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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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mischen Interessen heranwachsen, dessen wir im Gegensatz zu England, Frank¬
reich und Belgien noch entbehren.

Wie wichtig aber ein solches für Deutschlands praktische Entwicklung und sür
die Verbreitung der noch sehr mangelhaften Intelligenz des großen Publicums
auf den materiellen Gebieten der nationalen Interessen werden müßte, von
wie großem, wenn auch vorläufig nur mittelbarem Einflüsse aus die Ausbildung
einer nationalen Politik -- bedarf es etwa dafür einer langen Beweisführung?
Ebenso wie das von manchen Seiten immer von neuem angestrebte Unternehmen
gelang, die nationalpolitischen Interessen und AnliegenDeutschlandS durch viel¬
seitige Begünstigung der materiellen zu beschwichtigen und schließlich zu ersticken,
ebensowenig können wir es wegleugnen, daß die sich immer enger zerflechtende
Gemeinsamkeit und gegenseitige Wechselbedingung der materiellen Interessen den
nationalpolitischen Gedanken und das deutsche Einheitsbewußtsein auch über
die Jahre äußerster Erschlaffung und Niedergedrücktheit hinweggcrettet hat. Je
weniger vor der Hand eine Aussicht ist, daß dem deutschen Volke eine Gewähr
seiner nationalpolitischen Wünsche und Bedürfnisse zu Theil wird, desto dringen¬
der bleibt die Aufgabe, ihm die materiellen Grundlagen dieses Baues der Zu¬
kunft, die Bausteine und Vorarbeiten für seine dereinstige Erhebung, die Ban¬
ner und Capitale seiner nationalen Hoffnungen aus dem volkswirthschaftlichen
Gebiete vor Augen zu halten. Die Möglichkeit dafür liegt jedoch nicht etwa
darin, daß alles hierher Gehörige ausschließlich in einem Centralorgan sich
sammelt. Durchaus nicht; ein solches hat vielmehr nur die localen Interessen
in ihrer Gesammtheit und Bedeutung als nationale zu vertreten. Es ist sogar
sehr nöthig, daß sich die locale und sachwissenschaftliche Presse der National¬
ökonomie immer mehr entwickelt und daß die Theilung der Arbeit auch aus
diesem Gebiete immer mehr Platz greife, damit die Resultate aus den localen
Vorgängen und Zuständen in bestimmten Organen summirt werden. Denn
nur so kann endlich das Bewußtsein und die praktische Ueberzeugung vom
nationalen Wesen der Volkswirthschaft gleichermaßen allgemein herrschend werden,
wie das politische, sociale, wissenschaftliche, kurz das culturliche Nationalbewußt¬
sein. So verschiedenartig und zusammenhanglos also auch vorläufig die ratio-'
nalökvnomischen Zeitschriften nach ihren localen Verhältnissen und ihren speciellen
Aufgaben sich darstellen -- es ist bei einer so jungen Literatur nicht anders
denkbar --, so erscheint doch jede einzelne als baarer Gewinn für den all¬
gemeinen Zweck. Wir sehen bereits den Gegensatz in Oestreich. Dort besteht
keine volkswirthschaftliche Localprefse. Und trotz der riesenhaften Anstrengungen
aus allen Gebieten der nationalen Arbeit sah sich das officielle Centralorgan
dieser materiellen Interessen, sah sich die "Austria" genöthigt, sich in ein Wochen¬
blatt zu vereinfachen. Dagegen entstand mit Neujahr in Sachsen eine "Sa-
ronia" als Magazin unterhaltender Belehrung mit specieller Berücksichtigung der


mischen Interessen heranwachsen, dessen wir im Gegensatz zu England, Frank¬
reich und Belgien noch entbehren.

Wie wichtig aber ein solches für Deutschlands praktische Entwicklung und sür
die Verbreitung der noch sehr mangelhaften Intelligenz des großen Publicums
auf den materiellen Gebieten der nationalen Interessen werden müßte, von
wie großem, wenn auch vorläufig nur mittelbarem Einflüsse aus die Ausbildung
einer nationalen Politik — bedarf es etwa dafür einer langen Beweisführung?
Ebenso wie das von manchen Seiten immer von neuem angestrebte Unternehmen
gelang, die nationalpolitischen Interessen und AnliegenDeutschlandS durch viel¬
seitige Begünstigung der materiellen zu beschwichtigen und schließlich zu ersticken,
ebensowenig können wir es wegleugnen, daß die sich immer enger zerflechtende
Gemeinsamkeit und gegenseitige Wechselbedingung der materiellen Interessen den
nationalpolitischen Gedanken und das deutsche Einheitsbewußtsein auch über
die Jahre äußerster Erschlaffung und Niedergedrücktheit hinweggcrettet hat. Je
weniger vor der Hand eine Aussicht ist, daß dem deutschen Volke eine Gewähr
seiner nationalpolitischen Wünsche und Bedürfnisse zu Theil wird, desto dringen¬
der bleibt die Aufgabe, ihm die materiellen Grundlagen dieses Baues der Zu¬
kunft, die Bausteine und Vorarbeiten für seine dereinstige Erhebung, die Ban¬
ner und Capitale seiner nationalen Hoffnungen aus dem volkswirthschaftlichen
Gebiete vor Augen zu halten. Die Möglichkeit dafür liegt jedoch nicht etwa
darin, daß alles hierher Gehörige ausschließlich in einem Centralorgan sich
sammelt. Durchaus nicht; ein solches hat vielmehr nur die localen Interessen
in ihrer Gesammtheit und Bedeutung als nationale zu vertreten. Es ist sogar
sehr nöthig, daß sich die locale und sachwissenschaftliche Presse der National¬
ökonomie immer mehr entwickelt und daß die Theilung der Arbeit auch aus
diesem Gebiete immer mehr Platz greife, damit die Resultate aus den localen
Vorgängen und Zuständen in bestimmten Organen summirt werden. Denn
nur so kann endlich das Bewußtsein und die praktische Ueberzeugung vom
nationalen Wesen der Volkswirthschaft gleichermaßen allgemein herrschend werden,
wie das politische, sociale, wissenschaftliche, kurz das culturliche Nationalbewußt¬
sein. So verschiedenartig und zusammenhanglos also auch vorläufig die ratio-'
nalökvnomischen Zeitschriften nach ihren localen Verhältnissen und ihren speciellen
Aufgaben sich darstellen — es ist bei einer so jungen Literatur nicht anders
denkbar —, so erscheint doch jede einzelne als baarer Gewinn für den all¬
gemeinen Zweck. Wir sehen bereits den Gegensatz in Oestreich. Dort besteht
keine volkswirthschaftliche Localprefse. Und trotz der riesenhaften Anstrengungen
aus allen Gebieten der nationalen Arbeit sah sich das officielle Centralorgan
dieser materiellen Interessen, sah sich die „Austria" genöthigt, sich in ein Wochen¬
blatt zu vereinfachen. Dagegen entstand mit Neujahr in Sachsen eine „Sa-
ronia" als Magazin unterhaltender Belehrung mit specieller Berücksichtigung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/350>, abgerufen am 22.06.2024.