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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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der Zweikampf vom religiösen Standpunkte aus ganz zu verwerfen und ebenso
in einer sittlichen Lebensordnung nicht zu vertheidigen ist, so muß doch als
eine Thatsache zugegeben werden, daß der Zweikampf im Einzelnen sehr oft
nicht zu vermeiden ist, wenn derjenige, welcher ihn ablehnt, nicht zugleich seine
Lebensstellung vernichten oder beeinträchtigen will. Die allgemeinen Lebens¬
ansichten stehen hier in Conflict mit den allgemeinen sittlichen und rechtlichen
Lebensregeln. Die in den frühern Strafbestimmungen unverhältnißmäßig harten
Strafen, heißt es weiter, sind der Grund der gänzlichen Unanwendbarkeit der¬
selben gewesen; die Begnadigung hat vermittelnd zwischen dem Gesetze und
der allgemeinen Volksanschauung eintreten müssen und es sind die schwersten
erkannten Strafen in verhältnißmäßig gelinde verwandelt worden." Deshalb
sei die Strafbarkeit des Duells anerkannt, jedoch die Höhe der Strafe in einer
Weise bemessen, daß sie dem im Volke lebenden Rechtsbewußtsein entspreche
und daß sie, wenn sie demnächst erkannt werde, auch vollstreckt werden könne.

Aber auch jetzt noch rechnen die Duellanten von vornherein aus Begna¬
digung und nach dem zu urtheilen, was die Geschichte des Duells seit Jahr¬
hunderten lehrt, nicht ohne Hoffnung, auch ist mir bis jetzt kein Fall bekannt,
wo die gering bemessene Strafe an Duellanten vollstreckt worden wäre. Die
preußische Gesetzgebung über das Duell kann also auch noch nicht als abge¬
schlossen betrachtet, muß vielmehr nach dem Folgenden als lückenhaft und
mangelhaft bezeichnet werden. Der Charakter, den diese Gesetzgebung trägt, ist
ein polizeilicher, indem er derartige Excesse nicht gestattet, indeß wegen der
Natur derselben nur geringer bestraft. Zur Sühne der erhaltenen Beleidigung
wird gleichzeitig auf den Rechtsweg verwiesen, der sich jedoch wie schon die
mttgetheilte Geschichte des Duells darthut, als unzureichend ergibt. Ehren¬
sachen eignen sich gar nicht zu einer juristischen Discussion und sind sehr oft
gar nicht Verletzung eines positiven Rechtes, sie können mithin auch gar nicht
nach dem Gesetz und daher nicht von dem Richter, welcher seinen Ausspruch
aus positiven Gesetzen schöpft, sondern nur von Standesgenossen und nach
Slandesgefühlen beurtheilt und richtig bemessen werden.

Wie sich aus den mitgetheilten Motiven ergibt, kommt es der Gesetzgebung
gar nicht daraus an, die verletzte Ehre wieder herzustellen und somit Selbst¬
hilfe unnöthig zu machen, als vielmehr nur die unsittliche Handlung zu be¬
strafen, indem sie stillschweigend annimmt, daß daraus die Reparatur jener
Verletzung von selbst folge. Die Ehre wird allgemein für ein höchstes Gut
anerkannt, dennoch wirb nach preußischem Recht z. B. der Diebstahl an einem
geringen Gegenstande oft härter bestraft als der Rund an der Ehre, während
dem Beleidigten kein Mittel gegeben ist, seinem verletzten Ehrgefühl Genug¬
thuung zu verschaffen. .Wie ich schon einmal oben erwähnte, ist der Beleidigte
oft weit davon entfernt, aus die individuelle Meinung deS Beleidigers von


der Zweikampf vom religiösen Standpunkte aus ganz zu verwerfen und ebenso
in einer sittlichen Lebensordnung nicht zu vertheidigen ist, so muß doch als
eine Thatsache zugegeben werden, daß der Zweikampf im Einzelnen sehr oft
nicht zu vermeiden ist, wenn derjenige, welcher ihn ablehnt, nicht zugleich seine
Lebensstellung vernichten oder beeinträchtigen will. Die allgemeinen Lebens¬
ansichten stehen hier in Conflict mit den allgemeinen sittlichen und rechtlichen
Lebensregeln. Die in den frühern Strafbestimmungen unverhältnißmäßig harten
Strafen, heißt es weiter, sind der Grund der gänzlichen Unanwendbarkeit der¬
selben gewesen; die Begnadigung hat vermittelnd zwischen dem Gesetze und
der allgemeinen Volksanschauung eintreten müssen und es sind die schwersten
erkannten Strafen in verhältnißmäßig gelinde verwandelt worden." Deshalb
sei die Strafbarkeit des Duells anerkannt, jedoch die Höhe der Strafe in einer
Weise bemessen, daß sie dem im Volke lebenden Rechtsbewußtsein entspreche
und daß sie, wenn sie demnächst erkannt werde, auch vollstreckt werden könne.

Aber auch jetzt noch rechnen die Duellanten von vornherein aus Begna¬
digung und nach dem zu urtheilen, was die Geschichte des Duells seit Jahr¬
hunderten lehrt, nicht ohne Hoffnung, auch ist mir bis jetzt kein Fall bekannt,
wo die gering bemessene Strafe an Duellanten vollstreckt worden wäre. Die
preußische Gesetzgebung über das Duell kann also auch noch nicht als abge¬
schlossen betrachtet, muß vielmehr nach dem Folgenden als lückenhaft und
mangelhaft bezeichnet werden. Der Charakter, den diese Gesetzgebung trägt, ist
ein polizeilicher, indem er derartige Excesse nicht gestattet, indeß wegen der
Natur derselben nur geringer bestraft. Zur Sühne der erhaltenen Beleidigung
wird gleichzeitig auf den Rechtsweg verwiesen, der sich jedoch wie schon die
mttgetheilte Geschichte des Duells darthut, als unzureichend ergibt. Ehren¬
sachen eignen sich gar nicht zu einer juristischen Discussion und sind sehr oft
gar nicht Verletzung eines positiven Rechtes, sie können mithin auch gar nicht
nach dem Gesetz und daher nicht von dem Richter, welcher seinen Ausspruch
aus positiven Gesetzen schöpft, sondern nur von Standesgenossen und nach
Slandesgefühlen beurtheilt und richtig bemessen werden.

Wie sich aus den mitgetheilten Motiven ergibt, kommt es der Gesetzgebung
gar nicht daraus an, die verletzte Ehre wieder herzustellen und somit Selbst¬
hilfe unnöthig zu machen, als vielmehr nur die unsittliche Handlung zu be¬
strafen, indem sie stillschweigend annimmt, daß daraus die Reparatur jener
Verletzung von selbst folge. Die Ehre wird allgemein für ein höchstes Gut
anerkannt, dennoch wirb nach preußischem Recht z. B. der Diebstahl an einem
geringen Gegenstande oft härter bestraft als der Rund an der Ehre, während
dem Beleidigten kein Mittel gegeben ist, seinem verletzten Ehrgefühl Genug¬
thuung zu verschaffen. .Wie ich schon einmal oben erwähnte, ist der Beleidigte
oft weit davon entfernt, aus die individuelle Meinung deS Beleidigers von


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[0384] der Zweikampf vom religiösen Standpunkte aus ganz zu verwerfen und ebenso in einer sittlichen Lebensordnung nicht zu vertheidigen ist, so muß doch als eine Thatsache zugegeben werden, daß der Zweikampf im Einzelnen sehr oft nicht zu vermeiden ist, wenn derjenige, welcher ihn ablehnt, nicht zugleich seine Lebensstellung vernichten oder beeinträchtigen will. Die allgemeinen Lebens¬ ansichten stehen hier in Conflict mit den allgemeinen sittlichen und rechtlichen Lebensregeln. Die in den frühern Strafbestimmungen unverhältnißmäßig harten Strafen, heißt es weiter, sind der Grund der gänzlichen Unanwendbarkeit der¬ selben gewesen; die Begnadigung hat vermittelnd zwischen dem Gesetze und der allgemeinen Volksanschauung eintreten müssen und es sind die schwersten erkannten Strafen in verhältnißmäßig gelinde verwandelt worden." Deshalb sei die Strafbarkeit des Duells anerkannt, jedoch die Höhe der Strafe in einer Weise bemessen, daß sie dem im Volke lebenden Rechtsbewußtsein entspreche und daß sie, wenn sie demnächst erkannt werde, auch vollstreckt werden könne. Aber auch jetzt noch rechnen die Duellanten von vornherein aus Begna¬ digung und nach dem zu urtheilen, was die Geschichte des Duells seit Jahr¬ hunderten lehrt, nicht ohne Hoffnung, auch ist mir bis jetzt kein Fall bekannt, wo die gering bemessene Strafe an Duellanten vollstreckt worden wäre. Die preußische Gesetzgebung über das Duell kann also auch noch nicht als abge¬ schlossen betrachtet, muß vielmehr nach dem Folgenden als lückenhaft und mangelhaft bezeichnet werden. Der Charakter, den diese Gesetzgebung trägt, ist ein polizeilicher, indem er derartige Excesse nicht gestattet, indeß wegen der Natur derselben nur geringer bestraft. Zur Sühne der erhaltenen Beleidigung wird gleichzeitig auf den Rechtsweg verwiesen, der sich jedoch wie schon die mttgetheilte Geschichte des Duells darthut, als unzureichend ergibt. Ehren¬ sachen eignen sich gar nicht zu einer juristischen Discussion und sind sehr oft gar nicht Verletzung eines positiven Rechtes, sie können mithin auch gar nicht nach dem Gesetz und daher nicht von dem Richter, welcher seinen Ausspruch aus positiven Gesetzen schöpft, sondern nur von Standesgenossen und nach Slandesgefühlen beurtheilt und richtig bemessen werden. Wie sich aus den mitgetheilten Motiven ergibt, kommt es der Gesetzgebung gar nicht daraus an, die verletzte Ehre wieder herzustellen und somit Selbst¬ hilfe unnöthig zu machen, als vielmehr nur die unsittliche Handlung zu be¬ strafen, indem sie stillschweigend annimmt, daß daraus die Reparatur jener Verletzung von selbst folge. Die Ehre wird allgemein für ein höchstes Gut anerkannt, dennoch wirb nach preußischem Recht z. B. der Diebstahl an einem geringen Gegenstande oft härter bestraft als der Rund an der Ehre, während dem Beleidigten kein Mittel gegeben ist, seinem verletzten Ehrgefühl Genug¬ thuung zu verschaffen. .Wie ich schon einmal oben erwähnte, ist der Beleidigte oft weit davon entfernt, aus die individuelle Meinung deS Beleidigers von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/384>, abgerufen am 21.06.2024.