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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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die Früchte gewartet habe, welche die Gesetzgebung über das Duell habe tra¬
gen sollen, und de Felice: Ovals et'Kumkmitö etc. I.V. p. 26i, daß die Könige
und Fürsten alle Kräfte vergeblich angewendet hätten,, um diesem abscheulichen
Wahnwitz zu. steuern. Ebenso sprechen sich zahlreiche Concilienschlüsse, päpst¬
liche Decrete und Gesetze der Kaiser und Fürsten aus.

Nach der, dem longobardischen Gesetze .einverleibten Constitution Karls
des Großen sollen die, welchen sie den Zweikampf gestattet, sich mit Stöcken
schlagen. Das Capitular Ludwigs des Frommen läßt die Wahl frei, sich mit
Stöcken, oder mit scharfen Waffen zu schlagen, später schlugen sich nur die
Leibeigenen mit Stöcken. In Proceßsachen begann der Kläger mit der Er¬
klärung vor dem Richter, dieser oder jener habe diese oder jene That begangen,
und der andere antwortete, indem er ihn der Lüge zieh. Hierauf befahl der
Richter den Zweikampf. Bald galt es als Grundsatz, daß man, sobald man
der Unwahrheit beschuldigt wurde, sich schlagen müsse. Traten mehre Kläger
auf, so mußten sie sich vergleichen, die Sache durch einen unter ihnen auszu¬
machen, konnten sie aber nicht einig werden, fo wurde dies durch Zweikampf
entschieden. Wenn ein Zeuge gegen jemand ausgesagt hatte, so konnte der
Gegner ihn zum Zweikampfe zwingen, wurde der Zeuge darin überwunden, so
war es ausgemacht, daß die Gegenpartei einen falschen Zeugen gestellt hatte.
Der Zeuge konnte vor seiner Vernehmung erklären: er wolle sich nicht für
eine fremde Sache schlagen, wenn ihn aber der ihn Anrufende vertheidigen
wolle, so werde er die Wahrheit sagen. Die Partei sah sich auf diese Weise
genöthigt,, für den Zeugen zu kämpfe^ und wenn sie überwunden wurde, verlor
sie den Proceß nicht, sondern der Zeuge wurde verworfen. Gundobald be¬
stimmte daher: "Wenn der Beklagte Zeugen stellt, um zu schwören, daß er
das Verbrechen nicht begangen, so kann der Kläger einen der Zeugen zum
Zweikampfe herausfordern, denn es ist billig, daß, wer sich zum Eide erboten
und erklärt hat, er wüßte die Wahrheit, keine Schwierigkeit mache, für seine
Behauptung zu kämpfen." Wenn ein Urtheil verkündet wurde, mußten alle
Richter zugegen sein, um sich zu demselben zu bekennen, wurde aber dagegen
appellirt, so mußte wiederum der Zweikampf bestanden werden.

In dieser Form, des s. g. gerichtlichen Zweikampfes, erscheint das Duell
als Gottesurtheil, Tacitus "<zrmg,n, e. 2. Der Papst verwarf jedoch später
dieses Entscheidungsmittel in Processen und empfahl dafür den Reinigungseid
(pru-KAlio carwniea,). Mit der Aufhebung deS Faustrechts und der Einführung
bessrer Justiz verschwand das Duell als Gottesurtheil nach und nach.

Das Duell bestand ferner in einer zweiten Form; nämlich in der, daß es
als Mittel diente, eine erfahrene Beleidigung zu rächen. Im ältern deutschen
Rechte ist das Duell in dieser Form noch nicht bekannt; es wurden dergleichen
Fälle durch gütliche" Beilegung zu schlichten gesucht; nur für mündliche Be-


die Früchte gewartet habe, welche die Gesetzgebung über das Duell habe tra¬
gen sollen, und de Felice: Ovals et'Kumkmitö etc. I.V. p. 26i, daß die Könige
und Fürsten alle Kräfte vergeblich angewendet hätten,, um diesem abscheulichen
Wahnwitz zu. steuern. Ebenso sprechen sich zahlreiche Concilienschlüsse, päpst¬
liche Decrete und Gesetze der Kaiser und Fürsten aus.

Nach der, dem longobardischen Gesetze .einverleibten Constitution Karls
des Großen sollen die, welchen sie den Zweikampf gestattet, sich mit Stöcken
schlagen. Das Capitular Ludwigs des Frommen läßt die Wahl frei, sich mit
Stöcken, oder mit scharfen Waffen zu schlagen, später schlugen sich nur die
Leibeigenen mit Stöcken. In Proceßsachen begann der Kläger mit der Er¬
klärung vor dem Richter, dieser oder jener habe diese oder jene That begangen,
und der andere antwortete, indem er ihn der Lüge zieh. Hierauf befahl der
Richter den Zweikampf. Bald galt es als Grundsatz, daß man, sobald man
der Unwahrheit beschuldigt wurde, sich schlagen müsse. Traten mehre Kläger
auf, so mußten sie sich vergleichen, die Sache durch einen unter ihnen auszu¬
machen, konnten sie aber nicht einig werden, fo wurde dies durch Zweikampf
entschieden. Wenn ein Zeuge gegen jemand ausgesagt hatte, so konnte der
Gegner ihn zum Zweikampfe zwingen, wurde der Zeuge darin überwunden, so
war es ausgemacht, daß die Gegenpartei einen falschen Zeugen gestellt hatte.
Der Zeuge konnte vor seiner Vernehmung erklären: er wolle sich nicht für
eine fremde Sache schlagen, wenn ihn aber der ihn Anrufende vertheidigen
wolle, so werde er die Wahrheit sagen. Die Partei sah sich auf diese Weise
genöthigt,, für den Zeugen zu kämpfe^ und wenn sie überwunden wurde, verlor
sie den Proceß nicht, sondern der Zeuge wurde verworfen. Gundobald be¬
stimmte daher: „Wenn der Beklagte Zeugen stellt, um zu schwören, daß er
das Verbrechen nicht begangen, so kann der Kläger einen der Zeugen zum
Zweikampfe herausfordern, denn es ist billig, daß, wer sich zum Eide erboten
und erklärt hat, er wüßte die Wahrheit, keine Schwierigkeit mache, für seine
Behauptung zu kämpfen." Wenn ein Urtheil verkündet wurde, mußten alle
Richter zugegen sein, um sich zu demselben zu bekennen, wurde aber dagegen
appellirt, so mußte wiederum der Zweikampf bestanden werden.

In dieser Form, des s. g. gerichtlichen Zweikampfes, erscheint das Duell
als Gottesurtheil, Tacitus «<zrmg,n, e. 2. Der Papst verwarf jedoch später
dieses Entscheidungsmittel in Processen und empfahl dafür den Reinigungseid
(pru-KAlio carwniea,). Mit der Aufhebung deS Faustrechts und der Einführung
bessrer Justiz verschwand das Duell als Gottesurtheil nach und nach.

Das Duell bestand ferner in einer zweiten Form; nämlich in der, daß es
als Mittel diente, eine erfahrene Beleidigung zu rächen. Im ältern deutschen
Rechte ist das Duell in dieser Form noch nicht bekannt; es wurden dergleichen
Fälle durch gütliche" Beilegung zu schlichten gesucht; nur für mündliche Be-


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[0380] die Früchte gewartet habe, welche die Gesetzgebung über das Duell habe tra¬ gen sollen, und de Felice: Ovals et'Kumkmitö etc. I.V. p. 26i, daß die Könige und Fürsten alle Kräfte vergeblich angewendet hätten,, um diesem abscheulichen Wahnwitz zu. steuern. Ebenso sprechen sich zahlreiche Concilienschlüsse, päpst¬ liche Decrete und Gesetze der Kaiser und Fürsten aus. Nach der, dem longobardischen Gesetze .einverleibten Constitution Karls des Großen sollen die, welchen sie den Zweikampf gestattet, sich mit Stöcken schlagen. Das Capitular Ludwigs des Frommen läßt die Wahl frei, sich mit Stöcken, oder mit scharfen Waffen zu schlagen, später schlugen sich nur die Leibeigenen mit Stöcken. In Proceßsachen begann der Kläger mit der Er¬ klärung vor dem Richter, dieser oder jener habe diese oder jene That begangen, und der andere antwortete, indem er ihn der Lüge zieh. Hierauf befahl der Richter den Zweikampf. Bald galt es als Grundsatz, daß man, sobald man der Unwahrheit beschuldigt wurde, sich schlagen müsse. Traten mehre Kläger auf, so mußten sie sich vergleichen, die Sache durch einen unter ihnen auszu¬ machen, konnten sie aber nicht einig werden, fo wurde dies durch Zweikampf entschieden. Wenn ein Zeuge gegen jemand ausgesagt hatte, so konnte der Gegner ihn zum Zweikampfe zwingen, wurde der Zeuge darin überwunden, so war es ausgemacht, daß die Gegenpartei einen falschen Zeugen gestellt hatte. Der Zeuge konnte vor seiner Vernehmung erklären: er wolle sich nicht für eine fremde Sache schlagen, wenn ihn aber der ihn Anrufende vertheidigen wolle, so werde er die Wahrheit sagen. Die Partei sah sich auf diese Weise genöthigt,, für den Zeugen zu kämpfe^ und wenn sie überwunden wurde, verlor sie den Proceß nicht, sondern der Zeuge wurde verworfen. Gundobald be¬ stimmte daher: „Wenn der Beklagte Zeugen stellt, um zu schwören, daß er das Verbrechen nicht begangen, so kann der Kläger einen der Zeugen zum Zweikampfe herausfordern, denn es ist billig, daß, wer sich zum Eide erboten und erklärt hat, er wüßte die Wahrheit, keine Schwierigkeit mache, für seine Behauptung zu kämpfen." Wenn ein Urtheil verkündet wurde, mußten alle Richter zugegen sein, um sich zu demselben zu bekennen, wurde aber dagegen appellirt, so mußte wiederum der Zweikampf bestanden werden. In dieser Form, des s. g. gerichtlichen Zweikampfes, erscheint das Duell als Gottesurtheil, Tacitus «<zrmg,n, e. 2. Der Papst verwarf jedoch später dieses Entscheidungsmittel in Processen und empfahl dafür den Reinigungseid (pru-KAlio carwniea,). Mit der Aufhebung deS Faustrechts und der Einführung bessrer Justiz verschwand das Duell als Gottesurtheil nach und nach. Das Duell bestand ferner in einer zweiten Form; nämlich in der, daß es als Mittel diente, eine erfahrene Beleidigung zu rächen. Im ältern deutschen Rechte ist das Duell in dieser Form noch nicht bekannt; es wurden dergleichen Fälle durch gütliche" Beilegung zu schlichten gesucht; nur für mündliche Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/380>, abgerufen am 21.06.2024.