraus folgenden Verbrechen erhöht, desto


deutet habe, immer mehr und mehr in Abstellung kommt, hat die Gesetzgebung
um so mehr dieMflicht, ein genügendes Surrogat an dessen Stelle zusetzen, was
den Anforderungen der öffentlichen Meinung entspricht, da das Ehrgefühl eben
auf dieser.Meinung, namentlich der der Standesgenossen beruht, da eS ein
geistiges Princip ist, welches nicht durch Bestrafung des Beleidigers, sofern eS
verletzt war, wieder hergestellt werden kann, und um so viel weniger, wenn die
Strafen rein polizeilicher Natur, nicht aber Ehrenstrasen sind.

Noch ist die Frage zu untersuchen, ob die Ehrenrichter unter Umständen
das Duell für zulässig erklären können, oder nicht. In jenem Falle hat man
gesagt, wenn dem Ehrengericht die Befugniß beigelegt werde, den Zweikampf
unter Umständen zuzulassen, so werde dadurch das Duell legalisirt und der
Ehrenrichter über den Gesetzgeber gestellt. Dieser Einwand^ ist an sich gerecht¬
fertigt, man vergißt jedoch dabei, daß eS in der That wol Fälle geben kann,
wo nach den persönlichen Ansichten der Parteien und den sonstigen Umständen
allerdings ein solches äußeres Mittel erforderlich scheint, um die gewünschte
Genugthuung zu gewähren, auch wird dies bei einem Gerichte, welches seine
Pflicht erfüllt, nur selten vorkommen; sodann trifft dieser Einwand nicht das
ganze Institut, sondern nur die Art und Weise der Einrichtung und Befug¬
niß derselben, womit das ganze Institut noch nicht beseitigt ist; die Ehren¬
gerichte werden vielmehr sehr wohlthätig wirken, wie bereits die mitgetheilte
französische Gesetzgebung gezeigt hat und sie werden es dann um so mehr, je
mehr sie die öffentliche Meinung für sich haben und durch dieselbe ihr Ansehn
vermehren und befestigen.

Schließlich will ich noch die Worte des Entwurfes des allgemeinen Ge^
setzbuchs Theil I. Abschnitt III. S- 311 anführen, in welchem ebenfalls auf die
Einführung des Ehrengerichts angetragen ist, ohne daß sie jedoch angenommen
und eingeführt wurde: daß die Meinung, so heißt eS daselbst, als ob die
Ehre eines. Offiziers oder Edelmanns gege.n eine wider sie unternommene Be¬
leidigung nicht anders, als durch Zweikampf gerettet werden könne, auf einem
bloßen Vorurtheile beruhe, weil es nicht in der Gewalt irgend eines Privat¬
manns steht, dem andern seine Ehre zu nehmen oder zu schmälern, daß dieses
Vorurtheil höchst widersinnig sei, weil der Beleidigte, indem er wegen der ein¬
gebildeten Kränkung Satisfaction sucht, es in die Gewalt des Beleidigers
stellt, ihm eine wirkliche zuzufügen; daß dieses Vorurtheil zugleich einen uner¬
laubten Eingriff in die Majcstätsrechte des Staats und des dem Landesherrn
allein zukommenden M8 vitsc- et reels enthalte; daß es ein Ueberbleibsel aus
den Zeiten der Ordalien und des Faustrechts sei; darüber sind Philosophen
und Geschichte längst einig. Es gibt aber Vorurtheile, die aller Macht der
Legislation trotzen und so allgemein verbreitet und begünstigt sind, daß, je mehr
die Gesetzgebung die Strafen der daraus folgenden Verbrechen erhöht, desto


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[0386] deutet habe, immer mehr und mehr in Abstellung kommt, hat die Gesetzgebung um so mehr dieMflicht, ein genügendes Surrogat an dessen Stelle zusetzen, was den Anforderungen der öffentlichen Meinung entspricht, da das Ehrgefühl eben auf dieser.Meinung, namentlich der der Standesgenossen beruht, da eS ein geistiges Princip ist, welches nicht durch Bestrafung des Beleidigers, sofern eS verletzt war, wieder hergestellt werden kann, und um so viel weniger, wenn die Strafen rein polizeilicher Natur, nicht aber Ehrenstrasen sind. Noch ist die Frage zu untersuchen, ob die Ehrenrichter unter Umständen das Duell für zulässig erklären können, oder nicht. In jenem Falle hat man gesagt, wenn dem Ehrengericht die Befugniß beigelegt werde, den Zweikampf unter Umständen zuzulassen, so werde dadurch das Duell legalisirt und der Ehrenrichter über den Gesetzgeber gestellt. Dieser Einwand^ ist an sich gerecht¬ fertigt, man vergißt jedoch dabei, daß eS in der That wol Fälle geben kann, wo nach den persönlichen Ansichten der Parteien und den sonstigen Umständen allerdings ein solches äußeres Mittel erforderlich scheint, um die gewünschte Genugthuung zu gewähren, auch wird dies bei einem Gerichte, welches seine Pflicht erfüllt, nur selten vorkommen; sodann trifft dieser Einwand nicht das ganze Institut, sondern nur die Art und Weise der Einrichtung und Befug¬ niß derselben, womit das ganze Institut noch nicht beseitigt ist; die Ehren¬ gerichte werden vielmehr sehr wohlthätig wirken, wie bereits die mitgetheilte französische Gesetzgebung gezeigt hat und sie werden es dann um so mehr, je mehr sie die öffentliche Meinung für sich haben und durch dieselbe ihr Ansehn vermehren und befestigen. Schließlich will ich noch die Worte des Entwurfes des allgemeinen Ge^ setzbuchs Theil I. Abschnitt III. S- 311 anführen, in welchem ebenfalls auf die Einführung des Ehrengerichts angetragen ist, ohne daß sie jedoch angenommen und eingeführt wurde: daß die Meinung, so heißt eS daselbst, als ob die Ehre eines. Offiziers oder Edelmanns gege.n eine wider sie unternommene Be¬ leidigung nicht anders, als durch Zweikampf gerettet werden könne, auf einem bloßen Vorurtheile beruhe, weil es nicht in der Gewalt irgend eines Privat¬ manns steht, dem andern seine Ehre zu nehmen oder zu schmälern, daß dieses Vorurtheil höchst widersinnig sei, weil der Beleidigte, indem er wegen der ein¬ gebildeten Kränkung Satisfaction sucht, es in die Gewalt des Beleidigers stellt, ihm eine wirkliche zuzufügen; daß dieses Vorurtheil zugleich einen uner¬ laubten Eingriff in die Majcstätsrechte des Staats und des dem Landesherrn allein zukommenden M8 vitsc- et reels enthalte; daß es ein Ueberbleibsel aus den Zeiten der Ordalien und des Faustrechts sei; darüber sind Philosophen und Geschichte längst einig. Es gibt aber Vorurtheile, die aller Macht der Legislation trotzen und so allgemein verbreitet und begünstigt sind, daß, je mehr die Gesetzgebung die Strafen der daraus folgenden Verbrechen erhöht, desto

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/386>, abgerufen am 21.06.2024.