Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ehrengericht als Surrogat für das Duell einführen wollte. Diese Bestim¬
mungen wurden jedoch gestrichen, und es wurde nur der, die Strafbestimmungen
enthaltende Abschnitt in das allgemeine Landrecht aufgenommen und gleichzeitig
eine Privatgenugthuung durch Ehrenerklärung, Widerruf und Abbitte ange¬
ordnet. Im Jahre 1811 wurde aber auch diese aufgehoben, indem man an¬
nahm, daß dieselbe gleichzeitig mit in der öffentlichen Strafe enthalten sei.

Damit hatte man aber den richtigen Gesichtspunkt gänzlich verlassen, da
es dem Manne von wahrer Ehre weniger auf Bestrafung des Beleidigers, als
vielmehr auf Zurücknahme der Beleidigung ankommt, und wenn diese Gesetz¬
gebung keine nachtheiligen Folgen hatte und die Fälle der Verletzung der
Duellgesetze immer seltener wurden, so lag dies weniger in der Art der Gesetz¬
gebung, als vielmehr darin, daß überhaupt das Duell lo der neuern Zeit
seltener geworden ist, und dieser Umstand ist grade ein Beweis dafür, daß in
dem gegenwärtigen Jahrhundert zur Unsitte geworden ist, was vor Jahrhun¬
derten Sitte und Gewohnheit war, daß das gegenwärtige Jahrhundert das
Unsittliche, Unmoralische, Unreligiöse, daS Unvernünftige des Duells erkannt
hat und nach einem Surrogate für dasselbe verlangt, was einzig und allein in
dem Ehrengerichte gesunden werden kann. Das hat die preußische Gesetz¬
gebung denn auch bereits in den Verordnungen vom 20. Juli 1843 und
27. September 18L5 richtig erkannt, wenn auch noch nicht genügend gelöst
und auch nur für das Militär angeordnet.

In das neuere Strafgesetzbuch vom 14. April 1831 sind wiederum nnr
Strafbestimmungen, nicht dagegen das Ehrengericht und überhaupt keine Be¬
stimmungen zur Genugthuung des Beleidigten aufgenommen. Das Gesetzbuch
geht überhaupt auf Neparirung der verletzten Ehre, auf die verletzte Persön¬
lichkeit gar nicht ein, denn die dz 163 angeordnete öffentliche Bekanntmachung
kann durchaus nicht dafür angesehen werden, es hat den römischrechtlichen
Grundsatz angenommen und den deutschrechtlichen ganz bei Seite liegen
lassen. Während nämlich die Römer einem Geschmähten auf keine Weise
Vorwürfe machten, es rein von ihm abhängen ließen, ob er sich um die In¬
jurie kümmern wollte, während sie durch Privatklagen die Verletzung verfolgen
ließen, betrachteten die Deutschen jeden beschimpften und gescholtenen Mann
als ehrlos, beraubten thu aller Vorzüge, schlössen ihn von Turnieren, Zünften
et. so lange aus, als er die erlittene Schmach auf sich ungeahndet ließ; Jn-
jurienprocesse anzustellen wurde für schimpflich gehalten, und so blieb nichts
übrig, als sich mit dem Degen Genugthuung zu verschaffen. Vgl. Mittermaier,
Bemerkungen über Duellgesetze, S. 1L3. In den Motiven des Strafgesetzbuchs
heißt es "un: "Die verletzte Cyrenhafligkeil soll durch den Beweis der persön¬
lichen Tapferkeit und der Todesverachtung bewährt werben; dies ist der
Grundgedanke. Wenngleich nun ohne weiteres anerkannt werben muß, daß


Ehrengericht als Surrogat für das Duell einführen wollte. Diese Bestim¬
mungen wurden jedoch gestrichen, und es wurde nur der, die Strafbestimmungen
enthaltende Abschnitt in das allgemeine Landrecht aufgenommen und gleichzeitig
eine Privatgenugthuung durch Ehrenerklärung, Widerruf und Abbitte ange¬
ordnet. Im Jahre 1811 wurde aber auch diese aufgehoben, indem man an¬
nahm, daß dieselbe gleichzeitig mit in der öffentlichen Strafe enthalten sei.

Damit hatte man aber den richtigen Gesichtspunkt gänzlich verlassen, da
es dem Manne von wahrer Ehre weniger auf Bestrafung des Beleidigers, als
vielmehr auf Zurücknahme der Beleidigung ankommt, und wenn diese Gesetz¬
gebung keine nachtheiligen Folgen hatte und die Fälle der Verletzung der
Duellgesetze immer seltener wurden, so lag dies weniger in der Art der Gesetz¬
gebung, als vielmehr darin, daß überhaupt das Duell lo der neuern Zeit
seltener geworden ist, und dieser Umstand ist grade ein Beweis dafür, daß in
dem gegenwärtigen Jahrhundert zur Unsitte geworden ist, was vor Jahrhun¬
derten Sitte und Gewohnheit war, daß das gegenwärtige Jahrhundert das
Unsittliche, Unmoralische, Unreligiöse, daS Unvernünftige des Duells erkannt
hat und nach einem Surrogate für dasselbe verlangt, was einzig und allein in
dem Ehrengerichte gesunden werden kann. Das hat die preußische Gesetz¬
gebung denn auch bereits in den Verordnungen vom 20. Juli 1843 und
27. September 18L5 richtig erkannt, wenn auch noch nicht genügend gelöst
und auch nur für das Militär angeordnet.

In das neuere Strafgesetzbuch vom 14. April 1831 sind wiederum nnr
Strafbestimmungen, nicht dagegen das Ehrengericht und überhaupt keine Be¬
stimmungen zur Genugthuung des Beleidigten aufgenommen. Das Gesetzbuch
geht überhaupt auf Neparirung der verletzten Ehre, auf die verletzte Persön¬
lichkeit gar nicht ein, denn die dz 163 angeordnete öffentliche Bekanntmachung
kann durchaus nicht dafür angesehen werden, es hat den römischrechtlichen
Grundsatz angenommen und den deutschrechtlichen ganz bei Seite liegen
lassen. Während nämlich die Römer einem Geschmähten auf keine Weise
Vorwürfe machten, es rein von ihm abhängen ließen, ob er sich um die In¬
jurie kümmern wollte, während sie durch Privatklagen die Verletzung verfolgen
ließen, betrachteten die Deutschen jeden beschimpften und gescholtenen Mann
als ehrlos, beraubten thu aller Vorzüge, schlössen ihn von Turnieren, Zünften
et. so lange aus, als er die erlittene Schmach auf sich ungeahndet ließ; Jn-
jurienprocesse anzustellen wurde für schimpflich gehalten, und so blieb nichts
übrig, als sich mit dem Degen Genugthuung zu verschaffen. Vgl. Mittermaier,
Bemerkungen über Duellgesetze, S. 1L3. In den Motiven des Strafgesetzbuchs
heißt es »un: „Die verletzte Cyrenhafligkeil soll durch den Beweis der persön¬
lichen Tapferkeit und der Todesverachtung bewährt werben; dies ist der
Grundgedanke. Wenngleich nun ohne weiteres anerkannt werben muß, daß


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101910"/>
          <p xml:id="ID_984" prev="#ID_983"> Ehrengericht als Surrogat für das Duell einführen wollte. Diese Bestim¬<lb/>
mungen wurden jedoch gestrichen, und es wurde nur der, die Strafbestimmungen<lb/>
enthaltende Abschnitt in das allgemeine Landrecht aufgenommen und gleichzeitig<lb/>
eine Privatgenugthuung durch Ehrenerklärung, Widerruf und Abbitte ange¬<lb/>
ordnet. Im Jahre 1811 wurde aber auch diese aufgehoben, indem man an¬<lb/>
nahm, daß dieselbe gleichzeitig mit in der öffentlichen Strafe enthalten sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_985"> Damit hatte man aber den richtigen Gesichtspunkt gänzlich verlassen, da<lb/>
es dem Manne von wahrer Ehre weniger auf Bestrafung des Beleidigers, als<lb/>
vielmehr auf Zurücknahme der Beleidigung ankommt, und wenn diese Gesetz¬<lb/>
gebung keine nachtheiligen Folgen hatte und die Fälle der Verletzung der<lb/>
Duellgesetze immer seltener wurden, so lag dies weniger in der Art der Gesetz¬<lb/>
gebung, als vielmehr darin, daß überhaupt das Duell lo der neuern Zeit<lb/>
seltener geworden ist, und dieser Umstand ist grade ein Beweis dafür, daß in<lb/>
dem gegenwärtigen Jahrhundert zur Unsitte geworden ist, was vor Jahrhun¬<lb/>
derten Sitte und Gewohnheit war, daß das gegenwärtige Jahrhundert das<lb/>
Unsittliche, Unmoralische, Unreligiöse, daS Unvernünftige des Duells erkannt<lb/>
hat und nach einem Surrogate für dasselbe verlangt, was einzig und allein in<lb/>
dem Ehrengerichte gesunden werden kann. Das hat die preußische Gesetz¬<lb/>
gebung denn auch bereits in den Verordnungen vom 20. Juli 1843 und<lb/>
27. September 18L5 richtig erkannt, wenn auch noch nicht genügend gelöst<lb/>
und auch nur für das Militär angeordnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_986" next="#ID_987"> In das neuere Strafgesetzbuch vom 14. April 1831 sind wiederum nnr<lb/>
Strafbestimmungen, nicht dagegen das Ehrengericht und überhaupt keine Be¬<lb/>
stimmungen zur Genugthuung des Beleidigten aufgenommen. Das Gesetzbuch<lb/>
geht überhaupt auf Neparirung der verletzten Ehre, auf die verletzte Persön¬<lb/>
lichkeit gar nicht ein, denn die dz 163 angeordnete öffentliche Bekanntmachung<lb/>
kann durchaus nicht dafür angesehen werden, es hat den römischrechtlichen<lb/>
Grundsatz angenommen und den deutschrechtlichen ganz bei Seite liegen<lb/>
lassen. Während nämlich die Römer einem Geschmähten auf keine Weise<lb/>
Vorwürfe machten, es rein von ihm abhängen ließen, ob er sich um die In¬<lb/>
jurie kümmern wollte, während sie durch Privatklagen die Verletzung verfolgen<lb/>
ließen, betrachteten die Deutschen jeden beschimpften und gescholtenen Mann<lb/>
als ehrlos, beraubten thu aller Vorzüge, schlössen ihn von Turnieren, Zünften<lb/>
et. so lange aus, als er die erlittene Schmach auf sich ungeahndet ließ; Jn-<lb/>
jurienprocesse anzustellen wurde für schimpflich gehalten, und so blieb nichts<lb/>
übrig, als sich mit dem Degen Genugthuung zu verschaffen. Vgl. Mittermaier,<lb/>
Bemerkungen über Duellgesetze, S. 1L3. In den Motiven des Strafgesetzbuchs<lb/>
heißt es »un: &#x201E;Die verletzte Cyrenhafligkeil soll durch den Beweis der persön¬<lb/>
lichen Tapferkeit und der Todesverachtung bewährt werben; dies ist der<lb/>
Grundgedanke. Wenngleich nun ohne weiteres anerkannt werben muß, daß</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] Ehrengericht als Surrogat für das Duell einführen wollte. Diese Bestim¬ mungen wurden jedoch gestrichen, und es wurde nur der, die Strafbestimmungen enthaltende Abschnitt in das allgemeine Landrecht aufgenommen und gleichzeitig eine Privatgenugthuung durch Ehrenerklärung, Widerruf und Abbitte ange¬ ordnet. Im Jahre 1811 wurde aber auch diese aufgehoben, indem man an¬ nahm, daß dieselbe gleichzeitig mit in der öffentlichen Strafe enthalten sei. Damit hatte man aber den richtigen Gesichtspunkt gänzlich verlassen, da es dem Manne von wahrer Ehre weniger auf Bestrafung des Beleidigers, als vielmehr auf Zurücknahme der Beleidigung ankommt, und wenn diese Gesetz¬ gebung keine nachtheiligen Folgen hatte und die Fälle der Verletzung der Duellgesetze immer seltener wurden, so lag dies weniger in der Art der Gesetz¬ gebung, als vielmehr darin, daß überhaupt das Duell lo der neuern Zeit seltener geworden ist, und dieser Umstand ist grade ein Beweis dafür, daß in dem gegenwärtigen Jahrhundert zur Unsitte geworden ist, was vor Jahrhun¬ derten Sitte und Gewohnheit war, daß das gegenwärtige Jahrhundert das Unsittliche, Unmoralische, Unreligiöse, daS Unvernünftige des Duells erkannt hat und nach einem Surrogate für dasselbe verlangt, was einzig und allein in dem Ehrengerichte gesunden werden kann. Das hat die preußische Gesetz¬ gebung denn auch bereits in den Verordnungen vom 20. Juli 1843 und 27. September 18L5 richtig erkannt, wenn auch noch nicht genügend gelöst und auch nur für das Militär angeordnet. In das neuere Strafgesetzbuch vom 14. April 1831 sind wiederum nnr Strafbestimmungen, nicht dagegen das Ehrengericht und überhaupt keine Be¬ stimmungen zur Genugthuung des Beleidigten aufgenommen. Das Gesetzbuch geht überhaupt auf Neparirung der verletzten Ehre, auf die verletzte Persön¬ lichkeit gar nicht ein, denn die dz 163 angeordnete öffentliche Bekanntmachung kann durchaus nicht dafür angesehen werden, es hat den römischrechtlichen Grundsatz angenommen und den deutschrechtlichen ganz bei Seite liegen lassen. Während nämlich die Römer einem Geschmähten auf keine Weise Vorwürfe machten, es rein von ihm abhängen ließen, ob er sich um die In¬ jurie kümmern wollte, während sie durch Privatklagen die Verletzung verfolgen ließen, betrachteten die Deutschen jeden beschimpften und gescholtenen Mann als ehrlos, beraubten thu aller Vorzüge, schlössen ihn von Turnieren, Zünften et. so lange aus, als er die erlittene Schmach auf sich ungeahndet ließ; Jn- jurienprocesse anzustellen wurde für schimpflich gehalten, und so blieb nichts übrig, als sich mit dem Degen Genugthuung zu verschaffen. Vgl. Mittermaier, Bemerkungen über Duellgesetze, S. 1L3. In den Motiven des Strafgesetzbuchs heißt es »un: „Die verletzte Cyrenhafligkeil soll durch den Beweis der persön¬ lichen Tapferkeit und der Todesverachtung bewährt werben; dies ist der Grundgedanke. Wenngleich nun ohne weiteres anerkannt werben muß, daß

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/383>, abgerufen am 21.06.2024.