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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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schließt den gewöhnlichen Rechtsgang als ungeeignet aus und gewährt durch
die Ehrcnurtheile der Standesgenossen ' dem Beleidigten diejenige Genug¬
thuung, die selbst das Duell nicht zu leisten vermochte.

Trotz der manigfaltigen und eigenthümlichen Verhältnisse, die zu erörtern
zu weit führen würde, welche hauptsächlich aber darin bestanden, daß Marschälle,
Ehrenrichter und Adel dem Duellverbor ungünstig waren, hatte diese Gesetz¬
gebung doch einen solchen Erfolg, daß er als vollständig hätte bezeichnet wer¬
den tonnen, wenn nicht die Fürsten zu nachsichtig und mit Begnadigen zu frei¬
gebig gewesen wären.

Die neuere Gesetzgebung von Frankreich, der cones pvnsl von 1791 und
1810, haben das System der Straflosigkeit des Duells angenommen. Im
Königreich Baiern wurde in dem 1813 publicirten Strafgesetzbuche das neuere
französische System ebenfalls angenommen und das Duell straflos gelassen;
die Mangelhaftigkeiten dieses Systems stellten sich jedoch bald ein und 1819
trug die Ständeversammlung auf Abänderung desselben und auf ein Duell¬
gesetz und dabei namentlich auf Ehrengerichte an, ließ jedoch unter Umständen
das Duell noch zu. Das Ehrengericht, bemerkte der Referent des Ausschusses,
sei seiner Natur nach Friedensgericht, gelingt die gütliche Vereinigung nicht,
so erkenne es nach summarischer Cognition, gebiete Ruhe und verurtheile den
einen oder beide Theile, gebe Verweise und verhänge Geld- oder Arreststrafen;
in wichtigen Fällen haben die Parteien das Recht, vor einem andern Ehren¬
gerichte die Revision nachzusuchen (Verhandlungen der II. Kammer 1819.
Band III. S. 22z ff.).

Die preußischen Gesetze vom 17. September 1632, 6. August 1688,
28. Juni 1713 beruhen alle auf dem Grundsatze, daß der gewöhnliche Justizweg
wider den Beleidiger, für den Beleidigten ein genügendes Ehrenrettungsmittel
und zugleich ein hinreichendes Surrogat für das Duell bilde, weshalb das
Duell mit scharfen Strafen belegt wurde. Zugleich bestimmten sie aber auch
Strafen gegen den Beleidiger, welche sehr geeignet waren, dem Beleidigten
Genugthuung zu verschaffen und gleichzeitig von dem Zweikampfe abzuhalten
und z. B. nach § 11 des Edicts von 1683 in Entsetzung der Charge, Geld¬
buße, Gefängniß, Landesverweisung und Verdickung des Degens bestanden;
bald mußte der Jujuriant sich vor versammeltem Richtercollegium aufs Maul
schlagen, oder sich vor demselben gleiche Schläge, als er ausgetheilt, von dem
Beleidigten gefallen lassen, daneben auch schriftlich und mündlich erklären, daß
er unbesonnener, brutaler Weise losgeschlagen mit der Bitte, der Beleidigte
möge es ihm vergeben. Mitunter mußte selbst der Beleidiger kniend Abbitte
thun. Diese Gesetze kamen jedoch wegen allzumilder Nachsicht nicht zur vollen
Ausführung, und man hoffte alle Schwierigkeiten zu beseitigen, indem man
bei Entwerfung des allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten ein


schließt den gewöhnlichen Rechtsgang als ungeeignet aus und gewährt durch
die Ehrcnurtheile der Standesgenossen ' dem Beleidigten diejenige Genug¬
thuung, die selbst das Duell nicht zu leisten vermochte.

Trotz der manigfaltigen und eigenthümlichen Verhältnisse, die zu erörtern
zu weit führen würde, welche hauptsächlich aber darin bestanden, daß Marschälle,
Ehrenrichter und Adel dem Duellverbor ungünstig waren, hatte diese Gesetz¬
gebung doch einen solchen Erfolg, daß er als vollständig hätte bezeichnet wer¬
den tonnen, wenn nicht die Fürsten zu nachsichtig und mit Begnadigen zu frei¬
gebig gewesen wären.

Die neuere Gesetzgebung von Frankreich, der cones pvnsl von 1791 und
1810, haben das System der Straflosigkeit des Duells angenommen. Im
Königreich Baiern wurde in dem 1813 publicirten Strafgesetzbuche das neuere
französische System ebenfalls angenommen und das Duell straflos gelassen;
die Mangelhaftigkeiten dieses Systems stellten sich jedoch bald ein und 1819
trug die Ständeversammlung auf Abänderung desselben und auf ein Duell¬
gesetz und dabei namentlich auf Ehrengerichte an, ließ jedoch unter Umständen
das Duell noch zu. Das Ehrengericht, bemerkte der Referent des Ausschusses,
sei seiner Natur nach Friedensgericht, gelingt die gütliche Vereinigung nicht,
so erkenne es nach summarischer Cognition, gebiete Ruhe und verurtheile den
einen oder beide Theile, gebe Verweise und verhänge Geld- oder Arreststrafen;
in wichtigen Fällen haben die Parteien das Recht, vor einem andern Ehren¬
gerichte die Revision nachzusuchen (Verhandlungen der II. Kammer 1819.
Band III. S. 22z ff.).

Die preußischen Gesetze vom 17. September 1632, 6. August 1688,
28. Juni 1713 beruhen alle auf dem Grundsatze, daß der gewöhnliche Justizweg
wider den Beleidiger, für den Beleidigten ein genügendes Ehrenrettungsmittel
und zugleich ein hinreichendes Surrogat für das Duell bilde, weshalb das
Duell mit scharfen Strafen belegt wurde. Zugleich bestimmten sie aber auch
Strafen gegen den Beleidiger, welche sehr geeignet waren, dem Beleidigten
Genugthuung zu verschaffen und gleichzeitig von dem Zweikampfe abzuhalten
und z. B. nach § 11 des Edicts von 1683 in Entsetzung der Charge, Geld¬
buße, Gefängniß, Landesverweisung und Verdickung des Degens bestanden;
bald mußte der Jujuriant sich vor versammeltem Richtercollegium aufs Maul
schlagen, oder sich vor demselben gleiche Schläge, als er ausgetheilt, von dem
Beleidigten gefallen lassen, daneben auch schriftlich und mündlich erklären, daß
er unbesonnener, brutaler Weise losgeschlagen mit der Bitte, der Beleidigte
möge es ihm vergeben. Mitunter mußte selbst der Beleidiger kniend Abbitte
thun. Diese Gesetze kamen jedoch wegen allzumilder Nachsicht nicht zur vollen
Ausführung, und man hoffte alle Schwierigkeiten zu beseitigen, indem man
bei Entwerfung des allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/382>, abgerufen am 21.06.2024.