Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.sächsischen Gewerb- und Jndustriezustände; ferner ein "Deutscher Courier" als Freilich kann es nun, da die Journalistik auch in diesem Bereiche des öffent¬ sächsischen Gewerb- und Jndustriezustände; ferner ein „Deutscher Courier" als Freilich kann es nun, da die Journalistik auch in diesem Bereiche des öffent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101878"/> <p xml:id="ID_900" prev="#ID_899"> sächsischen Gewerb- und Jndustriezustände; ferner ein „Deutscher Courier" als<lb/> wöchentlicher Concurrent des hendschelschen Telegraphen und von weit umfassen¬<lb/> derer Tendenz, weil er der Geschäftswelt nicht blos die Fahrzeiten, sondern<lb/> auch fortlaufend die organischen und regulativen Einrichtungen der Posten,<lb/> Eisenbahnen und Telegraphen nebeneinanderstellt. Für andre Gebiete der<lb/> Volkswirthsschaft bleiben ebenfalls die Journale nicht aus. So ist ist in Köln<lb/> soeben ein „Berggeist" zur Vertretung der Interessen des Bergbau- und Hütten¬<lb/> wesens im Entstehen, so hat in Halle eine Halbmonatsschrift, „der Kaufmann"<lb/> begonnen, welche sich die Verbreitung kaufmännischer Kenntnisse unter jüngern<lb/> Mitgliedern der Handelswelt zur Ausgabe macht. So sehen wir weiter bald<lb/> da, bald dort ein Journal von durchaus praktischer Tendenz heranwachsen,<lb/> während bemerkenswertl) genug die Organe der blos theoretischen und innerlich<lb/> scheidenden Principienreiterei auf allen materiellen Gebieten mehr und mehr ver¬<lb/> schwinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_901" next="#ID_902"> Freilich kann es nun, da die Journalistik auch in diesem Bereiche des öffent¬<lb/> lichen Lebens eine Macht wird, ebensowenig daran fehlen, daß einzelne große<lb/> Geld- und Geschäftsinstitute sich in den Besitz bestimmter Organe für ihre specifi¬<lb/> schen Interessen zu setzen oder die Stimme andrer dafür zu gewinnen suchen. An<lb/> sich liegt darin kein Unrecht von Seiten solcher Institute und es gehört ge¬<lb/> wissermaßen zu den von unsern Preßzuständen octroyirten Vorurtheilen, wenn<lb/> man den Blättern einen solchen Dienst zum Vorwurf macht. In Ländern, wo<lb/> eine freie Presse eristirt, hat dieses Verfahren von jeher bestanden. Wenn auch<lb/> der Schaden eines falsch angebrachten Vertrauens für unvorsichtige und schlecht<lb/> unterrichtete Geschäftsmänner, im einzelnen Falle sehr bedeutend sein kann, so<lb/> wird er für das große Publicum eben dadurch ausgeglichen, daß solche Organe<lb/> durch die Gewissenlosigkeit publicistischer Börsenmanöver sofort ebensoviel an<lb/> öffentlichem Vertrauen einbüßen, als etwa ihre Redacteure momentan durch<lb/> einen journalistischen Coup gewinnen. Ist nicht z. B. die langbegründete<lb/> Autorität der Nachrichten der Jndependance belge seit jenem Momente, da<lb/> sie im kritischesten Momente der pariser Friedensconferenzen mit falschen Depc-<lb/> Ichen auf die Leichtgläubigkeit Der Börsenmänner speculirte, außerordentlich tief<lb/> gesunken? Könnte man nicht auch aus Deutschland ähnliche Beispiele an¬<lb/> führen? Freilich sind hier solche Verhältnisse weit bedenklicher, eben weil<lb/> unsre Presse keine freie Kritik üben darf. Aber im Allgemeinen — es<lb/> ist freilich nur „deutscher Trost" — wird derselben doch auf den volkswirth-<lb/> schaftlichen Gebieten eine freiere Bewegung, als auf den politischen gestattet,<lb/> ^ut. nach der gewöhnlichen Praxis wird man von oben herab die freie Dis¬<lb/> kussion nach dieser Richtung um so weniger beschränken, je mehr die großen<lb/> volkswirthschaf/lichen Unternehmungen von Privatleuten, Gesellschaften, Ver¬<lb/> tuen in die Hand genommen, je weniger sie Negierungssache sind. Ist dies</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
sächsischen Gewerb- und Jndustriezustände; ferner ein „Deutscher Courier" als
wöchentlicher Concurrent des hendschelschen Telegraphen und von weit umfassen¬
derer Tendenz, weil er der Geschäftswelt nicht blos die Fahrzeiten, sondern
auch fortlaufend die organischen und regulativen Einrichtungen der Posten,
Eisenbahnen und Telegraphen nebeneinanderstellt. Für andre Gebiete der
Volkswirthsschaft bleiben ebenfalls die Journale nicht aus. So ist ist in Köln
soeben ein „Berggeist" zur Vertretung der Interessen des Bergbau- und Hütten¬
wesens im Entstehen, so hat in Halle eine Halbmonatsschrift, „der Kaufmann"
begonnen, welche sich die Verbreitung kaufmännischer Kenntnisse unter jüngern
Mitgliedern der Handelswelt zur Ausgabe macht. So sehen wir weiter bald
da, bald dort ein Journal von durchaus praktischer Tendenz heranwachsen,
während bemerkenswertl) genug die Organe der blos theoretischen und innerlich
scheidenden Principienreiterei auf allen materiellen Gebieten mehr und mehr ver¬
schwinden.
Freilich kann es nun, da die Journalistik auch in diesem Bereiche des öffent¬
lichen Lebens eine Macht wird, ebensowenig daran fehlen, daß einzelne große
Geld- und Geschäftsinstitute sich in den Besitz bestimmter Organe für ihre specifi¬
schen Interessen zu setzen oder die Stimme andrer dafür zu gewinnen suchen. An
sich liegt darin kein Unrecht von Seiten solcher Institute und es gehört ge¬
wissermaßen zu den von unsern Preßzuständen octroyirten Vorurtheilen, wenn
man den Blättern einen solchen Dienst zum Vorwurf macht. In Ländern, wo
eine freie Presse eristirt, hat dieses Verfahren von jeher bestanden. Wenn auch
der Schaden eines falsch angebrachten Vertrauens für unvorsichtige und schlecht
unterrichtete Geschäftsmänner, im einzelnen Falle sehr bedeutend sein kann, so
wird er für das große Publicum eben dadurch ausgeglichen, daß solche Organe
durch die Gewissenlosigkeit publicistischer Börsenmanöver sofort ebensoviel an
öffentlichem Vertrauen einbüßen, als etwa ihre Redacteure momentan durch
einen journalistischen Coup gewinnen. Ist nicht z. B. die langbegründete
Autorität der Nachrichten der Jndependance belge seit jenem Momente, da
sie im kritischesten Momente der pariser Friedensconferenzen mit falschen Depc-
Ichen auf die Leichtgläubigkeit Der Börsenmänner speculirte, außerordentlich tief
gesunken? Könnte man nicht auch aus Deutschland ähnliche Beispiele an¬
führen? Freilich sind hier solche Verhältnisse weit bedenklicher, eben weil
unsre Presse keine freie Kritik üben darf. Aber im Allgemeinen — es
ist freilich nur „deutscher Trost" — wird derselben doch auf den volkswirth-
schaftlichen Gebieten eine freiere Bewegung, als auf den politischen gestattet,
^ut. nach der gewöhnlichen Praxis wird man von oben herab die freie Dis¬
kussion nach dieser Richtung um so weniger beschränken, je mehr die großen
volkswirthschaf/lichen Unternehmungen von Privatleuten, Gesellschaften, Ver¬
tuen in die Hand genommen, je weniger sie Negierungssache sind. Ist dies
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